# taz.de -- Pro & Kontra Winke Winke bei der WM: Hochnotpeinlich oder große Geste?
       
       > Kaum sehen sich die Fans in den WM-Stadien auf den Monitoren, winken sie
       > in die Kamera. Bescheuert oder gut so?
       
 (IMG) Bild: Winke winke.
       
       PRO: „Zeig mir, wie du winkst und ich sage dir, wer du bist“ 
       
       Die schönsten Fans sind die, die winken. Die, die das nicht tun, wirken
       unwillkürlich arrogant. Freilich gibt es Stars und hässliche Entlein unter
       den Winke-Winkes: wunderschön geschwungene, wild paddelnde, kleinkreisend
       verlegene, jahrelang einstudierte oder mit spontaner Überwältigung
       wedelnde, von offenen Mündern und gekonntem Augenzwinkern flankiert. Allen
       gemeinsam ist, dass sie keinen fußballerischen Anlass haben. Sie sind
       Gesten des Zurücksehens.
       
       Kein steiles Tor, kein Wunderpass ist nötig, um zu winken. Kein gerade
       laufendes Elfmeterschießen hält die Fans davon ab, es wieder und wieder zu
       tun, wenn sie gesehen werden. Beziehungsweise, wenn sie sehen, dass sie
       gesehen werden. Und daran ist nichts schlimm. Ob man nun von einer Person
       oder von Millionen Zuschauern gesehen wird, es ist nur freundlich und toll,
       dem Sehenden diese kleine Geste des Zurücksehens zu schenken.
       
       Ein Mal im Leben der ganzen Welt aus purer Freude zuzuwinken und mit der
       offenen Handfläche zeigen, dass man in friedlicher Absicht ohne Waffen in
       den Händen gekommen ist. Das Winken ist eine Geste, die aus dem Alltag fast
       verflogen ist. Nur noch Königskinder, Päpste, Politiker und auf roten
       Teppichen Stehende winken. Ein royales Winken. Dabei ist diese kleinste und
       zugleich schönste Geste der Menschheit die grazilste, vielfältigste,
       einfachste, bezauberndste, charakteristischste, größte Geste der Welt.
       
       Es ist dieser kurze Moment, in dem der Körper spricht, ohne dass er laut
       werden muss. Dass sich diese dem Anderen öffnende Geste verflüchtigt hat,
       ist sicher auch Ergebnis der absoluten Körperkontrolle. Und das ist schade.
       Man sollte viel mehr winken. Zeig mir, wie du winkst, und ich sag dir, wer
       du bist. (DORIS AKRAP)
       
       ***
       
       Kontra: „Wenn ihr mich unterhalten wollt, zeigt Fußball“ 
       
       Wer dieses Jahr WM schaut, hat manchmal das Gefühl, er stehe im Asia-Laden:
       überall idiotisch grinsende, selbstverliebt dreinschauende Winkekatzen. Im
       Gegensatz zur Nabelschau der Stadionbesucher erfüllt die monoton hin und
       her schwingende Pfote der Plastikkatze aber immerhin einen Sinn: Sie soll
       Kunden ins Geschäft locken, das Glück herbeiwinken. Das mag man für
       Aberglaube halten, doch wenigstens steckt dahinter eine erkennbare
       Motivation.
       
       Anders bei den Stadiozuschauern: Kein Mensch weiß, was es bedeuten soll,
       dass all diese Leute hysterisch mit der Hand wedeln, sobald sie sich selbst
       auch nur für einen kurzen Moment auf der Leinwand erblicken. Wem winken all
       die WM-Kätzchen in Fußball-BHs? Was wollen diese grölenden Machos mit
       Brasilien-Behutung von mir? Ist es möglich, dass sie tatsächlich glauben,
       irgendein Zuhauseschauer würde sich über ihren Anblick freuen? Denken die,
       dass es Spaß macht, daheim im piefigen Schland braungebrannten
       Brasilienreisenden beim Im-Stadion-Schauen zuschauen zu müssen? Oder
       schlimmer: Richtet sich das Winken gar nicht an mich, sondern meinen all
       die idiotisch Hüpfenden tatsächlich schlicht sich selbst?
       
       Kann man so verblendet sein, eine ganze Weltöffentlichkeit dazu zu zwingen,
       ihnen beim Sich-selbst-Zuwinken zuschauen zu müssen? Nein, liebe WM-Regie,
       es mag ja gut gemeint sein, mich an der Stadionatmosphäre teilhaben lassen
       zu wollen, aber so wird das nichts. Wenn ihr mich unterhalten wollt - okay:
       Zeigt mir Fußballmädchen, die beim Blick auf die Leinwand merken, dass sie
       beim In-der-Nase-Bohren gefilmt wurden. Oder spieltrunkene Jungs, die sich
       vor Millionen Fernsehzuschauern ihr alkoholfreies Bier über die Hose
       schütten. Wenn das zu schwer ist, geht's auch leichter: Zeigt doch bitte
       einfach Fußball! (JULIA LEY)
       
       5 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
 (DIR) Julia Ley
       
       ## TAGS
       
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Fans
 (DIR) WM 2014
 (DIR) China
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Brasilianische WM-Zuschauer: Fußballtempel für reiche Weiße
       
       Nur konservative und gutsituierte Brasilianer können sich Stadionbesuche
       leisten. Und die sind meist weiß. Schlecht für das Volk – und für Dilma
       Rousseff.
       
 (DIR) Plastikkatzen in Schaufenstern: Winke, winke von der Katzenmafia
       
       In vielen asiatischen Geschäften sieht man kleine Kätzchen winken – und
       nicht nur dort. Doch was bedeuten die Plastiktiger?
       
 (DIR) Brasilianischer Weltmeister über die WM: „Die Fans machen die Magie“
       
       Das Turnier läuft für Brasilien besser als gedacht, sagt Raí, Kapitän der
       Weltmeistermannschaft von 1994. Es werde ein Motor für Veränderungen sein.
       
 (DIR) Urteil zum „Sinterklaas“-Fest: Rassismus abschminken
       
       Seit Jahren wird in den Niederlanden gestritten, ob der Nikolaus-Helfer
       „Zwarte Piet“ eine rassistische Karikatur ist. Ein Gericht urteilte nun: Er
       ist es.