# taz.de -- (N)Olympia-AktivistInnen Nicole Vrenegor und Dirk Seifert: „Es geht nicht um Sportsgeist“
       
       > Nicole Vrenegor und Dirk Seifert vom Bündnis (N)Olympia kritisieren
       > Gigantomanie, Intransparenz und wirtschaftliche Interessen des IOC.
       
 (IMG) Bild: Befürchten gigantische Sicherheitsvorkehrungen und luxuriöse Extrawünsche: Nicole Vrenegor und Dirk Seifert von (N)Olympia.
       
       taz: Frau Vrenegor, Herr Seifert, was haben Sie gegen Sport? 
       
       Dirk Seifert: Überhaupt nichts. Sport ist etwas Wunderbares, da Sport die
       Fähigkeit hat, die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen. Mit
       Skepsis hingegen sehen wir, dass der Hauptmotor einer Olympiabewerbung
       Hamburgs die Handelskammer und Wirtschaftskreise sind. Auch der Partner auf
       der anderen Seite, das Internationale Olympische Komitee (IOC), ist zu
       einem rein profitorientierten Marketingkonzern verkommen. Das IOC beweist
       sich seit Jahrzehnten als reformunfähig. Stichworte sind hier: Korruption,
       Gigantomanie und die völlige Intransparenz in den Entscheidungen. Deshalb
       geht es bei Olympischen Spielen leider nicht um Sportsgeist, sondern vor
       allem um knallharte wirtschaftliche Interessen.
       
       Wer steht denn hinter (N)Olympia? 
       
       Seifert: Wir sind derzeit mit vielen Akteuren aus unterschiedlichsten
       Bereichen im Gespräch. Es gab bisher ein Treffen, von dem ausgehend haben
       wir ja 13 kritische Fragen an den Senat und DOSB erarbeitet. Wir – das sind
       Aktive aus Umweltorganisationen, aus Stadtteil- und Mieterinitiativen, von
       Recht auf Stadt, kirchliche und gewerkschaftliche Akteure sowie Linke und
       Grüne bis hin zu Rebellen aus dem Plenum der Handelskammer. Da sind Leute
       dabei, die viele Fragen und Sorgen in Bezug auf Olympia haben, aber noch
       nicht entschieden sind. Aber auch diejenigen, die klar gegen eine
       Olympia-Bewerbung von Hamburg sind.
       
       Und was befürchtet dieses bunte Bündnis? 
       
       Nicole Vrenegor: Es sind vor allem vier Punkte. Wir befürchten, dass sich
       im Zuge von Olympia die soziale Spaltung innerhalb Hamburgs weiter
       verschärft durch Gentrifizierung und Mietsteigerungen. Es droht zweitens
       ein ökologisches Desaster durch massiven Flächenverbrauch und mehrere
       Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Und am Ende gibt es jede Menge
       Prestigebauten, die die Stadt nicht braucht und die in der Nachnutzung
       extrem teuer sind. Womit wir beim dritten Punkt wären: den Kosten. Die
       haben bei Großereignissen wie Olympia die Tendenz, elbphilharmonisch zu
       explodieren. Und viertens wären da noch die Sicherheitsmaßnahmen …
       
       Der Reihe nach: Wieso sollte eine neue Olympiaschwimmhalle die Stadt
       spalten? 
       
       Vrenegor: Man muss die Prozesse insgesamt sehen, nicht nur die einzelnen
       Projekte. Olympia wird in viele Stadtteile ausstrahlen – je näher dran,
       desto stärker. Die direkt am Olympia-Gelände angrenzenden Viertel sind arme
       Viertel, wie die Veddel, Wilhelmsburg, Rothenburgsort und Hammerbrook. Dort
       werden die Olympischen Spiele zu Verdrängungen, Luxussanierungen und
       Mieterhöhungen führen. Und wenn der Senat sich finanziell mit Olympia
       verhebt, dann werden die BürgerInnen für Jahrzehnte die Kosten zu tragen
       haben. In Zeiten von Schuldenbremsen, also ab 2020, heißt das automatisch
       massive Sozialkürzungen und Haushaltssperren. Olympia hat also nichts mit
       einer behutsamen sozialen und nachhaltigen Stadtentwicklung zu tun. Ganz im
       Gegenteil.
       
       Und was macht Olympia ökologisch kaputt in dieser Stadt? 
       
       Vrenegor: Viele der großen Sportstätten sollen ja auf dem Kleinen Grasbrook
       errichtet werden: das Olympia-Stadion, die große Mehrzweckhalle, die
       Schwimmhalle, das Olympische Dorf. Diese olympischen Sportstätten sind
       vollkommen überdimensioniert für so eine relativ kleine Stadt wie Hamburg;
       Sie brauchen viel Platz und eine Verkehrsanbindung, die für ein
       Massenpublikum geeignet ist. Insgesamt werden große Flächen versiegelt
       werden müssen, dies unabhängig davon, ob die Gebäude danach wieder zurück
       gestutzt werden. Das ist per se ein massiver Eingriff in die Stadt.
       
       Der Kleine Grasbrook ist Hafengelände. Da gibt es Umschlagsbetriebe,
       Parkplätze für die Autoverladung und keinen einzigen Strauch. Was soll da
       denn an Boden versiegelt werden? 
       
       Vrenegor: Diese Betriebe müssen ja für Olympia verlagert werden, die müssen
       auf andere Flächen ausweichen.
       
       Seifert: Die Umweltverbände, die hinter (N)Olympia stehen, befürchten sehr
       konkret, dass durch diesen Verdrängungseffekt Grünflächen geopfert werden.
       
       Das sind Hafenbetriebe. Und im ganzen Hafen gibt es keine nennenswerten
       Biotope mehr, die vernichtet werden könnten. 
       
       Seifert: Es gibt Umweltverbände, die haben sich dazu ja sorgenvoll in der
       letzten Woche öffentlich geäußert. Da muss man schon sehr genau schauen, ob
       die Verdrängungseffekte im Hafenbereich dazu führen, dass woanders neue
       Flächen belastet werden.
       
       Vrenegor: Es geht ja nicht nur um den Kleinen Grasbrook. Auch in der
       Umgebung anderer Sportstätten, wie den Messehallen, müssten weiträumig
       Umbauten erfolgen, um den Besucherandrang auffangen zu können. Überall in
       der Stadt gäbe es massenhaft Baustellen mit unkalkulierbaren Kosten.
       Olympia würde Hamburg für die nächsten zehn Jahre lahmlegen. Alle
       Mega-Sportstätten – das Olympia Stadion, die Schwimmhalle, das Velodrom –
       müssten in einer relativ kurzen Zeitspanne gebaut werden. Hinzu kämen U-
       und S-Bahnbau sowie der Brückenschlag zum Grasbrook. Dies führt vor allem
       in der Innenstadt zu hohen Lärm- und Umweltbelastungen auch während der
       Olympischen Spiele, wenn Triathlon und Radrennen quer durch die City gehen.
       
       Vor zweieinhalb Wochen fanden mitten in der Stadt die Cyclassics mit 22.000
       TeilnehmerInnen statt. Was ist so schlimm, wenn bei Olympia 200
       durchtrainierte Menschen auf Rennrädern durch Hamburg heizen? 
       
       Seifert: Ein Radrennen für sich genommen ist nichts Schlimmes. Aber wenn
       man sich den Kontext anschaut, stellt man fest, das alles ist Teil einer
       strategischen Neuplanung Hamburgs. Immer mehr sind diese Events für
       Sponsoren wie Vattenfall lediglich Marketing- und Werbefläche. Da geht es
       vor allem um das große Geld, um das Image. Hamburg soll mit den Spielen in
       der Welt bekannter werden und noch mehr Investoren und Unternehmen in die
       Stadt holen. Die Spiele sind dann nur Mittel zum Zweck, der Sport wird zur
       Nebensache. Die Bevölkerung ist da im Grunde nur noch Kulisse und Kunde.
       Nicht mal der Breitensport hat von Olympia wirklich einen großen Nutzen.
       
       Reden wir übers große Geld: Sie befürchten eine Kostenexplosion, für die
       der Steuerzahler herhalten muss? 
       
       Seifert: Wenn man mit den Befürwortern von Olympischen Spielen über Kosten
       redet, werden die immer ganz unkonkret.
       
       Wahrscheinlich wissen sie es wirklich nicht besser. 
       
       Seifert: Gut möglich, ja. Aber alle Erfahrungen von anderen Spielen oder
       Fußball-Weltmeisterschaften zeigen, dass die Veranstaltungen am Ende
       dramatisch teurer geworden sind als zunächst behauptet. Wir sehen keinen
       Grund, warum das in Hamburg anders sein sollte. Dazu kommt, dass das IOC in
       den konkreten Verträgen Klauseln durchdrückt, die überall zu heftigen
       Verteuerungen führen. Darüber gibt es überhaupt keine Transparenz für die
       Öffentlichkeit. Transparenz ist übrigens eine Schlüsselforderung von
       (N)Olympia Hamburg, allein drei der 13 Fragen an die Hansestadt und den
       Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) beziehen sich darauf.
       
       Ist die Frage der Sicherheit eine von besonderer Intransparenz? Bisher gibt
       es dazu keine offiziellen Aussagen. 
       
       Vrenegor: Ja, das hat man zuletzt in London gesehen. Da waren letztlich
       40.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, allein das hat 1,3 Milliarden Euro
       gekostet. Davon war am Anfang in diesen Größenordnungen bei Weitem nicht
       die Rede. Auch darüber, was sicherheitspolitisch auf uns zu kommt – zum
       Beispiel mit Gefahrengebieten und der Einschränkung von Bürgerrechten –
       gibt es keinerlei Transparenz.
       
       Aber es soll doch im nächsten Mai einen Bürgerentscheid über Olympia geben,
       bei dem alle Fakten auf dem Tisch liegen. 
       
       Vrenegor: Das ist auch gut und richtig. Wir befürchten aber, dass nur über
       eine Lightversion von Olympia abgestimmt werden wird, die erst mal
       bescheiden und nachhaltig daher kommt. Erst später werden die wirklich
       bitteren Pillen verabreicht, nämlich dann, wenn das IOC den Zuschlag
       vergibt. Konkret fordert das IOC von den austragenden Städten gigantische
       Sicherheitsvorkehrungen, eine überdimensionierte Infrastruktur und diverse
       luxuriöse Extrawünsche – was letztlich Milliarden an Zusatzkosten
       produziert. Dann ist es zu spät, um Nein zu sagen, weil das IOC aufgrund
       undurchsichtiger Verträge am längeren Hebel sitzt. Aus dem Grund fordert
       (N)Olympia Hamburg eine Offenlegung aller Verträge zwischen der Hansestadt
       und dem IOC.
       
       Seifert: Es muss zwei Schritte geben. Der Bürgerentscheid im nächsten Jahr
       steht ja am Anfang der Bewerbung. Und wenn Jahre später alle Details
       wirklich vorliegen und dann das IOC mit seinen Forderungen kommt, muss es
       die Möglichkeit geben, das noch mal zu überprüfen. Es muss eine
       Ausstiegsklausel geben, wenn das Endergebnis von dem, was die Hamburger
       BürgerInnen zu Beginn abgestimmt haben, am Ende der Planungen und der
       Verhandlungen mit dem IOC stark abweicht.
       
       Ein zweiter Bürgerentscheid? 
       
       Seifert: Darüber muss man reden. Es ist ja auch noch zu klären, in welcher
       Form die HamburgerInnen während der Planungs- und Verhandlungsphase
       eingebunden werden und ob es Mitbestimmungsmöglichkeiten der BürgerInnen
       und Verbände geben wird. Aber in jedem Fall muss am Ende das mit dem IOC
       ausgehandelte Ergebnis zur Entscheidung gestellt werden.
       
       Also kein Persilschein für die Regierung? 
       
       Vrenegor: Nein. Es muss die Möglichkeit geben zu sagen, das ist nicht mehr
       das, was die BürgerInnen 2015 beschlossen haben, da steigen wir aus.
       
       Verbinden Sie denn mit Olympischen Spielen überhaupt irgendwelche Chancen
       und Perspektiven? 
       
       Seifert: Wenn es gelingt, die wirtschaftlichen Interessen so
       zurückzudrängen, dass die Idee des Sports klar im Vordergrund steht, könnte
       das eine schöne Veranstaltung werden.
       
       Vrenegor: Es ist aber sehr fraglich, ob Olympia so überhaupt noch eine
       Zukunft haben kann. Die Olympischen Spiele in dieser Form und mit diesem
       IOC nehmen den Sport lediglich als Vorwand, um Profite zu machen.
       
       4 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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