# taz.de -- Kohle statt Atom: Chemiefirma bekommt ein Kohlekraftwerk
       
       > Stader Rat macht den Weg frei für 1,2-Milliarden-Euro-Projekt an der
       > Elbe. Umweltverbände und Initiativen haben Normenkontrollklage
       > angekündigt.
       
 (IMG) Bild: Muss unbedingt ersetzt werden, findet Dow Chemical: das stillgelegte Atomkraftwerk Stade
       
       HAMBURG taz | Knapp elf Jahre nach Abschaltung des Atomkraftwerks Stade hat
       die kleine Stadt an der Elbe wieder ein großes Kraftwerk in Aussicht. Der
       Rat der Stadt hat mit einer Änderung des Flächennutzungs- und
       Bebauungsplans den Boden dafür bereitet, dass die Chemiefirma Dow auf ihrem
       Werksgelände ein Kohlekraftwerk bauen kann. Umweltverbände und
       Bürgerinitiativen hatten zu der Sitzung vor dem Rathaus protestiert. „Mit
       der Genehmigung für das Kohlekraftwerk zeigt die Mehrheit des Rats, dass
       ihr kurzfristige Wirtschaftsinteressen wichtiger sind als der Klimaschutz
       und eine nachhaltige Energie- und Wirtschaftsstruktur in Stade“,
       kritisierte Silke Hemke vom BUND Stade.
       
       Der Rat hatte mit 32 zu acht Stimmen für das Projekt gestimmt, das nach
       Einschätzung der Umweltschützer das letzte Kohlekraftwerk sein wird, das in
       Deutschland noch gebaut wird. Die Pläne zu zwei weiteren Kohlekraftwerken
       in Stade haben sich zerschlagen. Auch in Brunsbüttel, Kiel, Emden, Bremen
       und Dörpen sind die Pläne ad acta gelegt worden. In Hamburg-Moorburg und
       Wilhelmshaven werden gerade ein 1.600-Megawatt- und ein
       800-Megawatt-Kohlekraftwerk in Betrieb genommen.
       
       Das Besondere an dem Stader Kraftwerk ist, dass es in erster Linie das
       Chemiewerk von Dow versorgen soll, den größten Arbeitgeber in der Region.
       Dow spricht von einem „integrierten Energieversorgungskonzept“, zu dem
       neben dem Kohlekraftwerk auch ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk mit 160
       Megawatt gehört, das im November in Betrieb gegangen ist. „Was wir machen,
       ist ein Projekt, das jedes andere Stein- und Braunkohleprojekt in
       Deutschland übertreffen wird“, sagt Joachim Sellner, Sprecher von Dow in
       Stade.
       
       Das Kohlekraftwerk werde nicht nur mit Kohlestaub befeuert, sondern auch zu
       jeweils knapp zehn Prozent mit Holzschnitzeln und Wasserstoff, der bei der
       Chlorelektrolyse abfällt. Dieses „Industriekraftwerk“ wie das Gas- und
       Dampfturbinenkraftwerk erzeugt jeweils 300 Megawatt nutzbare Abwärme, die
       das Stader Werk das ganze Jahr über abnimmt, sodass der Kraftwerkspark nach
       Schätzung Dows die im Brennstoff enthaltene Energie zu 60 Prozent ausnutzen
       wird – ein guter Wert.
       
       „Wir halten es für weise, im Sinne der Standortsicherung eine zweite
       Brennstoffquelle zu nutzen“, sagt Sellner. Dow will das Gaskraftwerk
       anschmeißen, wenn das große Kraftwerk für eine Revision abgeschaltet werden
       muss. In diesem Fall muss Dow Strom von der Börse hinzukaufen. Läuft das
       große Kraftwerk, kann Dow eine Leistung von 200 Megawatt an der Börse
       anbieten.
       
       „Es wird sicher ein modernes Kohlekraftwerk – das ist unbestritten“, sagt
       Silke Hemke vom BUND. Trotzdem werde es jedes Jahr mehr als fünf Millionen
       Tonnen Kohlendioxid (CO2) ausstoßen und damit den Klimawandel vorantreiben.
       Und Gabriele Brockhausen von der Bürgerinitiative Stade – Altes Land warnt:
       „Es gibt keine ungefährlichen Grenzwerte für Quecksilber, Blei oder
       Feinstäube, da diese Stoffe sich im Körper anreichern.“
       
       Greenpeace verweist auf die Studie „Tod aus dem Schlot“. Die Universität
       Stuttgart ermittelte darin im vergangenen Jahr für die Umweltorganisation,
       wie sich Kohlekraftwerke auf die menschliche Gesundheit auswirken.
       Feinstaub, Ozon, Stickstoff- und Schwefeldioxid, die beim Verbrennen von
       Kohle entstehen, beeinträchtigen die Gesundheit auf vielfältige Weise.
       Demnach würde das Stader Kraftwerk pro Jahr europaweit zu fast 17.000
       krankheitsbedingt ausfallenden Arbeitstagen führen und den Menschen das
       Leben um insgesamt mehr als 800 Jahre verkürzen. Kohlekraftwerke emittieren
       drei bis sechs Prozent des Feinstaubs, 15 Prozent des Stickoxids und 37
       Prozent des Schwefeldioxids in Deutschland.
       
       Hemke kritisiert, dass der Bebauungsplan diese Bedenken nicht genügend
       berücksichtige und der Kraftwerksstandort aus raumordnerischen Gründen
       abzulehnen sei. „Wir werden gegen den Bebauungsplan ein
       Normenkontrollverfahren anstrengen“, kündigt sie an. Bis zu einem Urteil
       würden wohl zwei Jahre vergehen.
       
       29 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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