# taz.de -- Lahm sagt Tschüss: Oh Captain! Our Captain!
       
       > Philipp Lahm tritt überraschend als Nationalspieler zurück. Mit dem
       > WM-Titel hat er seine Laufbahn gekrönt – aber sein Rückzug wirft Fragen
       > auf.
       
 (IMG) Bild: Lahms letzter Akt im DFB-Dress
       
       Dass dieser Mann mal sehr wichtig für das deutsche Nationalteam werden
       könnte – man hat es geahnt. Die WM 2006, im Sport-Almanach heute unter S
       wie „Sommermärchen“ zu finden, war gerade 6 Minuten alt. Deutschland
       spielte gegen Costa Rica, das damals im Nachschlagewerk noch unter E wie
       „Exoten“ zu finden war.
       
       Dieser junge flinke Mann, aus München stammend, zog auf der linken
       Außenbahn nach innen und schlenzte den Ball lehrbuchmäßig in den rechten
       oberen Winkel. Das Sommermärchen hatte sein Initiationsereignis.
       
       Aus dem jungen flinken Mann ist inzwischen ein etwas älterer flinker Mann
       geworden, der am vergangenen Sonntag in Rio Weltmeister wurde – als Kapitän
       der Nationalmannschaft. Damit hat dieser Philipp Lahm, von dem die Rede
       ist, im Prinzip alles erreicht, was man als Fußballer erreichen kann. Gut,
       es fehlt noch ein Europameistertitel.
       
       Diesen Titel wird der 30-Jährige allerdings nun nicht mehr gewinnen können.
       Am Freitagmorgen kündigte Lahm überraschend seinen Rückzug aus dem DFB-Team
       an. Zuvor hatte er Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Präsident Wolfgang
       Niersbach unterrichtet. „Der Entschluss ist in mir während der letzten
       Saison gereift“, erklärte Lahm.
       
       ## Fast alles erreicht
       
       Lahms Nationalmannschaftskarriere begann am 18. Februar 2004 gegen
       Kroatien, das DFB-Team wurde damals noch von Rudi Völler trainiert. Lahm
       war fortan bei allen großen Turnieren seit der EM 2004 dabei. Meistens als
       Außenverteidiger, zuletzt auch zwischenzeitlich im defensiven Mittelfeld,
       worum es eine Debatte gab, die heute im WM-Almanach unter L wie
       „Lahm-Debatte“ zu finden ist.
       
       Lahm steht pars pro toto für die Neuerfindung des Ballsports, die dem DFB
       nach der EM 2004 in Portugal (Vorrundenaus) mit der Installierung von
       Jürgen Klinsmann und später Joachim Löw als Coaches gelang.
       
       Lahm sprach in seiner Autobiografie „Der feine Unterschied“ 2011 von einer
       anderen Epoche des Fußballs: „Wie professionell die Arbeit mit den
       Nationalspielern überhaupt sein kann, erlebe ich sowieso erst nach dem
       Debakel bei der EM 2004 in Portugal.“ Im Buch bestritt er übrigens auch an
       exponierter Stelle das wiederkehrende Gerücht, er sei schwul.
       
       ## Der Capitano nach dem Capitano
       
       Als Kapitän lief Lahm erstmals im Mai 2009 gegen China auf. Bei der WM 2010
       in Südafrika, bei der das DFB-Team (Dritter) begeisterte, wurde er als
       Stellvertreter des verletzten Capitano Michael Ballack dessen Ersatz. Und
       überraschte dann mit dem Anspruch, nun selbst zum Capitano werden zu
       wollen: „Wieso sollte ich das Amt freiwillig abgeben?“, fragte er
       öffentlich.
       
       Als Löw Ballack später ausbootete, musste Lahm sich diese Frage nicht mehr
       stellen. Inzwischen war er auch Kapitän beim FC Bayern geworden.
       
       Und doch blieben immer auch Zweifel an seinen Führungsqualitäten, bei
       Bayern stellte man Bastian Schweinsteiger (der nun sein Nachfolger werden
       könnte) genauso gerne als heimlichen Kapitän dar wie in der
       Nationalmannschaft. Und dann die leidige Debatte nach den echten Typen mit
       Führungsqualitäten, in die sich ein eher sachlicher, ruhiger Kapitän wie
       Lahm natürlich bestens fügte – spätestens seit vergangenem Sonntag dürfte
       dies Geschwätz von gestern sein.
       
       Und natürlich, es scheint nun sinnvoll, aufzuhören, wenn man auf dem Gipfel
       angekommen ist. Aber schon mit 30 Jahren? Als topfitter Abwehrspieler auf
       der Höhe seines Schaffens? Wo er noch gut hätte Rekordnationalspieler
       werden können?
       
       Es gibt noch keine Antworten auf diese Fragen. Nur so viel: Philipp Lahm
       ist einer, der bislang immer unbeirrt und entschlossen seinen Weg gegangen
       ist. Dies setzt er nun fort.
       
       18 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
       
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