# taz.de -- „Islamischer Staat“ greift Libanon an: Dschihadisten auf dem Vormarsch
       
       > Die Miliz „Islamischer Staat“ rückt weiter vor. Der Libanon liegt in den
       > Grenzen des Wunschkalifats der Terroristen und wird bereits angegriffen.
       
 (IMG) Bild: Gegen den „Islamischen Staat“: Libanesische Soldaten in der Nähe der syrischen Grenze.
       
       BEIRUT taz | Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) will nach dem Vormarsch
       im Irak und Syrien das Herrschaftsgebiet ausweiten. Im Libanon wurde nach
       dem Ausruf des Kalifats sogar ein IS-Vertreter ernannt: Emir Abdel Salam
       al-Ordoni. Damit demonstriert der Kopf der Terrororganisation, Abu Bakr
       al-Baghdadi, dass der libanesische Staat Teil seines Wunschkalifats ist.
       
       Schon Ende Juni herrschte höchste Sicherheitsstufe im Libanon. Bei Razzien
       in Beiruter Hotels wurden mehrere Männer mit Verbindung zu terroristischen
       Organisationen festgenommen. Daraufhin explodierten innerhalb einer Woche
       drei Bomben im Libanon und töteten zwei Sicherheitskräfte. Offiziellen
       Informationen zufolge soll Emir al-Ordoni in die Planung von mindestens
       einem dieser Anschläge verwickelt sein.
       
       Aber ob nur die IS-Dschihadisten hinter den jüngsten Anschlägen stecken,
       kann niemand genau sagen. Seit 2013 wurde der Libanon von etlichen
       Attentaten erschüttert, zu denen sich verschiedene radikale sunnitische
       Gruppen bekannten.
       
       In Tripoli, der zweitgrößten Stadt des Libanon, wächst derweil die Zahl der
       Kalifat-Befürworter. Die schwarze IS-Flagge mit dem aufgedruckten
       Glaubensbekenntnis und dem Siegel des Propheten Mohammed war dort neben den
       WM-Länderflaggen ein regelrechter Verkaufsschlager. Dennoch sieht
       Nahostexperte Talal Atrissi in der aufflammenden Popularität der IS noch
       lange keine Bereitschaft, für einen Gottesstaat im Libanon zu kämpfen: „Die
       Unterstützer bejubeln die Dschihadisten nur, weil sie gegen das syrische
       Regime kämpfen.“
       
       Dabei rückt das Kalifat offenbar näher. Augenzeugen berichten von
       IS-Kämpfern im Umland der libanesischen Stadt Arsal nahe der syrischen
       Grenze. Auch Rebellen der Freien Syrischen Armee, die Nusra-Front und
       andere islamistische Gruppen harren dort in den Bergen aus.
       
       ## Kein Recht auf Kalifat
       
       Am Wochenende eskalierte die Situation in Arsal zwischen der libanesischen
       Armee und bewaffneten Kämpfern, die die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht
       hatten, nachdem Imad Ahmad Joumaa, ein Anführer Nusra-Front, festgenommen
       worden war. Auch kleinere Gruppen von IS sollen sich an den Kämpfen
       beteiligen.
       
       Laut einer Quelle aus Islamistenkreisen ist eine größer Anzahl von
       IS-Kämpfern auf dem Weg nach Arsal. Auch am Mittwoch hielten die Kämpfe
       trotz eines Waffenstillstands weiter an. Die Stadt ist ein Zufluchtsort für
       über 100.000 syrische Flüchtlinge.
       
       Libanons hochrangige Salafisten-Sheikhs verurteilen das IS-Kalifat
       öffentlich, wie etwa Sheikh Nabil Rahim in seiner Radioshow aus Tripoli:
       „Niemand hat das Recht, ein islamisches Kalifat auszurufen, nur weil er mit
       Tausenden von Kämpfern ein Stück Land erobert hat.“ Darüber hinaus schweigt
       al-Qaida, als ehemalige Mutterorganisation des IS, zu dessen Alleingang.
       
       ## Extreme prallen aufeinander
       
       Für Atrissi ist das ein klares Anzeichen eines Konflikts in den
       extremistischen Kreise: „Die Terrormiliz ist den anderen
       radikal-islamistischen Organisationen zuvorgekommen und al-Baghdadi
       erwartet nun uneingeschränkte Loyalität. Doch die Führung der
       al-Qaida-nahen Nusra-Front hat das Kalifat öffentlich abgelehnt. Das hat
       auch sunnitische Fundamentalisten im Libanon gebremst, die dem IS-Kalifen
       sonst gefolgt wären.“
       
       Im Libanon prallen Extreme aufeinander. Die Anschläge der vergangenen zwei
       Jahre richteten sich vor allem gegen die vornehmlich schiitischen Vororte
       Beiruts – als Rache radikal-sunnitischer Kräfte für das Eingreifen der
       Schiiten-Miliz Hisbollah im Syrien-Krieg. „Tatsächlich waren die
       Sicherheitskräfte bis jetzt in der Lage, die Terrorzellen schnell und
       effektiv zu zerstören“, so Atrissi. Doch die jüngsten Ereignisse in Arsal
       geben Grund zur Sorge. Außerdem fehlt eine starke politische Führung, was
       die Sicherheitslage zusätzlich destabilisiert und den Dschihadisten
       ungewollt in die Hände spielen könnte.
       
       6 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Metzker
       
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