# taz.de -- Protest gegen Streichungen von Studiengängen: Gehen, wenn‘s am schönsten ist
       
       > Studierende räumten ihr „Bildungscamp“ auf dem Marktplatz nach einer
       > Woche. Trotzdem wollen sie weiter gegen den Wissenschaftsplan 2020
       > demonstrieren.
       
 (IMG) Bild: Inzwischen geräumt: das Bildungscamp auf dem Marktplatz.
       
       BREMEN taz | Am Freitagabend, in den letzten Stunden des Bildungscamps,
       kehrt langsam der Feierabend auf dem Marktplatz ein. An den
       Gastronomietischen sind nur noch wenige Plätze frei. Nachtwächter führen
       Touristen über den Platz, ziehen ihr Programm durch: Roland, Rathaus, Dom.
       Die kleine Zeltstadt vor den Stufen zur Bürgerschaft gehört
       selbstverständlich dazu. Die Studierenden selbst sind gerade nur aus der
       Nähe zu entdecken: Gut 20 von ihnen halten ihr Plenum ab. Dicht gedrängt um
       ein altes Sofa sitzen sie zwischen den Zelten und beraten darüber, ob sie
       gehen oder bleiben sollen.
       
       Die ganze Woche lang harrten sie hier aus, um gegen den morgen anstehenden
       Senatsbeschluss zum Wissenschaftsplan 2020 zu protestieren. Eine Kopie des
       Entwurfs liegt neben einer Kohlrabi-Kiste auf dem Boden. Viele Stellen sind
       unterstrichen und kommentiert – er wurde mehrfach im Lager herumgereicht
       und diskutiert. Wird er am Dienstag abgesegnet, erhalten Uni und Hochschule
       den Auftrag, den Abbau einiger Studiengänge zu prüfen: An der Uni ist davon
       die Psychologie, an der Hochschule sind Journalistik, Volkswirtschaft,
       Politikmanagement, Freizeitwissenschaften und Tourismusmanagement
       betroffen. „Unser Protest wird von vielen Studenten aus Hochschule und Uni
       getragen – nicht nur von den betroffenen Fachbereichen“, sagt Keno,
       Zeltlagerbewohner der ersten Stunde, „Bildungspolitik geht alle an.“
       
       Während des Plenums hält ein Polizeiwagen am Camp: Ein Beamter steigt aus,
       spricht kurz mit einer Studentin über den Stand der Dinge – für seine
       Übergabe an die Nachtschicht. Im Zeltlager ist das längst Routine: Die
       meisten nehmen den Polizisten kaum zur Kenntnis. Nach fünf Minuten ist er
       wieder weg: Das Camp wird vom Stadtamt geduldet.
       
       ## Eine Art Wohnprojekt
       
       Ihrem ursprünglichen Plan zufolge wären die Studenten schon längst weg.
       Weil aber der Senat vergangenen Dienstag nicht über den Wissenschaftsplan
       entschied, beschlossen die Studierenden zu bleiben. Aus der kurzen
       Versammlung mit 13 Zelten wurde eine Art Wohnprojekt. Anfangs gab es ein
       paar Probleme mit dem Sicherheitspersonal der Bürgerschaft, sagt Keno, weil
       die Protestler barfuß durchs Haus gelaufen sind und ihr Gemüse im
       Besucherbad des Landtags gewaschen haben. Doch das war bald vorbei und die
       Abläufe eingespielt: Vom Markt um die Ecke gab‘s Gemüsespenden, mit denen
       gemeinsam gekocht wurde – vegan. Strom lieferte ein Wirt von nebenan, der
       Uni-Asta sponsorte eine mobile Toilette. „Ansonsten hat unser Bündnis aber
       nichts mit den Studierendenvertretungen zu tun“, sagt Keno.
       
       Das Plenum entscheidet: Freitag wird abgebaut. Aber erst nach dem Konzert,
       wenn in der Stadt weniger los ist. „Unser Protest ist nicht an diesen Ort
       gebunden“, sagt Studentin Anna, „spätestens zur Demo am Dienstag sind wir
       wieder da.“ Die Entscheidung ist eine taktische: Nicht am Dienstag
       geschlagen vom Platz ziehen, sondern jetzt die positive Stimmung mitnehmen,
       woanders weitermachen.
       
       ## Ordentlich aufgeräumt
       
       Auch sonst wird die Außenwirkung des Camps nicht dem Zufall überlassen: Das
       Gelände ist zwar vollgestellt mit Material, aber aufgeräumt: der Müll in
       Tüten am Rand eines Pavillons, leere Flaschen sortiert in Eimern.
       Vielleicht liegt es auch daran, dass die Protestcamper nicht nur bei den
       Touristen gut ankommen. Bürgermeister Jens Böhrnsen und
       Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt (beide SPD) haben mit den
       Studierenden diskutiert, GEW und Linke sich mit ihnen solidarisch erklärt.
       
       Sogar Wutbürger Martin Korol soll hier im Lager gestanden und seine Hilfe
       als Abgeordneter angeboten haben, berichtet Anna. Die Studenten hätten ihn
       allerdings erkannt – und verzichtet. Auch wenn Sie sich keiner bestimmten
       Szenefraktion angeschlossen haben, verstehen sich die CamperInnen als
       links. In ihren Workshops diskutieren sie Theorietexte, ein Film über die
       alternative Wohnsiedlung Christiania in Kopenhagen wurde gezeigt. Freitag
       diskutieren zwei noch gegen Mitternacht angeregt über Foucault.
       
       ## Sie wollen weitermachen
       
       Um halb eins wird das erste der 13 Zelte zusammengefaltet. Ein Transporter
       fährt vor, die Küche wird eingepackt. Noch sitzen knapp 30 BesucherInnen
       auf dem Boden, spielen Gitarre, trinken Wein und reflektieren die
       vergangene Woche. Für einige von ihnen war dies die erste größere
       politische Aktion. „Ich hätte nicht gedacht, dass die uns hier einfach
       machen lassen“, sagt eine. Andere reden darüber, auch nach der Demo am
       Dienstag weiter in der Gruppe zu arbeiten.
       
       Die Zelte aber sind am Samstagmorgen verschwunden. Nur deren Grundrisse
       haben die Studenten in bunten Farben auf dem Boden zurückgelassen. „Wir
       sind ja nicht weg“, hatte nachts noch jemand gesagt, „nur woanders.“
       
       3 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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