# taz.de -- Mesut Özil in der Kritik: Der Integrationsverweigerer
       
       > Wer sich in ihn nicht verliebt, hat von Fußball keine Ahnung, sagt Arsène
       > Wenger. Er hat recht. Warum mögen ihn die Deutschen trotzdem nicht?
       
 (IMG) Bild: Irgendwie anders: Mesut Özil im Kreis seiner Mitspieler nach dem WM-Achtelfinale gegen Algerien.
       
       Man ist sich einig. Die Schultern von Mesut Özil hängen einfach zu tief.
       Lustlos, leblos, inspirationslos schaue er bei dieser Weltmeisterschaft
       wieder einmal aus, schreiben viele deutsche Journalisten. Und kultiviere
       ein Phlegma, das dem deutschen Spiel nicht guttue. Özil zieht offenbar die
       Kritik auf sich wie das Licht die Mücken. Schon bei seinem vorletzten
       Auftritt vor der WM wurde er in Mönchengladbach beim [1][Testspiel gegen
       Kamerun] von deutschen Fans ausgepfiffen.
       
       Viele Emotionen sind da im Spiel. Die Unzufriedenen bemeckern immer wieder,
       dass Özil nur schön spielen könne – und die von ihnen gewünschte nötige
       Härte nicht bringt. Mesut Özil und die Deutschen – das ist in der Tat ein
       ganz besonderes Beziehungsverhältnis, das erklärungsbedürftig ist.
       
       Einst nämlich beteuerte Özil, sein größter Traum sei es, für die türkische
       Nationalmannschaft zu spielen. Um dann später nicht weniger
       leidenschaftlich zu bekunden, er fühle sich als Deutscher und wolle für den
       DFB auflaufen. „[2][Unentschlossen zwischen den Fußball-Kulturen“] titelte
       die FAZ vor fünf Jahren. Özil entschied sich dann für das DFB-Team, das
       damals mit großer Verspätung begann, fußballerische Talente unter
       Einwandererkindern zu integrieren. Von der [3][deutschen
       Internationalmannschaft] war plötzlich die Rede.
       
       ## Falsche Körpersprache
       
       Am Beispiel von Özil zeigt sich nun aber, dass die Integration der
       verschiedenen Fußballkulturen in Deutschland noch sehr
       entwicklungsbedürftig ist. Womit man wieder auf die hängenden Schultern von
       Mesut Özil zu sprechen kommen muss. Er habe nicht die richtige
       Körpersprache, wird immer wieder moniert. Der „deutsche Messi“ darf nicht
       solche hängenden Schultern haben wie der echte. Obwohl der argentinische
       Ausnahmekönner ja trotz seines körpersprachlichen Understatements ganz
       passabel Fußball spielen kann.
       
       Viel lieber sähe man Özil sich so aufrecht und kraftstrotzend in den Kampf
       werfend, wie es Sami Khedira zu tun pflegt. Hauptsächlich aber ist alles
       ein kulturelles Missverständnis. Die Özil-Versteher sind vor allem
       außerhalb von Deutschland angesiedelt.
       
       Für das [4][USA-Spiel] erhielt der Mittelfeldmann von der englischen Presse
       die beste Note von allen deutschen Nationalspielern. Und José Mourinho,
       sein einstiger Trainer bei Real Madrid, sagte einmal: „Özil ist Özil. Man
       darf von ihm nicht erwarten, dass er zwischen den Torauslinien hin- und
       herläuft, Kilometer macht. Dass er der große emotionale Leader dieser
       Mannschaft ist und alle mitreißt mit seiner aggressiven Art. Nein, das ist
       nicht Mesut.“
       
       Özils Stärken liegen in einem anderen Bereich. Kaum einer kann das Spiel so
       leicht erscheinen lassen wie er. Sein Gespür für die richtige Entscheidung
       bei Spielzügen und sein virtuoses Geschick mit dem Ball haben nur wenige.
       Und seine starken Szenen entwickeln sich meist aus dem Unscheinbaren. Er
       entzieht sich gern der Aufmerksamkeit, um dann plötzlich geradezu
       bewunderungswürdige Momente zu kreieren.
       
       ## Facebook- und Twitterstar
       
       Das Problem ist nun, dass Özil dazu neigt, es allen recht machen zu wollen.
       Er ist sehr auf seine Außenwirkung bedacht. Seine Begabung hat ihm ja auch
       viele Freunde eingebracht. Welche echten Freunde er hat, weiß keiner, aber
       [5][Facebook-Fans] hat er 20.760.901 (Stand: Donnerstagvormittag), und
       [6][6,75 Millionen Twitternutzer] folgen ihm.
       
       Eine solch üppige Anhängerschaft hat keiner seiner Teamkollegen.
       Entsprechend gewissenhaft pflegt er seine Accounts. Und er weiß genau, dass
       diese Sympathien an Bedingungen geknüpft sind. Dass er zaubert und kämpft.
       Mit seinem Können ist die Messlatte der Kritik in einen Höhenbereich
       gerückt, die Özil fast die Luft zum Atmen nimmt.
       
       Er wolle an seiner Körpersprache arbeiten, beteuerte er in den letzten
       Tagen überaus reumütig. Vermutlich würde man den 25-Jährigen aber eher
       stärken, wenn man ihn so anders sein ließe, wie er ist. Denn das, was man
       ihm als Manko anlastet, beschäftigt ihn mehr als andere. „Jeder kleine
       Fehler ärgert mich maßlos. Das war schon als Kind so“, sagte er dieser
       Tage. Es falle ihm schwer, sich zu konzentrieren. Mesut Özil verfällt
       leicht ins Grübeln und verbleibt dann meist auch im Unscheinbaren.
       
       Eigentlich könnte er auch einiges zu seiner Verteidigung ins Feld führen.
       Aber es wirkt eher kleinlaut, wenn er bemerkt: „Ich glaube schon, dass ich
       gute Spiele abgeliefert habe.“ Er mühte sich jedenfalls redlich auf der für
       ihn undankbaren rechten Seite. Dass seine Qualitäten aus der Zentrale
       heraus viel eher zum Tragen kämen, bemerkt er allenfalls nebenbei.
       
       Er ordnet sich ins Team ein, auch wenn es ihn um die Möglichkeit bringt,
       Außerordentliches zu zeigen. Arsène Wenger, sein Trainer bei Arsenal
       London, sagte vorigen Herbst: „Wenn du Mesut auf dem Platz siehst und dich
       dann nicht in ihn verliebst, hast du keine Ahnung von Fußball.“
       
       3 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!139568/
 (DIR) [2] http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/mesut-oezil-unentschlossen-zwischen-den-fussball-kulturen-1754404.html
 (DIR) [3] /!53898/
 (DIR) [4] /!141242/
 (DIR) [5] http://www.facebook.com/mesutoezil
 (DIR) [6] http://twitter.com/MesutOzil1088
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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