# taz.de -- Prozess gegen Oscar Pistorius: Blade Runner auf der Zielgeraden
       
       > Der Sprinter Oscar Pistorius war Südafrikas „golden boy“ – dann erschoss
       > er seine Freundin durch die Badezimmertür. Nun geht der Prozess zu Ende.
       
 (IMG) Bild: Kurz vor dem Abschluss eines dunklen Kapitels: Oscar Pistorius.
       
       JOHANNESBURG taz | Die 39 Verhandlungstage im Prozess gegen Südafrikas
       einstigen „golden boy“ Oscar Pistorius zogen sich seit März regelrecht hin,
       und viele Beobachter haben inzwischen innerlich abgeschaltet. Bei den
       tagelangen Befragungen der 36 Zeugen gingen sein Anwalt und die
       Staatsanwaltschaft in die schockierenden und blutigen Details der Tat, die
       Oscar Pistorius jetzt im schlimmsten Fall lebenslang hinter Gitter bringen
       könnte.
       
       Die Mordanklage wegen Tötung seiner damaligen Freundin Reeva Steenkamp am
       Valentinstag 2013 ist „gerichtlich“ fast abgehandelt: Mit den
       Schlussplädoyers der beiden Staranwälte im Gericht in Pretoria am 7. August
       wird zwar endlich ein dunkles und emotional anstrengendes Kapitel für Oscar
       Pistorius abgeschlossen, um dann erneut auf das Urteil der Richterin und
       damit auf sein Schicksal warten zu müssen. Denn der 27-jährige Leichtathlet
       steht wegen vorsätzlichen Mordes an seiner Freundin in seinem Haus in
       Pretoria vor Gericht. Pistorius hatte das blonde Model in der
       Valentinsnacht am 14. Februar 2013 mit vier Schüssen durch die
       Badezimmertür getötet.
       
       „Oscar“ – wie der frühere Liebling der Nation in Südafrika genannt wird –
       blieb während der Verhandlung bei seiner Aussage, er habe Steenkamp
       irrtümlich für einen Einbrecher gehalten und sich – insbesondere als
       Beinamputierter – bedroht gefühlt. Doch mehrere Nachbarn hatten ausgesagt,
       sie hätten in der Nacht einen Streit des Paares und furchtbare Angstschreie
       einer Frau gehört, gefolgt von vier Schüssen. Auch im knallharten Verhör
       mit Oscar Pistorius’ Anwalt ließen sich die Zeugen aus der Nachbarschaft
       des als gesichert geltenden Luxusviertels Silver Lake in Pretoria nicht von
       ihrer Aussage abbringen.
       
       Die Gerichtsdebatte drehte sich ausführlich um die Frage, ob die Nachbarn
       erst zwei Schüsse und dann eine Pause oder vier Schüsse nacheinander gehört
       hätten. Und ob Oscar in Panik selbst wie eine Frau schreie. Doch wie die
       Wahrheit auch sein mag, die Verteidigung konnte die Zeugen mit noch so
       drängenden Fragen nicht einschüchtern.
       
       Millionen Fernsehzuschauer verfolgten die Liveübertragungen aus dem Gericht
       in aller Welt. Das Medienspektakel legte den Verkehr in Teilen von Pretoria
       lahm, Übertragungswagen internationaler und lokaler Fernsehsender säumten
       die Gehwege vor dem Gericht. Auch die sozialen Medien ließen keine Minute
       aus, und Kommentare zur Verhandlung genauso wie Spekulationen über Oscar
       Pistorius’ Verhalten verbreiteten sich über viele Wochen über den ganzen
       Erdball.
       
       Früher hatte Oscar Pistorius als Goldmedaillengewinner und „blade runner“
       auf seinen beiden Unterschenkelprothesen Geschichte gemacht, Südafrika
       machte ihn zum Idol. Und ließ ihn über Nacht fallen – denn mit den vier
       Todesschüssen durch die verschlossene Badezimmer machte er nunmehr
       tragische Geschichte. Zeugen und frustierte Exgeliebte des Prothesenläufers
       entlarvten Oscar Pistorius nach und nach als Hitzkopf, der leicht
       überreagiert, eifersüchtig ist und sich aus Panik vor Gewalt in einem Land
       mit einer extrem hohen Kriminalitätsrate mit Waffen verschiedenster Art
       ausrüstete. Als Behinderter fühle er sich bedroht, denn auf seinen
       Beinstümpfen könne er nicht schnell fliehen, verteidigte sich Pistorius im
       Zeugenstand.
       
       Wer gespannt darauf gewartet hatte, dass Oscar Pistorius sich mit einer
       überzeugenden Version in den Zeugenstand begab, ist während der Verhandlung
       enttäuscht worden. Stets im dunklen Anzug gekleidet, hangelte er sich eher
       von Tag zu Tag und hatte seine Version der tragischen Ereignisse in der
       Nacht mehrfach verändert. Oft schrieb er Notizen für seinen Anwalt, und als
       die grausamen Bilder der Leiche seiner Freundin im Gerichtssaal
       auftauchten, würgte er in einen grünen Plastikeimer.
       
       ## Aussage dreimal geändert
       
       Während viele Südafrikaner ihr früheres Idol schon im Gefängnis sehen und
       keinen Zweifel an seiner Schuld hegen, meinen andere, er könne seine
       Freiheit als berühmte Persönlichkeit erkaufen oder komme mit einer geringen
       Strafe davon. In welche Richtung könnte das lang erwartete Urteil gehen?
       William Booth, Anwalt und Vorsitzender der südafrikanischen
       Rechtsgesellschaft, sagt: „Es sieht nicht so gut für Oscar aus, wenn wir
       seine Zeugenaussagen beurteilen. Er hat seine Aussage dreimal geändert.“
       
       Demnach sei es zunächst Selbstverteidigung gewesen. Dann sei seine Waffe
       aus Versehen losgegangen, und später sagte Pistorius aus, er sei sich nicht
       ganz im Klaren gewesen, was im kritischen Moment passiert sei. Also
       schickte die Richterin den Angeklagten einen Monat zur psychiatrischen
       Untersuchung. Das Resultat: Er habe zwar eine Angststörung, sei aber mental
       fit. Und kann daher zur Rechenschaft gezogen werden.
       
       Allerdings gibt es einen wichtigen Punkt zu bedenken, sagt Rechtsexperte
       Booth: „Oscar Pistorius muss nichts beweisen. Der Staatsanwalt muss einen
       wasserdichten Fall vorbringen, und das ist nicht ganz gelungen.“ Und falls
       das Gericht der Tatschilderung glaubt, dass der Behindertensportler sich
       durch einen Einbrecher bedroht fühlte, ist Pistorius laut Booth trotzdem zu
       weit gegangen: „Dann bleibt immer noch die Frage, warum er viermal
       geschossen hat.“ Lag wirklich eine solche Bedrohung vor, dass er vier
       Schüsse in ein kleines Badezimmer, in das sich Reeva Steenkamp
       eingeschlossen hatte, abgeben musste?
       
       Diese Frage könnte Oscar zum Verhängnis werden, wenn es um die
       Glaubwürdigkeit seiner Version geht; daher ist ein Urteil wegen Mordes an
       einem angeblichen Einbrecher nicht ausgeschlossen. „Es wird kein Urteil
       wegen vorsätzlichen Mordes geben“, ist Booth überzeugt. „Wo war der Plan?“
       Auf vorsätzlichen Mord lautet zwar die Anklage, die Pistorius 25 Jahre Haft
       einbringen könnte. Aber Anwalt Booth geht von einer Strafe bis zu 15 Jahren
       wegen Totschlags oder weniger aus. Das bedeutet dann immer noch nicht den
       Abschluss des weltweit aufsehenerregenden Falls. Pistorius werde dann
       sicherlich beim obersten Gericht in Berufung gehen.
       
       Der oft mit dem O.-J.-Simpson-Fall verglichene Prozess hatte Südafrika in
       den ersten Wochen an die Fernsehschirme und Radiosender gefesselt, denn ein
       „Oscar-Sender“ war eigens vom Privatfernsehen ins Leben gerufen worden. Auf
       den Straßen und bei Veranstaltungen, bei jedem Treffen war Pistorius
       Gesprächsthema und bei Spekulation über Lüge oder Wahrheit wuchs so mancher
       über sich hinaus.
       
       Vor der Urteilsverkündung machte Oscar Pistorius auch ohne Gerichtsauftritt
       häufig von sich reden: wenn er mal angetrunken im Nachtclub stritt oder
       angeblich blonde Frauen „anmachte“. Dann glättete die Familie die Wogen in
       der Öffentlichkeit – ein seelisch angeschlagener und einsamer Oscar
       Pistorius, der den Tod seiner Freundin nicht verwunden habe, hätte sich
       etwas daneben benommen. Das möge man ihm verzeihen.
       
       ## Der Tatort ist verkauft
       
       Da sein Vermögen wegen wahnsinniger Anwaltskosten stetig schrumpft, hat
       Pistorius jetzt sein Haus, den Tatort, verkauft. Es fand sich ein
       südafrikanischer Käufer für das Anwesen, der 4,5 Millionen Rand (322.000
       Euro) auf den Tisch legte und sich nicht von der dramatischen Geschichte
       seines neuen Hauses hatte abschrecken lassen. Oscar Pistorius lebt derzeit
       bei seinem Onkel, das Verhältnis zum Vater sei so gut wie nicht vorhanden,
       und seine Mutter starb früh, als Pistorius 15 Jahre alt war. Der charmante
       Sportler hatte sich stets beweisen wollen und klagt sich das Recht auf
       Normalität ein: Er durfte schließlich als Behinderter gegen nichtbehinderte
       Laufathlethen rennen.
       
       Internationale Sportsponsoren wie Nike und Oakley hatten sich sofort nach
       der Tat von Pistorius distanziert, nun ist er angeblich bankrott. Sein
       letzter Laufwettkampf fand bei den Sommerparalympics 2012 in London statt.
       Damals wurde sein Traum wahr: Er gewann die Goldmedaille im
       400-Meter-Rennen und stellte einen neuen paralympischen Rekord auf.
       
       7 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martina Schwikowski
       
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       fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen worden. Ihm drohen bis zu 15 Jahre
       Haft.
       
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       wiederholt gelogen zu haben.
       
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       Im Mordprozess gegen Paralympics-Sportler Oscar Pistorius sind schon mehr
       als 2.000 Seiten Protokoll entstanden. Nun ist das Verfahren vertagt
       worden.