# taz.de -- Piratenpartei in Berlin: Nötigung, Bedrohung, Wahlfälschung
       
       > Christopher Lauer kam mit seinem Rücktritt einem Amtsenthebungsverfahren
       > zuvor. Der Bundesvorstand erhob schwere Vorwürfe gegen ihn.
       
 (IMG) Bild: Da hat er noch gut lachen: Christopher Lauer im Abgeordnetenhaus (Archiv).
       
       BERLIN taz | Der überraschende Parteiaustritt des Berliner
       Piraten-Landesvorsitzenden Christopher Lauer am Donnerstag hatte
       möglicherweise einen anderen Grund als bisher bekannt: Der Bundesvorstand
       wollte Lauer des Amtes entheben. In einem [1][Schreiben an Lauer]
       begründete der Bundesvorstand den ungewöhnlichen Schritt mit
       parteischädigendem Verhalten und sieben verschiedenen Vorfällen – darunter
       versuchte Wahlfälschung sowie Nötigung und Bedrohung. Der Bundesvorsitzende
       Stefan Körner teilte auf taz-Anfrage zu diesem Schreiben mit: „Es erschien
       sinnvoll, den Ordnungsmaßnahme-Antrag nicht während des Wahlkampfes in
       Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu stellen.“
       
       Auf dem Bundesparteitag im Juni wollte Lauer für den Vorstand kandidieren,
       wofür er Unterstützungsunterschriften von Piraten benötigte. Lauer hatte
       auf dem dafür zu verwendenden Formular angegeben, er wolle als
       stellvertretender Vorsitzender kandidieren. Nachdem er die Unterschriften
       bekommen hatte, änderte er das Formular nachträglich und gab an, er wolle
       als politischer Geschäftsführer kandidieren. Dies fiel erst nach Lauers
       Bewerbungsrede auf, er wurde dann von der Kandidatur ausgeschlossen.
       
       Der Bundesvorstand wirft ihm jetzt vor, er habe das Formular „eigenhändig
       abgeändert“. Zudem habe er die Vorstellungsrede „für eine Reihe verbaler
       Degradierungen der Piratenpartei genutzt, etwa durch Vergleiche mit der AfD
       und durch den unbegründeteten Vorwurf der Zensur.“
       
       Als der Versammlungsleiter Lauers Rede unterbrechen wollte, kam dabei zu
       einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den beiden. Der Bundesvorstand
       wirft Lauer vor, er habe sich dem Versammlungsleiter „in offensiver
       Körperhaltung stetig genähert und ihn dadurch gezwungen, sich mit seinem
       Kind Richtung Bühnenrand zurückzuziehen, sodass er um seine Sicherheit und
       die seines Babys fürchten musste, das er in einem Tragetuch am Bauch trug.“
       
       ## Vorstand rügt die Bezeichnung „politische Vollhonks“
       
       Wer Videos von der Szene anschaut, kann auch einen ganz anderen Eindruck
       bekommen: Dort sieht es eher so aus, als habe zuerst der Versammlungsleiter
       sich Lauer genähert, um ihn mit sanftem Körpereinsatz vom Redepult zu
       verdrängen. Ein Video zeigt [2][die Szene aus der Nähe], in einem zweiten
       Video ist sie ab Minute 3:00 festgehalten:
       
       Der Bundesvorstand wirft Lauer zudem vor, er habe in einem Podcast vom 2.
       Juli „sowohl die Parteibasis und deren Arbeit als auch die Arbeit des
       Bundesvorstands massiv herabgewürdigt und beschimpft“, indem er
       Bezeichnungen wie „hohlbratziges Protestwählerklientel“ für die Basis und
       „politische Vollhonks“ für den Bundesvorstand verwendete. Auch mit der
       Bezeichnung des Bundesvorsitzenden Stefan Körner als „Schwachmaten“ ist
       jener nicht einverstanden.
       
       Amtsanmaßung ist ein weiterer Vorwurf: Lauer habe sich „in mehreren
       Pressemitteilungen zwischen dem 2. und 25. Juli 2014 als 'Vorsitzender der
       Piratenpartei' bezeichnet", obwohl er dies gar nicht ist. Damit habe er
       "die innere Ordnung der Partei gestört“.
       
       Der Bundesvorstand wirft Lauer auch eine „Vernachlässigung deiner Pflichten
       als Landesvorsitzender“ vor und bezieht sich dabei auf das
       Rücktrittsschreiben des Berliner Schatzmeisters Michael Karek aus dieser
       Woche. Der hatte geschrieben: „Christopher ist ein Vorsitzender, der sich
       in seiner schon immer dagewesenen rüpelhaften Art von Anfang an benahm, als
       sei er Gott. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nachdem
       er versucht hatte, sich in weitere Geschäftsbereiche einzumischen, ohne mit
       dem jeweils zuständigen Mitglied des Landesvorstands Rücksprache zu halten,
       wurde er vom Vorstand angezählt. Das führte dann dazu, dass er eigentlich
       nichts bzw. nichts wirklich Sinnvolles mehr machte. Mittlerweile ist
       Christopher eigentlich nur noch auf dem Papier im Landesvorstand. Er kommt
       zu keiner Landesvorstandssitzung mehr“, [3][so Karek].
       
       ## Ämtersperre für zwei Jahre
       
       Als Konsequenz wollte der Bundesvorstand Lauer als Landesvorsitzenden
       absetzen und ihm zudem verbieten, innerhalb der nächsten zwei Jahre nochmal
       auf ein Amt anzunehmen, egal welcher Art. Für das Verfahren hatte der
       Bundesvorstand offenbar seit Monaten Material und Vorwürfe gesammelt und
       bis jetzt gewartet.
       
       Das Schreiben an Lauer hatte der Bundesvorstand in dieser Woche
       abgeschickt, Lauer sollte bis zum nächsten Donnerstag Zeit haben, sich zu
       den Vorwürfen zu äußern. Lauer hätte die Möglichkeit gehabt, sich vor dem
       Schiedsgericht zu wehren. Mit seinem Rücktritt als Landesvorsitzender und
       dem Austritt aus der Partei hat sich das Verfahren erledigt.
       
       Gleichzeitig eskaliert damit die parteiinterne Auseinandersetzung um den
       Kurs der Piratenpartei weiter. Auf den Wahlen auf dem Bundesparteitag hatte
       sich der „sozialliberale“ Flügel durchgesetzt, der auf die Kernthemen der
       Piraten setzt: Datenschutz, Transparenz, Reform des Urheberrechts, mehr
       direkte Mitbestimmung der Bürger. Der Berliner Landesverband gehört dagegen
       mehrheitlich dem linkeren, „progressiven“ Flügel an, der stärker auch
       Themen in den Vordergrund wie ein bedingungsloses Grundeinkommen, die
       Legalisierung von Drogen sowie den Kampf gegen Neonazis, Rassismus und
       Sexismus.
       
       Auf dem Parteitag hatte der Bundesvorsitzende Stefan Körner noch betont, er
       wolle integrativ wirken und alle Strömungen in der Partei müssten zusammen
       für das gemeinsame Ziel arbeiten. Inzwischen ist dies offenbar nicht mehr
       möglich oder gewollt.
       
       19 Sep 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://pastebin.com/vGQCrCXT
 (DIR) [2] http://www.youtube.com/watch?v=FY1rV1C8Vdg#t=190
 (DIR) [3] http://www.karek.de/2014/09/15/aus-und-vorbei-mit-der-schatzmeisterei/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
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