# taz.de -- Abschuss von Flug MH17 in der Ukraine: Unklarheit über Anzahl der Leichen
       
       > Staatstrauer in den Niederlanden: Die Maschinen mit den Opfern kommen an.
       > Doch viele Leichname sollen fehlen. Der US-Geheimdienst hat neue
       > Erkenntnisse zum Absturz.
       
 (IMG) Bild: Der Zug mit den Opfern traf am Dienstag in Charkow ein.
       
       CHARKOW/DEN HAAG ap/dpa | Fast eine Woche nach dem Absturz der
       Passagiermaschine der Malaysia Airlines holen die Niederlande am Mittwoch
       die ersten Opfer der Tragödie heim. Für den Tag der Ankunft der Leichname
       hat die Regierung zudem eine Staatstrauer ausgerufen, im ganzen Land sollen
       die Kirchenglocken läuten. Jeder Bürger könne sich an einer Schweigeminute
       beteiligen, hieß es. Sie soll nach der Landung der Maschinen erfolgen, die
       gegen 16 Uhr erwartet werden.
       
       Die Malaysia-Airlines-Maschine mit der Flugnummer MH17 stürzte am
       vergangenen Donnerstag in den von Separatisten kontrollierten Gebieten in
       der Ostukraine ab. Alle 298 Menschen an Bord kamen um. Die Regierung in
       Kiew und westliche Staaten werfen den Rebellen vor, das Flugzeug mit einer
       Boden-Luft-Rakete vom Himmel geholt zu haben.
       
       US-Geheimdienstvertreter legten dazu am Dienstagabend in Washington neue
       Erkenntnisse vor: Es gebe bisher zwar keine zwingenden Hinweise für eine
       direkte Verwicklung der russischen Regierung in den Abschuss der Maschine.
       Doch habe Moskau erst die „Bedingungen“ für den Abschuss „geschaffen“,
       indem es die Aufständischen bewaffnet habe.
       
       Die Geheimdienstbeamten äußerten sich am Dienstag bei einem Briefing vor
       Reportern, wollten jedoch anonym bleiben. Dabei beriefen sich die
       Gewährsmänner auf abgefangenen Telefonmitschnitten, Satellitenfotos und von
       Rebellen auf sozialen Netzwerken geposteten Nachrichten, die zum Teil von
       US-Experten als authentisch eingestuft wurden.
       
       ## Aus Versehen abgeschossen
       
       Das wahrscheinlichste Szenario sei, dass die Maschine aus Versehen
       abgeschossen wurde, sagte einer der Geheimdienstler. Die Rebellen hätten
       einen Fehler gemacht. So hätten sie in der Vergangenheit schon zwölf
       ukrainische Kampfjets abgeschossen. Ob russische Funktionäre beim Start der
       Rakete zugegen waren, könnten sie nicht sagen. Ebenso unklar sei, ob die
       Schützen in Russland im Umgang mit den Waffen ausgebildet wurden.
       
       Nach tagelanger Verzögerung wird nun bald mit der Untersuchung und
       Identifizierung der Opfer von Flug MH17 begonnen. Ein Zug mit den Leichen
       kam am Dienstag in der Stadt Charkow an, von wo aus die sterblichen
       Überreste in die Niederlande gebracht werden sollten.
       
       Unklarheit herrschte jedoch darüber, wie viele Leichen in den Waggons
       waren. Nach niederländischen Angaben könnten sich darin lediglich die
       Überreste von 200 Opfern befunden haben. Die Suche nach Opfern müsste dann
       an der Absturzstelle fortgesetzt werden, zitierte der britische Sender BBC
       den Forensiker Jan Tuinder. Zunächst hatte es geheißen, die sterblichen
       Überreste von etwa 250 Menschen und weitere Leichenteile seien in den
       Waggons.
       
       Zwei Militärflugzeuge mit Leichnamen werden am Mittwochnachmittag gegen 16
       Uhr auf einem Luftwaffenstützpunkt in der Stadt Eindhoven erwartet. König
       Willem-Alexander und Königin Máxima werden vor Ort sein, um die Maschinen
       zu empfangen.
       
       ## Identifizierung könnte Monate dauern
       
       Fast zwei Drittel der Insassen von Flug MH17 waren Niederländer. Aber auch
       alle anderen Toten sollten erst dorthin gebracht werden. Die
       Identifizierung einiger der Leichen könne sehr rasch geschehen, bei anderen
       der insgesamt 298 Toten könnte es aber „Wochen oder sogar Monate“ dauern,
       erklärte der niederländische Regierungschef Mark Rutte.
       
       In Brüssel beschlossen die EU-Außenminister neue Sanktionen gegen russische
       Vertreter. Dabei handelt es sich um Einreiseverbote und Kontensperrungen,
       wie der niederländische Außenminister Frans Timmermans am Dienstag
       erklärte. Die Außenminister hätten auch die EU-Kommission darum gebeten,
       schärfere Wirtschaftssanktionen vorzubereiten, sollte Moskau nicht
       aufhören, die Ukraine zu destabilisieren. Derartige Strafmaßnahmen könnten
       auf den Waffen-, Energie- und Finanzsektor abzielen. Moskau habe nicht
       genug getan, um zu einer Deeskalation der Ukraine-Krise beizutragen, sagte
       Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
       
       Wie viele Personen von den neuen Sanktionen betroffen sind, sagte
       Timmermans nicht. Auch nannte er keine Namen. Europa und die USA hatten
       bereits Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Der Flugzeugabsturz
       hat die diplomatischen Spannungen wegen des Ukraine-Konflikts verschärft;
       in Washington, Brüssel und Malaysia richtet sich die Wut vor allem gegen
       Moskau.
       
       Kremlchef Wladimir Putin sagte bei einem Treffen seines nationalen
       Sicherheitsrats, Russland sei bereit, die Separatisten in der Ostukraine
       unter Druck zu setzen. Aber das reiche nicht aus, um den Konflikt zu
       beenden. Putin kritisierte Kiew erneut wegen dessen Militäroffensive, um
       die Aufständischen zu vertreiben. Zudem stelle er er erneut die Legitimität
       der ukrainischen Regierung infrage. „Personen sind auf eine bewaffnete,
       verfassungsfeindliche Weise an die Macht gekommen“, sagte Putin.
       
       23 Jul 2014
       
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