# taz.de -- Kolumne American Pie: Schlägerin als Vorbild
       
       > Nach etlichen Football-Profis steht auch die Fußball-Keeperin Hope Solo
       > vor Gericht – wegen häuslicher Gewalt. Die Aufregung darüber ist indes
       > gering.
       
 (IMG) Bild: Rekord-Torhüterin Hope Solo muss sich vor Gericht verantworten.
       
       Hope Solo hat durchaus Grund zum Feiern gehabt, schließlich ist sie als
       Torhüterin der US-Frauenfußballauswahl zum 73. Mal ohne Gegentor geblieben.
       Ein Rekord. Solo, US-Soccer-Ikone und Testimonial für Gatorade, Electronic
       Arts, Nike oder Blackberry, trug zuletzt beim Sieg über Mexiko auch die
       Kapitänsbinde. Steht damit alles zum Besten für die zweimalige
       Olympiasiegerin? Mitnichten, denn am 13. November muss sie vor einem
       Gericht in Seattle erscheinen. Sie ist wegen häuslicher Gewalt angeklagt.
       
       Die 32-Jährige soll am 21. Juni ihre Halbschwester und ihren 17-jährigen
       Neffen auf einer Party unter Alkoholeinfluss geschlagen haben, und zwar so,
       dass „sichtbare Verletzungen“ bei den mutmaßlichen Opfern überblieben.
       
       In den Folgetagen geisterte ein Schnappschuss von Hope Solo in Handschellen
       und Ketten durch die sozialen Netzwerke. Die Ballfängerin und ihr Anwalt
       Todd Maybrown verbreiteten, sie sei unschuldig, das Ganze ein
       „unglückliches Ereignis“. Immerhin entschuldigte sich die Torhüterin auf
       ihrer Facebook-Seite für den Vorfall.
       
       Ihr Verein, die Seattle Reign, und auch der nationale Verband, US Soccer,
       ließen sie schnell wieder mitspielen. Mit Statements hielten sich die
       Sportfunktionäre zurück, sprachen nur von weiteren Beweisen, die man
       verfolgen werde. Der Pressesprecher des US Teams, Neil Buethe, vermied nach
       Kräften, sich zu dem Fall zu äußern, und wenn er doch etwas sagte, dann
       sprach er „von dieser familiären Situation bei Hope Solo“.
       
       Die Anklage gegen Solo wäre wohl keine so große Sache, wenn es nicht die
       breite Diskussion über häusliche Gewalt im US-Sport gäbe, angestoßen durch
       die Verfehlungen der NFL-Profis Ray Rice, Greg Hardy und Adrian Peterson.
       Rice hatte seine Frau brutal in einem Fahrstuhl niedergeschlagen, Peterson
       seinen Sohn vermöbelt, Hardy seine Freundin auf ein Sofa voller Waffen
       gedrückt, in die Dusche geworfen und bedroht.
       
       ## Platzverbot gefordert
       
       Die Spieler wurden allesamt suspendiert, nicht zuletzt wegen einer erregten
       Öffentlichkeit, die den anfänglichen Schlingerkurs der NFL verurteilte. Die
       Football-Liga solle den Schlägern nichts durchgehen lassen und sie vom
       Spielfeld entfernen, wurde gefordert. Aber warum trifft nicht auch Hope
       Solo der Sturm der Entrüstung?
       
       Vielleicht, weil der Fall komplizierter ist und Solo im Gegensatz zu den
       Football-Profis nur in einem minderschweren Fall (vierter Grad) der
       häuslichen Gewalt angeklagt ist. Und Solo wurde selbst im Jahr 2012 Opfer
       einer Attacke: Ihr Freund Jerramy Stevens, ehemaliger Football-Profi der
       Seattle Seahawks und der Tampa Bay Buccaneers, landete kurzzeitig im
       Arrest. Am nächsten Tag, den 13. November, heirateten die beiden – trotz
       der Szene, bei der Hope Solo verletzt wurde.
       
       Vielleicht spielt auch die Lebensgeschichte von Solo eine Rolle, die mit
       sechs Jahren von ihrem Vater – ihr Bruder Marcus ist auch dabei – von der
       Mutter weg nach Seattle gebracht wird. Die Polizei fahndet nach ihm wegen
       Kindesentführung. Nach Tagen wird er verhaftet, die Kinder sind Zeugen des
       Dramas.
       
       ## Zweierlei Maß
       
       Nach der verbüßten Strafe kommt Jeffrey Solo nicht mehr auf die Beine, wird
       obdachlos. Solo liebt den Vater dennoch abgöttisch. Aber trotzdem: Hatten
       nicht auch Peterson, der von seinem Vater übel gezüchtigt wurde, Rice und
       Hardy eine ziemlich verkorkste Kindheit erlebt? Wird hier mit verschieden
       langer Elle gemessen, ein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht?
       
       Die New York Times ist überzeugt davon. Autorin Juliet Macur ist der
       Meinung, Hope Solo hätte überall stehen können, nur nicht im Tor der
       US-Auswahl gegen Mexiko. Als Kapitän des Teams sei sie nun einmal Vorbild,
       und eine besoffene Schlägerin könne nicht in diese Rolle schlüpfen. „US
       Soccer fehlt in dieser Hinsicht die Sensibilität“, konstatiert Macur.
       
       Hope Solo wird aller Voraussicht nach auch bei den drei Spielen der
       US-Auswahl im Oktober gegen Trinidad und Tobago, Guatemala und Haiti im Tor
       stehen. Als Kapitän. Ihre Vorladung kommt ja erst später.
       
       23 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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