# taz.de -- Chaim Noll auf der Buchmesse: Der Busbahnhof Halle 8
       
       > Am israelischen Stand auf der Frankfurter Buchmesse liest Chaim Noll aus
       > „Die Synagoge“. Die Halle 8 passt gut zum Thema seines neuen Romans.
       
 (IMG) Bild: Chaim Noll in Beer Sheva.
       
       Dienstagnacht hat sich Chaim Noll aus der Wüste Negev aufgemacht, um am
       Mittwoch anlässlich der Eröffnung des israelischen Stands auf der Buchmesse
       zu lesen. Es ist ein weiter Weg von Beer Sheva nach Frankfurt am Main. Und
       es ist ein weiter Weg von den Hallen 3 und 4, wo sich die deutschen Verlage
       präsentieren, in die Halle 8, wo man die internationalen Verlage findet.
       
       Man hört immer wieder von Leuten, in Halle 8 seien sie noch nie gewesen.
       Dort kann man den kleinen israelischen Stand, aber auch die großen
       amerikanischen Verlage finden. Da wird nicht geschmökert, sondern hart
       gearbeitet. Im Halbstundentakt schließt man etwa am Stand von Simon &
       Schuster an vielen Tischen, die eng beieinanderstehen, Lizenzverträge ab.
       
       Währenddessen schneidet Yakov Hadas-Handelsman, israelischer Botschafter in
       Deutschland, zusammen mit zwei für den Stand verantwortlichen Damen in
       einer altmodischen Zeremonie ein blaues Band durch. Die Messe wird
       daraufhin gebührend begonnen, indem man um Viertel nach eins das erste Glas
       Rotwein trinkt. Dazu gereicht werden getrocknete Datteln und Feigen, die
       lecker schmecken.
       
       Die Damen vom Stand stellen Klappstühle und Sessel in den Gang, in der
       hemdsärmeligen israelischen Art, erst mal Fakten zu schaffen, auch wenn nun
       der Verkehr behindert wird. Irgendwo müssen Chaim Nolls Zuhörerinnen ja
       sitzen, von denen sich eine Handvoll eingefunden hat. Der seit zwanzig
       Jahren in Israel lebende, auf Deutsch schreibende Schriftsteller ist braun
       gebrannt. Er sieht aus, wie man sich einen Wüstenbewohner vorstellt, groß
       und schlank.
       
       An so einem Ort habe er noch nie gelesen, sagt Noll inmitten eines
       Stimmengewirrs aus den umliegenden Gängen. Es fühle sich an wie auf einem
       Busbahnhof. Wenn er spricht, hört man das proletarische Berlinerisch
       heraus, das im Osten der Stadt auch von den Intellektuellen als
       authentischer Ausdruck kultiviert wurde.
       
       Die Spannung zwischen Sprache und Gestalt, Kultur und Gesellschaft bestimmt
       auch Chaim Nolls neuen, im Verbrecher Verlag erschienenen Roman „Die
       Synagoge“. Es ist ein Buch über die Liebe – mit Anklängen an die alte
       Geschichte von Kain und Abel – und das Denken in langen Zeiträumen. Anhand
       des sozialen Mikrokosmos eines kleinen Kibbuz während der zweiten Intifada,
       kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001, erzählt Noll von Brüchen,
       Konflikten und vom eigenen Ankommen in dieser Einwanderergesellschaft. Was
       wäre ein besserer Ort dafür als Halle 8.
       
       13 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lesung
 (DIR) Religion
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Piketty auf der Frankfurter Buchmesse: Kapitale Einsichten
       
       Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty stellt bei C. H.
       Beck die deutsche Ausgabe von „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ vor.
       
 (DIR) Abschluss der Frankfurter Buchmesse: Gott ist gesund und munter
       
       Weniger Aussteller, mehr Veranstaltungen und ein Experiment von Janne
       Teller mit begrenztem Wert: Die Frankfurter Buchmesse geht zu Ende.
       
 (DIR) Kolumne Buchmessendrama: Gehirn des ORF gesucht
       
       Die Wahrheit über die Buchmesse ist: Man schläft zu wenig. Jeder Tag ein
       Drama. Heute: Die Literaturkritikerin Daniela Strigl zieht sich aus der
       Jury zurück.
       
 (DIR) Schriftsteller Chaim Noll über Juden in der DDR: "Die Dresscodes des Systems"
       
       In der DDR geriet Chaim Noll auf der Suche nach seinen jüdischen Wurzeln
       mit dem Staat in Konflikt. Sein neu aufgelegter Wenderoman "Der goldene
       Löffel" beschreibt die zerfallende DDR-Gesellschaft.