# taz.de -- Die afrikanischen Teams bei der WM: „Ich glaube, wir werden Weltmeister“
       
       > Algerien, Ghana, Nigeria und die Elfenbeinküste haben bei der WM erst
       > versagt und dann aufgeholt. Kommt da noch was?
       
 (IMG) Bild: Algerien hat als erstes afrikanisches Team vier Tore in einer WM-Partie erzielt.
       
       RECIFE taz | Stephen Keshi wusste sofort um die Tragweite von Nigerias
       1:0-Sieg gegen Bosnien und Herzegowina. „Das ist gut für den ganzen
       Kontinent“, sagte der Trainer des westafrikanischen Teams nach dem Abpfiff,
       und erwähnte gleich noch die beeindruckenden Ghanaer, die der DFB-Elf
       wenige Stunden zuvor ein 2:2 abgetrotzt hatten.
       
       Das Selbstwertgefühl war zurück. Zuvor hatten die afrikanischen
       Mannschaften bei diesem Turnier versagt. Algerien, Nigeria, die
       Elfenbeinküste, Ghana und Kamerun hatten aus sieben Partien gerade mal vier
       magere Pünktchen erspielt und letztere zudem noch ein desaströses Bild
       innerer Zerstrittenheit abgegeben.
       
       Und dabei ist eine WM für die großen Fußballnationen Westafrikas „noch viel
       wichtiger als in Europa“, sagt Kameruns Maxim Choupo-Moting. Das
       Abschneiden der afrikanischen Teams in Brasilien berührt das
       Selbstwertgefühl des Kontinents. Die sportliche Enttäuschung brachte vielen
       wieder das Gefühl zurück, immer unterlegen und chancenlos zu bleiben. Wie
       im richtigen Leben.
       
       Wie stolz war man einst, für große Fußballkünstler wie Jay-Jay Okocha oder
       Roger Milla bewundert zu werden und Helden wie Didier Drogba, Yaya Touré
       oder Samuel Eto’o hat, die entscheidend zu Champions-League-Erfolgen
       europäischer Großklubs beitragen. In den 90er Jahren hielten es Prominente
       von Berti Vogts über Pelé bis zu Franz Beckenbauer sogar für möglich, dass
       es „sehr bald“ einen afrikanischen Weltmeister geben würde. In Afrika lebt
       diese Vision immer noch. „Ich glaube dass wir Weltmeister werden“, hatte
       Ghanas Trainer Kwesi Appiah vor der WM erklärt. Dann kamen die ersten
       Spiele.
       
       ## Historischer Sieg
       
       Nachdem nun alle Teams zwei Spiele absolviert haben, sieht es plötzlich
       ganz anders aus, Ghana, die Elfenbeinküste, Nigeria und Algerien haben noch
       gute Chancen, das Achtelfinale zu erreichen, und Letztere haben mit ihrem
       4:2 über Südkorea sogar Historisches erreicht. Algerien, der einzige
       Vertreter der von den Folgen des Arabischen Frühlings gebeutelten
       Maghreb-Staaten, hat als erstes afrikanisches Team vier Tore in einer
       WM-Partie erzielt.
       
       „Einige Leute in Afrika können jetzt wieder ein bisschen fröhlich sein“,
       sagt Nigerias Trainer Keshi, denn nach den jüngsten Ergebnissen ist sogar
       ein weiterer Rekord möglich. Noch nie haben zwei oder mehr afrikanische
       Teams die Gruppenphase überstanden. Wenn dieses Kunststück gelänge, sähe
       das tatsächlich wie ein Fortschritt aus.
       
       In Wahrheit lassen die Ergebnisse bei dieser WM aber allenfalls eine
       oberflächliche Bestandsaufnahme zu. Bei einer etwas differenzierteren
       Betrachtung des afrikanischen Fußballs wird schnell deutlich, dass sich
       kaum etwas geändert hat im Vergleich zur WM 2010 in Afrika, die eine
       Initialzündung werden sollte.
       
       Kamerun ist ein Desaster, der Verband verhält sich noch destruktiver als
       die Funktionäre aus Ghana, Nigeria oder der Elfenbeinküste und die
       Mannschaft ist seit Jahren von schwelenden Konflikten zerrüttet. Das führt
       zu Auswüchsen wie dem unfassbaren Akt der Selbstzerstörung von Kapitän
       Song, der sich im entscheidenden Spiel gegen Kroatien zu einer bizarren
       Tätlichkeit hinreißen ließ. Und die Beinahe-Prügelei der Teamkollegen
       Benoît Assou-Ekotto und Benjamin Moukandjo bezeichnete Trainer Volker Finke
       als „Schande“.
       
       ## Größere Konfliktpotenziale
       
       In den meisten afrikanischen Teams gibt es tatsächlich größere
       Konfliktpotenziale als in Europa, weil viele der großen Spieler sich vor
       den aufwändigen Reisen zu den Qualifikationsspielen drücken. Da stellen
       sich die Leute aus der zweiten Reihe zur Verfügung, „weil einige Spieler,
       die in Europa sind, sagen: ’Och nö, Malawi oder Mosambik, da will ich nicht
       hin, da bin ich lieber verletzt‘“, erzählt Antoine Heye, der Lesotho,
       Gambia, Liberia und Kenia trainierte und zuletzt Sportdirektor in Libyen
       war.
       
       Wenn dann aber WM ist, sind alle großen Stars doch wieder dabei, die Jungs,
       die vorher die Drecksarbeit erledigt haben, müssen sich auf der ganz großen
       Bühne mit kleineren Rollen begnügen. Hier liegt im Übrigen auch einer der
       Gründe für den Ärger um Ghanas Kevin-Prince Boateng, der fast die gesamte
       Qualifikation geschwänzt hat. Dass der Trainer Boateng trotzdem nominierte,
       liegt daran, dass Boateng die letzte WM durchgespielt hatte und unklar war,
       was passieren würde, wenn er nicht mehr dabei sein würde.
       
       Natürlich existieren darüber hinaus all die alten Probleme mit der
       Organisation, mit Verbandsleuten, die versuchen, Gelder in dunkle Kanäle
       abzuleiten, mit den schwachen Ligen und einem Mangel an Fachkenntnis und
       Realismus. In Kamerun wurde erwartet, dass die sogenannten unbezähmbaren
       Löwen „ins Finale kommen“, sagt Trainer Finke, und Nigeria oder Ghana sind
       angetreten, um Weltmeister zu werden. Was die Entwicklungen in den
       Verbänden, den Ligen, der Ausbildung und der Infrastruktur rund um die
       Nationalmannschaften betrifft, stagniert Afrika. Und weil die anderen sich
       weiterentwickeln, wird der Rückstand immer größer.
       
       ## Chancen auf eine gute WM
       
       Das ändert nichts daran, dass jenseits von Kamerun alle afrikanischen Teams
       noch eine gute WM spielen können. Die Black Stars scheinen sich in ihrem
       Deutschland-Spiel gefangen zu haben, die Elfenbeinküste kann mit einem
       Erfolg gegen Griechenland aus eigener Kraft in die nächste Runde einziehen,
       Nigeria hat es gegen Argentinien selbst in der Hand, und Algerien steht
       plötzlich ebenfalls erstaunlich gut da.
       
       Die Herzen der Fußballromantiker wird allerdings keines dieser Teams
       erobern. In den 90er Jahren war das naiv unbekümmerte Spiel der Afrikaner
       ein Gegenentwurf zu dem damals noch stärker auf Effizienz und Willensstärke
       ausgerichteten Fußball der meisten europäischen Teams. Heute spielen viele
       Europäer schönen Fußball, während die Afrikaner auf Physis setzen. Und das
       ist nur in seltenen Ausnahmespielen wirklich attraktiv.
       
       24 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Theweleit
       
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