# taz.de -- Debatte Rassismus in den USA: Sie hatten einen Traum
       
       > Ferguson zeigt: Zwei Jahre nach dem Tod von Trayvon Martin und trotz
       > Barack Obama bekommen die USA den Rassismus nicht in den Griff.
       
 (IMG) Bild: Fast so gespenstisch wie der Rassismus: Nationalgardisten in Ferguson
       
       50 Jahre nachdem Lyndon B. Johnson die Gleichberechtigung mit seiner
       Unterschrift unter dem Bürgerrechtsgesetz besiegelte, muss sich Amerika die
       Frage stellen: Wie groß ist die Lücke zwischen den Verheißungen eines
       Landes, das sich selbst als „melting pot“, als Schmelztiegel aller
       Nationalitäten sieht, und einem Alltag, in dem Rassismus allgegenwärtig
       ist?
       
       Der „Civil Rights Act“ schaffte Wahltests ebenso ab wie Rassentrennung in
       Restaurants oder Bussen. Gleicher als gleich sind aber bis heute
       hauptsächlich Weiße. In New York kann die Polizei willkürlich Passanten
       anhalten und durchsuchen, in mehr als der Hälfte der Fälle [1][betrifft
       „stop-and-frisk“ Afro-Amerikaner]. 2010 saßen pro 100.000 Einwohnern mehr
       als 3.000 Schwarze in Gefängnissen ein – [2][aber nur gut 460 Weiße.]
       Schwarze und Weiße konsumieren ähnlich viele Drogen, aber die Chancen, dass
       Afro-Amerikaner wegen Marihuana verhaftet werden, sind vier Mal höher. In
       Ferguson leben überwiegend Afro-Amerikaner, doch die Polizei ist weiß.
       [3][http://taz.de/Polizist-erschiesst-schwarzen-Jugendlichen/!144014/]
       
       [4][Dann stirbt ein Teenager] und die Nationalgarde rückt ein, um den
       gewalttätigen Protesten zu begegnen.
       
       Demonstrationen gab es auch nach dem Tod von Trayvon Martin. Der 17-jährige
       Afro-Amerikaner wurde vor zwei Jahren in Florida von einem Mitglied einer
       privaten Bürgerwehr erschossen. Der Junge war unbewaffnet. Täter George
       Zimmerman wurde freigesprochen. Das „Stand your ground“-Gesetz machte aus
       ihm [5][einen Schützen in Notwehr].
       
       ## Die „Angstobjekte“
       
       Amerika stellt sich seinem Rassismusproblem nicht. Lieber wird der Mythos
       vom „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ gepflegt, um zu überblenden, was
       immanent ist: ein Alltag voller Segregation und Ignoranz. Täglich sterben
       schwarze Jugendliche in unterprivilegierten Vierteln der Großstädte. In
       Chicago gibt es kein Viertel, in dem Weiße, Afro-Amerikaner und Hispanics
       gemeinsam leben. Die Mordrate ist hoch, aber es sterben nur „böse, schwarze
       Jungs“, die sich in Kämpfen zwischen diversen Gangs erschießen.
       
       Fährt man mit der U-Bahn in den Süden der Stadt, wird die Trennung
       sichtbar: Im Norden lebt die weiße Elite, die an ihren gentrifizierten
       Apartmentkomplexen mit Sicherheitscode aussteigt, bis irgendwann, weit
       entfernt von jedem amerikanischen Traum, nur Afro-Amerikaner übrig bleiben.
       50 Jahre nach dem Civil Rights Act mag jeder in Bus und Bahn sitzen, wo es
       ihm beliebt, aber bitte rechtzeitig aussteigen – sonst wird es gefährlich.
       Afro-Amerikaner werden immer noch zu „Angstobjekten“ degradiert, wie es
       Präsident Obama in einer Ansprache in dieser Woche formulierte.
       
       Die [6][Frage nach der Ursache] stellt sich die Mehrheit nicht:
       Ghettobildung, miese Bildungschancen, schlechtere Bezahlung, höhere
       Arbeitslosenquote. Mit Rassismus, so die weiße Sprachregelung, hat das
       alles nichts zu tun, schließlich ist hier jeder für sein Glück selbst
       verantwortlich.
       
       ## Gespaltene Städte
       
       Trayvon Martin, Michael Brown, tragische Einzelfälle sollte man meinen –
       dabei wurden allein im August vier weitere Afro-Amerikaner von der Polizei
       unter fragwürdigen Umständen erschossen. Die Lücke zwischen der Verheißung
       amerikanischer Ideale und der Realität ist riesig. Sie spaltet Städte, sie
       zeigt sich in Polizeistatistiken, in Gefängnissen, in U-Bahnen.
       
       Die Eskalation in Ferguson wird nicht dazu beitragen, sie zu schließen. Die
       Gewalt wird nur dafür sorgen, die Vorurteile in Teilen der amerikanischen
       Gesellschaft zu festigen. Doch was kann helfen, die Lücke zu schließen? Ein
       schwarzer Präsident? Obama steht vor dem Ende seiner Zeit im Weißen Haus.
       Er hat es geschafft, wurde gewählt, gar wiedergewählt ins höchste Amt des
       Landes. Aber Barack Obama ist nur die Ausnahme von der Regel. Ein weiterer
       Traum in einem Land, das es perfektioniert hat, Illusionen zu verkaufen.
       
       In der Realität unserer Zeit sind die Chancen für einen jungen
       Afro-Amerikaner, auf irgendeiner amerikanischen Straße zu sterben, immer
       noch bedeutend höher, als dem Oval Office auch nur nahezukommen.
       
       24 Aug 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.nyclu.org/content/stop-and-frisk-data
 (DIR) [2] http://www.prb.org/Publications/Articles/2012/us-incarceration.aspx
 (DIR) [3] /Polizist-erschiesst-schwarzen-Jugendlichen/!144014/
 (DIR) [4] /Polizist-erschiesst-schwarzen-Jugendlichen/!144014/
 (DIR) [5] /Todesschuetze-George-Zimmerman/!119817/
 (DIR) [6] http://www.census.gov/prod/2012pubs/p60-243.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
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