# taz.de -- Neue BBC-Gerichtsserie: Die Akten und die Toten
       
       > Gerichtsserien lässt man am besten von Anwälten schreiben. Mit der Serie
       > „Silk – Roben aus Seide“ zeigt die BBC, wie das geht.
       
 (IMG) Bild: Schick in Seide: die Anwälte der Gerichtsserie „Silk“.
       
       Das englisch-walisische Rechtssystem ist dermaßen kompliziert, dass wohl
       nur ein gelernter Jurist eine annähernd realistische TV-Serie zum Thema
       zustande bringt. Mit Peter Moffat – nicht zu verwechseln mit dem
       verstorbenen Regisseur Peter Moffatt – stand der BBC der passende Autor zur
       Verfügung. Moffats Weg führte von der Jurisprudenz über das Hörspiel zur
       Fernseherzählung; den Einstieg ermöglichte ihm ein Episodenskript für
       „Kavanagh QC“ – eine Anwaltsserie.
       
       „QC“ steht für „Queen‘s Counsel“, Kronanwalt, und damit wären wir bei
       [1][„Silk – Roben aus Seide“]. Wer zum Kronanwalt berufen werden möchte,
       muss sich bewerben und bewähren.
       
       In der Regel wird pro Kanzlei nur einem oder einer Auserwählten die Ehre
       zuteil, die Seidenrobe – „Silk“ – der privilegierten Kronanwälte tragen zu
       dürfen, die der Serie den Titel gab. In der Sozietät Shoe Lane Chambers
       gibt es gleich zwei Anwärter: den nicht immer ehrlich spielenden
       Schürzenjäger Clive Reader (Rupert Penry-Jones) und die ehrgeizige Martha
       Costello (Maxine Peake).
       
       Bürovorsteher Billy Lamb (Neil Stuke), für Akquise und Finanzen zuständig,
       sieht Costellos möglichen Aufstieg mit gemischten Gefühlen. Denn die
       37-Jährige gilt, im uncharmanten Jargon der Geschäftemacher gesprochen, als
       Arbeitstier. Sie ist erfolgreich und bringt Geld ein.
       
       Gerade hat sie wieder eine Verhandlung zugunsten ihres Mandanten
       entschieden und schleppt ein Wägelchen voller Akten zurück ins Büro. Lamb
       sieht sie vom Fenster aus kommen, schon lastet der nächste Fall auf ihren
       Schultern.
       
       ## Veraltetes Verständnis von Gerechtigkeit
       
       Anfangs scheint es, als folge Autor Peter Moffat dem klassischen Modell der
       Gerichtsserie. Die von ihrer Arbeit und, so sehen es viele ihrer Kollegen,
       von einem unzeitgemäßen Gerechtigkeitsbegriff besessene Costello verbeißt
       sich in ihre Aufzeichnungen, hält flammende Plädoyers und erreicht Urteile,
       die der Zuschauer als richtig empfindet. Weil er zumindest vor dem
       Bildschirm ja auch in gefühlsgesteuerten Gerechtigkeitskategorien denkt.
       
       Aber mag Costello das Debattierfeld auch als Heldin in weißer Rüstung
       verlassen, bleibt die Welt doch in Unordnung. Daran können kleine Siege
       nichts ändern. Im Gegenteil, manchmal verschlimmert sich die Lage gar. So,
       als sie einem des Raubes angeklagten Wiederholungstäter zur Freiheit
       verhilft – und bald selbst von dem psychischen gestörten Mann behelligt
       wird.
       
       Die Serie hat diverse durchlaufende Themen, namentlich die Schwächen des
       englisch-walisischen Rechtssystems, das aus langer, wenngleich mittlerweile
       aufgeweichter Tradition zwischen „Solicitors“ und „Barristers“,
       Rechtsberatern und Prozessanwälten, unterscheidet und so Abhängigkeiten und
       Machtgefüge schafft. All das wirkt sich auf die Abläufe in der Sozietät
       aus, wo Billy Lamb schon mal zu unsauberen Methoden greift, aber nicht als
       einziger intrigiert und manipuliert.
       
       Martha Costello ergibt sich den beruflichen Zwängen ohne Widerstand. Sie
       lebt allein und verbringt die meisten Abende mit der Vorbereitung auf ihre
       nächsten Prozesse. Manchmal sind es mehrere gleichzeitig, was ihr und ihrem
       neuen Referendar einiges abverlangt. Tatsächlich begreift sie, in der
       letzten Folge der ersten Staffel wird es offen angesprochen, die
       Kanzleikollegen als (Ersatz-)Familie – die Psychografie einer
       Arbeitssüchtigen.
       
       Ob sie Zutritt zum elitären „Silk“-Zirkel erhält? Die Antwort bleibt dem
       Staffelende vorbehalten. Bis dahin darf man mitbangen, ehe in Staffel zwei,
       die ZDFneo ab 5. August in direktem Anschluss zeigt, ein neuer
       Spannungsbogen aufgezogen wird.
       
       15 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.zdf.de/neoserie/silk-justiz-serie-episodenguide-zdfneo-zdf-bbc-33940876.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harald Keller
       
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