# taz.de -- Die Wahrheit: Ferien mit Kalaschnikow
       
       > Der Pauschalterrorismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
       > Extremistische Urlaubsreisen liegen aktuell enorm im Trend.
       
 (IMG) Bild: Die Mischung aus harmlosen Freizeitangeboten und extremen Terrorübungen begeistert die Urlauber
       
       Hamid al-Mushkari strahlt übers ganze Gesicht. Der 56-jährige
       Zerspanungstechniker aus Mülheim an der Ruhr hat bei t’tour seinen ersten
       Urlaub seit fünf Jahren gebucht – eine Reise in den sonnenverwöhnten Nahen
       Osten soll es diesmal werden. In der Grenzregion zwischen Syrien und dem
       Irak will der joviale Familienvater mit irakischen Wurzeln mal so richtig
       die Seele baumeln lassen.
       
       „Genau das Richtige bei diesem verregneten Mistwetter. Ich muss einfach mal
       raus aus dem Hamsterrad der täglichen Maloche. Und bei diesem Schnäppchen
       konnte ich nicht nein sagen.“ Tatsächlich – für den vierwöchigen
       All-inclusive-Aufenthalt im „Club Osiris“ zahlt der lebenslustige
       Pferdenarr gerade mal 299 Euro – da kann man nicht meckern.
       
       Was Hamid al-Mushkari zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Beim „Club
       Osiris“ handelt es sich um ein luxuriöses Ausbildungscamp des IS, in dem
       abenteuerlustige Erholungssuchende aus dem Westen ganz spielerisch auf
       Terroreinsätze in aller Welt vorbereitet werden. Gerade die raffinierte
       Mischung aus harmlosen Freizeitangeboten und dem Thrill extremer
       Terrorübungen ist es, die auf die verwöhnten und gelangweilten
       Wohlstandsbürger aus den Industriestaaten verführerisch wirkt. Der Großteil
       der Cluburlauber ist nämlich keineswegs so ahnungslos in die Falle getappt
       wie Hamid al-Mushkari.
       
       Das Erstaunliche: Es sind nicht nur, wie in den Medien behauptet,
       gewaltbereite Jungmänner, die dem Reiz des Verbotenen erliegen. Die meisten
       Urlauber sind biedere Bürger und gestandene Familienväter, die hier in der
       Glut der Wüstensonne ganz gezielt den Kick einer existenziellen
       Grenzerfahrung suchen.
       
       „Ist doch mal was anderes“, meint etwa ein leicht übergewichtiger
       IT-Spezialist aus Thüringen im Camouflage-Freizeitdress, „ob ich jetzt
       Canyon-Rafting in Graubünden mache oder hier an einer echten
       Hijacking-Aktion mit Geländewagen teilnehme, ist doch Jacke wie Hose. Bloß
       macht es hier mehr Spaß.“
       
       ## Magie der sternenklaren Wüstennächte
       
       Selbstverständlich gibt es auch mahnende Stimmen. „Da ist nicht mehr viel
       vom Pioniergeist der Terrortrupps der ersten Stunde zu spüren“, erklärt
       Hartmut Sanftleben, Direktor des Instituts für Tourismusforschung an der
       Universität Dinslaken, den neuen Trend zum Pauschalterrorismus. „Die Lust
       auf eine unvorhersehbare Explosion im Trubel einer arabischen Altstadt ist
       dieser Zielgruppe fremd. Den abgestumpften Menschen aus den westlichen
       Industriegesellschaften muss die Tellermine, bildlich gesprochen, auf dem
       Silbertablett serviert werden.“
       
       Nervenkitzel ja, aber in Maßen. Der Nachmittag am Pool soll, bitte schön,
       nicht gestört werden. „Aber nur auf der Sonnenliege zu chillen, ist ja auch
       nicht gerade abendfüllend“, meldet sich Adel Busman, Rezeptionist des „Club
       Osiris“, zu Wort. „Schießübungen mit der Kalaschnikow oder die Geiselnahme
       eines Touristen auf dem nächsten Wochenmarkt bringen doch endlich mal etwas
       Würze in den monotonen Tagesablauf.“
       
       Die perfekte ambition-relax-balance, die zum Markenzeichen des Wüstencamps
       wurde, wird auch in der Verpflegung der Gäste spürbar. Das Mittagessen muss
       im Rahmen einer täglich neu gestellten „Challenge“ selbst erbeutet,
       beschlagnahmt oder geschossen und zubereitet werden, was die Teilnehmer vor
       nicht geringe Probleme stellt, während das abendliche Dinner hingegen im
       luxuriösen 4-Haubitzen-Restaurant Desert Lounge mit Candlelight und allem
       Pipapo der Haute Cuisine zelebriert wird.
       
       Nach vier Wochen treffen wir Hamid al-Mushkari in Deutschland wieder. Was
       waren seine Erfahrungen, wie hat es ihm in seinem Schnäppchen-Urlaub
       gefallen? Der leutselige Hobbygärtner hat stark abgenommen, macht einen
       verhärmten Eindruck. Aber seine Augen leuchten, wenn er vom gemeinsamen
       Sundowner am Pool erzählt, von dem Gemeinschaftsgeist unter den Urlaubern,
       der unbedingten Hingabe an die Erfüllung der Tagesaktion, der Magie der
       sternenklaren Wüstennächte.
       
       Würde er noch mal den Urlaub im Terrorcamp buchen? An dieser Stelle gerät
       Hamids Redefluss ins Stocken, seine braunen Augen verengen sich, verraten
       die schreckliche Wahrheit: Einen weiteren „Urlaub“ wird es für ihn nie
       wieder geben, die nächste Reise wird eine Reise ohne Wiederkehr.
       
       1 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rüdiger Kind
       
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