# taz.de -- 30 Jahre Wissenschaftsladen in Bonn: Einmal Wissenschaft für alle, bitte
       
       > Der größte deutsche Wissenschaftsladen feiert Jubiläum. Auf seine
       > basisdemokratischen Strukturen sind die Betreiber sehr stolz.
       
 (IMG) Bild: Erhöhtes Elektrosmog-Aufkommen? Der Experte aus dem Wissenschaftsladen findet's raus
       
       Beim ersten Hingucken fällt nicht auf, dass sich an der Reuterstraße in
       Bonn der größte Wissenschaftsladen (Wila) Deutschlands befindet. Einzig der
       Schriftzug an der Fassade, „Bilden, Handeln, Wissen“, lässt erahnen, worum
       es hier gehen könnte. Ziel des 1984 gegründeten Vereins in Bonn ist es,
       eine Brücke zu schlagen zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen
       einerseits und den Fragen der Laien andererseits. Dieses Jahr feiert er
       sein 30-jähriges Bestehen.
       
       „Die Bürger sollen gehört werden mit ihren Anliegen“, sagt Norbert
       Steinhaus, der erste fest angestellte Mitarbeiter. Daher appelliert er an
       die Hochschulen, ihre Ressourcen auch dafür einzusetzen, Alltagsfragen zu
       beantworten. Damit liege man mittlerweile sogar im Trend: In den letzten
       Jahren hätten die Universitäten zunehmend begonnen, sich zu öffnen, und
       kämen vermehrt auf den Wila zu, da sie die Chance einer Zusammenarbeit
       sähen.
       
       Die drei Anwendungsfelder des Wila in Bonn sind die Bereiche Umwelt und
       Gesundheit, Bürgergesellschaft und Nachhaltigkeit sowie Arbeitsmarkt und
       Qualifizierung. So umfassend sie auch sind, eint sie ein Gedanke: das Ideal
       von einem mündigen, umweltbewussten und handlungsfähigen Bürger zu fördern
       und außerdem die Forschung nicht ausschließlich an den Interessen von
       Großkonzernen zu orientieren.
       
       Da berät zum Beispiel der Elektrosmogexperte des Wila Anwohner in der
       Frage, ob man sich gegen den neuen Mobilfunkmast starkmachen sollte, weil
       er gesundheitlich belastend sein könnte.
       
       ## Jobbörsen und Planspiele zu Umweltthemen
       
       Auch dem Nachwuchs widmet der Wila Bonn viel Aufmerksamkeit, sei es mit
       Jobbörsen zu erneuerbaren Energien oder mit Planspielen zu Umweltthemen.
       Auf der Website des Vereins können Schulen Materialien kostenfrei
       herunterladen. Bisher spielten über 60 Schulen das 2011 mit dem Deutschen
       Naturschutzpreis ausgezeichnete Rollenspiel „Tatort Wald“.
       
       Ein Umweltproblem, mit dem sich der Wila schon lange befasst, ist der
       Flächenverbrauch in Deutschland, der die hiesige biologische Vielfalt stark
       bedroht. Geschäftsführerin Brigitte Peter verweist dabei auf ein Projekt zu
       nachhaltigem Flächenmanagement im Kreis Borken im westlichen Münsterland.
       Erstmals in Deutschland konnten hier die Verwaltungsebenen und die Kommunen
       zusammengebracht werden. Das Resultat: ein Konsens darüber, die Zentren der
       beteiligten Kommunen attraktiver zu gestalten, ohne die Stadtränder weiter
       auszudehnen.
       
       Das neuste Projekt des Wila ist Responsible Research and Innovation (RRI),
       eine interdisziplinäre Kooperation von 26 Partnern aus 30 Ländern. Ziel ist
       die Festlegung von Kriterien für verantwortungsbewusstes Forschung unter
       Berücksichtigung verschiedener Aspekte wie Bildung, Ethik,
       Geschlechtergleichheit, Bürgerbeteiligung, Zugänglichkeit und politischer
       Entscheidungsprozesse. Innerhalb Deutschlands gibt es Kooperationen etwa
       mit dem Fraunhofer-Institut in Oberhausen.
       
       ## Über 100 Wilas weltweit
       
       Die Idee der Wissenschaftsläden entstand zuerst in den Niederlanden. Dort
       bemühte sich die Regierung bereits in den 70er Jahren darum, die
       wissenschaftliche Forschung stärker im öffentlichen Bewusstsein zu
       verankern. 1974, genau 10 Jahre vor dem Bonner Laden, wurde in Utrecht der
       erste Wila gegründet. Inzwischen existieren weltweit mehr als 100 solcher
       Einrichtungen, 11 davon in Deutschland; die meisten finanzieren sich
       unabhängig von der örtlichen Hochschule über Projektmittel.
       
       Das erste große Projekt des Wila Bonn war eine Analyse der Fortbildungen
       für Umweltberater. Damit hat der Wila erstmals einen Leitfaden für die
       Umweltberatung erstellt, der ein bis dato sehr unübersichtliches Terrain
       durch objektivierbare Kriterien strukturierte.
       
       Heute blickt der Wila auf viele Projekte und Kooperationen zurück und weist
       mittlerweile einen Jahresumsatz von rund 3 Millionen Euro aus. Zwar erhält
       er als staatlich anerkannter Bildungsträger eine Teilförderung, finanziert
       sich jedoch hauptsächlich durch Dienstleistungen wie Messungen, Beratungen
       und Seminare. Alle Projekte werden durch ausgeschriebene Förderprogramme
       gestemmt. Die basisdemokratischen Strukturen sind ein Relikt der 1980er
       Jahre, auf das man hier sehr stolz ist. So werden alle wesentlichen
       Entscheidungen im Wila nicht durch Erlasse der Geschäftsführung, sondern
       per Mehrheit entschieden.
       
       29 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Moritz Höller
       
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