# taz.de -- Antikriegsaktionen in der Ukraine: Mit Kerzen gegen den Krieg
       
       > Proteste für ein Ende der Antiterror-Operation im Donbass sind bislang
       > eher selten. Auch weil die Aktivisten sofort in die prorussische Ecke
       > gestellt werden.
       
 (IMG) Bild: „Lasst die Männer nach Hause!“ Proteste gegen die Einberufung von Reservisten im Juli in Kiew.
       
       KIEW/ODESSA taz | Viktoria Schilowa ist vor allem eins: ukrainische
       Patriotin. Gerne lässt sich die Politikerin, die als Fraktionslose zweimal
       ein Direktmandat im Bezirksrat der ostukrainischen Metropole Dnipropetrowsk
       gewonnen hat, vor einem Porträt des ukrainischen Nationaldichters Taras
       Schewtschenko ablichten.
       
       Anfang vergangener Woche führte Schilowa, die Sprecherin der im Juni
       gegründeten pazifistischen Gruppe „Anti-Wojna“ ist, eine Demonstration von
       60 Frauen aus der ostukrainischen Stadt Charkiw und der Hauptstadt Kiew an.
       Die Gruppe demonstrierte vor der „Rada“, dem ukrainischen Parlament, für
       ein sofortiges Ende des Krieges im Donbass.
       
       Die Frauen waren nicht allein. Auf ihrem Weg zu dem Platz vor dem Parlament
       mussten sie an einem Aufgebot von über hundert Milizionären und einem
       Dutzend Angehörigen der nationalistischen Gruppierung „Rechter Sektor“
       vorbei. Vor dem Parlament warteten bereits zwei Dutzend vermummte
       Mitglieder des „Rechten Sektors“ auf sie.
       
       Kaum hatten sie Lieder angestimmt, Kerzen entzündet und in Sprechchören ein
       Ende des Krieges gefordert, wurden sie mit Rufen wie „Ruhm der Ukraine! Tod
       den Feinden!“ von den Jugendlichen des „Rechten Sektors“ übertönt. Immer
       wieder kam es zu Handgreiflichkeiten gegen die Frauen, bei denen eine Fahne
       der „Frauenbewegung von Charkiw“ und ein Fotoapparat vernichtet wurden. Die
       Miliz, die während der Veranstaltung kaum Präsenz zeigte, schritt auch dann
       nicht ein, als unmittelbar neben einer Kundgebungsteilnehmerin aus Charkiw
       zwei Feuerwerkskörper explodierten.
       
       „Viele unterstützen unsere Antikriegsaktionen“ berichtet Schilowa gegenüber
       der taz. „Doch viele haben Angst, ihre Ablehnung des Krieges offen zu
       zeigen. In meiner Heimatstadt Dnipropetrowsk wurden kürzlich zwei junge
       Frauen einen Tag nach einer Aktion gegen den Krieg verhaftet. Bei einer
       Hausdurchsuchung hatte man angeblich Granaten in der Wohnung gefunden.“
       Trotzdem ist Schilowa optimistisch. Irgendwann, in der nächsten Zeit,
       würden immer größere Teile der Bevölkerung den Krieg offen ablehnen.
       
       ## „Es gibt keine Antikriegsbewegung in der Ukraine“
       
       Der Linke Wolodymyr Ischtschenko ist da weniger optimistisch. „Es gibt
       keine Antikriegsbewegung in der Ukraine“, antwortet er auf die Bitte nach
       Informationen über die Bewegung. Nur sehr vereinzelt und unkoordiniert, so
       Ischtschenko, stellten sich die Menschen offen gegen den Krieg.
       Ischtschenko ist Mitorganisator einer für Anfang September in Kiew
       geplanten Friedenskonferenz sozialdemokratischer, sozialistischer und
       marxistischer Gruppen. Als prominenten Redner wollen die Kriegsgegner den
       russischen Dumaabgeordneten Ilja Ponomarjow einladen. Dieser hatte als
       Einziger gegen die Annexion der Krim gestimmt.
       
       Vielfach richteten sich die jüngsten Proteste, so Ischtschenko, gar nicht
       gegen den Krieg. Man greife lediglich bestimmte Missstände auf, wie die
       schlechte Ausrüstung und Versorgung der Armeeangehörigen. Sammelaktionen
       für kugelsichere Westen der Armeeangehörigen könne man nun wirklich nicht
       als Antikriegsaktionen bezeichnen.
       
       Ischtschenko tritt für einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen
       über den weiteren Status des Donbass ein. In einem nächsten Schritt müsse
       das Recht auf Selbstbestimmung des Donbass umgesetzt werden. Dieses Recht
       könne nur durch ein unter internationaler Beobachtung organisiertes
       Referendum verwirklicht werden.
       
       Doch nicht nur in Kiew regt sich Widerstand gegen die
       „Antiterroroperation“, sondern auch in Odessa. Jedoch ist es um die dortige
       „Antikriegsbewegung der Ukraine“ ruhig geworden. Diese hatte Anfang Juni
       bei einer Demonstration mit hundert Teilnehmern vor dem Kreiswehrersatzamt
       Odessas Präsident Petro Poroschenko zur Einstellung der Antiterroroperation
       und Russland zur Beendigung der militärischen Unterstützung der
       Aufständischen aufgefordert.
       
       In der stark polarisierten Situation, so ein Mitglied der Gruppe, trauten
       sich die Menschen nicht, erneut auf die Straße zu gehen. Sie würden von den
       Medien und den Behörden sofort in die prorussische Ecke gestellt. Zwar
       seien er und seine Mitstreiter für eine Föderalisierung der Ukraine. „Aber
       mit Russland wollen wir nichts zu tun haben“, sagt er.
       
       Eines ist allen ukrainischen Gruppen, die für ein sofortiges Ende der
       Antiterroroperation eintreten, gemein: mit Separatisten, die russische
       Fahnen schwenken, will niemand in Verbindung gebracht werden.
       
       13 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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