# taz.de -- Vorrunden-WM-Bilanz (4/4): Bloß nicht vereinnahmen lassen
       
       > Seit Beginn der WM wird in Braslien weniger demonstriert. Viele trauen
       > sich nicht mehr, wegen der Polizei und der Vereinnahmung von rechts.
       
 (IMG) Bild: Mehr Polizisten als Demonstranten: So macht protestieren keinen Spaß.
       
       RIO DE JANEIRO taz | Fernando da Lima steht in dem übersichtlichen
       Empfangsbereich am Flughafen mit der Kennung GIG. Hier, am Galeão, dem
       internationalen Flughafen von Rio de Janeiro, treffen täglich neue
       WM-Touristen aus aller Welt ein. Da Lima hält ein Namensschildchen hoch,
       mit dem er auf neue Gäste wartet, die er nicht kennt. Heute sind es
       Franzosen, er bringt sie gleich in ein kleines Hotel in der Stadt.
       Eigentlich wäre da Lima jetzt lieber auf der Straße, demonstrieren, denn er
       ist immer noch frustriert. Als 2013 Zehntausende BrasilianerInnen auf die
       Straßen gingen, war er auch dabei. „Aber jetzt traue ich mich nicht mehr.“
       
       Vor zwei Wochen begann die Fußballweltmeisterschaft der Herren in Brasilien
       – und siehe: In den ersten zwölf Tagen der WM, so hat es die Zeitung Folha
       de São Paulo ausgerechnet, sank die Zahl der Demonstrationen im Vergleich
       zu den zwölf Tagen vor Anpfiff um 39 Prozent. Der Zahl liegen
       Polizeiangaben aus den zehn größten Städten des Landes zugrunde. Während es
       dort vor der WM noch 71 Protestaktionen gab, waren es danach nur 43. Das
       ist zwar nicht besonders repräsentativ, aber es zeigt: Die Massenproteste
       sind ausgeblieben. Warum?
       
       Fernando da Lima kann das erklären. Seine Franzosen sind noch nicht da, er
       hat noch etwas Zeit. „Ich habe Angst, vereinnahmt zu werden“, sagt er. Und
       damit meint er eine Verunsicherung, die er mit vielen teilt. „Den
       Demonstrationen wurde die Unschuld genommen.“ Damit meint er eine
       Gemengelage, die viele progressive Brasilianer im Moment davon abhält, zu
       demonstrieren. Sie wissen: Wer heute gegen die – verhältnismäßig linke –
       Präsidentin Dilma auf die Straße geht, läuft Gefahr, die rechten Parteien
       zu stärken. „Ich möchte nicht von Rechten funktionalisiert werden“, sagt
       der 32-Jährige.
       
       Wie viele andere fürchtet auch er: Polizeigewalt auf den Straßen,
       Ausschreitungen von Autonomen und ein Zerrbild, das auf ihn zurückfallen
       könnte: „Wer während einer Fußballweltmeisterschaft in Brasilien auf die
       Straße geht, provoziert nicht nur die Politik, sondern auch viele
       Mitbürger. Das muss ja nicht sein.“
       
       Ist er denn auch im Fußballfieber? Nein, sagt er, ganz im Gegenteil. „Es
       hat sich ja nichts für mich verbessert.“ Aber jetzt muss er los in die
       Stadt, zur WM, die Franzosen sind da.
       
       28 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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