# taz.de -- E-Health immer beliebter: Das Rezept kommt per Email
       
       > Elektronische Gesundheitsakten, Rezepte übers Internet oder der
       > Skype-Doktor: All das soll bald zum medizinischen Standard gehören.
       
 (IMG) Bild: Auch das Röntgenbild soll auf die ekektronische Gesundheitskarte
       
       BAD HOFGASTEIN taz | „Erinnern Sie sich noch an den Ausbruch des
       isländischen Vulkans Eyjafjallajökull?“ Peteris Zilgalvis hat ein
       drastisches, aber realistisches Beispiel für die Tugenden der E-Health:
       „Menschen saßen damals in allen möglichen Ländern fest und konnten nicht
       nach Hause. Vielen gingen die Medikamente gegen chronische Leiden aus. Mit
       einem elektronischen Rezept hätten sie ihre Arzneien in der nächstgelegenen
       Apotheke abholen können“.
       
       In Ländern wie Estland werden rund 90 Prozent aller Rezepte bereits
       elektronisch ausgestellt. Zilgalvis, der in der Europäischen Kommission die
       Abteilung für E-Health leitet, hat noch ein ganz alltägliches Beispiel:
       „Mein Kind liegt mit Grippe im Bett und der Arzt war da. Meine Frau bleibt
       am Krankenbett und ich bekomme das Rezept elektronisch zugeschickt. Dann
       kann ich es in der Mittagspause kaufen und zu Hause abliefern.“ Zilgalvis
       wünscht sich mehr Reformwillen zur entschlossenen Umsetzung des
       E-Health-Aktionsplans 2012–2020 der EU.
       
       Unter dem Begriff E-Health versteht man im weitesten Sinn den Einsatz
       elektronischer Medien zur medizinischen Versorgung und anderer Aufgaben im
       Gesundheitswesen. Das reicht von der Selbstkontrolle chronischer Patienten,
       die ihre Werte online an ihren Arzt weiterleiten können, bis zur ärztlichen
       Konsultationen via Skype, wie sie in den dünn besiedelten Gebieten
       Schottlands schon seit Jahren erprobt werden. Auf dem 17. European Health
       Forum im österreichischen Kurort Bad Hofgastein diskutierten Experten aus
       53 Ländern Anfang Oktober Fortschritte und Zukunftsvisionen von E-Health
       und Tele-Medizin.
       
       Für Helmut Brand, Direktor des Gasteiner Forums und Professor an der
       Universität Maastricht, sind die Fortschritte greifbar: „Über Jahre hat
       Europa über E-Health gearbeitet. Die Technik ist inzwischen ausgereift.“
       Auf dem Forum sei eine Vertreterin der Firma Apple gewesen, die extra aus
       den USA gekommen sei, um zu sehen, „wie die Health-App, die ins
       Betriebssystem integriert wurde, auch in Europa anwendbar ist und wie die
       Meinung dazu ist“.
       
       Manche Apps hätten sich bereits als höchst nützlich erwiesen. Helmut Brand:
       „Eine hat es in die Hitliste für unseren Gesundheitspreis geschafft.“ Sie
       dient Patienten, die aus der Psychiatrie entlassen wurden und bei denen man
       nicht wisse, ob sie zu Hause stabil leben können. Nach einigen Tagen
       erhalten sie eine E-Mail mit zehn Fragen. An den Antworten erkennen die
       Ärzte, ob es notwendig sei, den Patienten zu kontaktieren.
       
       ## Produktivität und Kosteneffizienz
       
       Monitoring von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei fast Standard. Insgesamt
       seien durch E-Health die Notfallaufnahmen am Wochenende sehr stark
       reduziert worden. E-Health, so Zilgalvis, könne ein entscheidender Motor
       zur Steigerung von Qualität, Kosteneffizienz, Produktivität und Wachstum im
       Gesundheitswesen sein: „Angesichts der zunehmenden Häufigkeit chronischer
       Erkrankungen, der hohen Kosten von Gesundheitsdienstleistungen bei
       wachsender Nachfrage und gleichzeitig zunehmender Ressourcenknappheit ist
       Tele-Medizin ein Schlüsselfaktor für ein zukunftsweisendes
       Gesundheitswesen.“
       
       Jede Ausbreitung der Onlinemedien auf den Gesundheitssektor bedingt die
       zunehmende Speicherung von Patientendaten. Die Skepsis gegenüber
       elektronischen Gesundheitsakten ist nicht nur in Europa verbreitet. Holly
       Jarman, die an der University of Michigan forscht, versteht die Probleme:
       „In den USA ist es ein bisschen komplizierter, weil wir eine Serie von
       Bundesgesetzen haben, die die Patientendaten schützen sollen. Manchmal sind
       diese Gesetze hinderlich, wenn es darum geht, Gesundheitsinformation
       auszutauschen, und manchmal schaden sie den Patienten, wenn sich jemand auf
       diese Gesetze beruft, um Information zurückzuhalten.“
       
       ## Debatte über Datenschutz
       
       Wenn sie etwa die Klinik wechseln und man dort dann keinen Zugriff auf die
       Daten hat. Es sei wirklich wichtig, dass eine praktikable Lösung gefunden
       werde. Die Debatte, wie man einerseits die Patientendaten schützen kann und
       andererseits die Information, dort wo sie gebraucht wird, zugänglich macht,
       tobt auch in den USA.
       
       Peteris Zilgalvis sieht Estland als Vorbild, wie man dieses Dilemma lösen
       kann. Der Patient bekomme einen exakten Überblick, wer wann und warum
       Einsicht in seine elektronische Gesundheitsakte genommen hat. Zilgalvis:
       „Und es wurden bereits Ärzte bestraft, die ohne hinreichenden Grund und
       ohne Erlaubnis jemandes Akte eingesehen haben. Das ist ein neuer
       Sicherheitsmechanismus.“
       
       Und in der Schweiz wird gerade ein völlig neuer Weg beschritten, den auch
       Professor Brand für bahnbrechend hält. Ernst Hafen von der Eidgenössischen
       Technische Hochschule Zürich hat ein Genossenschaftsmodell entwickelt. Jede
       und jeder ist eingeladen, seine Patientendaten in die Kooperative
       einzubringen. Er kann bestimmen, wer Einsicht bekommen soll. Für
       Informationen, die im Fall eines Unfalls relevant sind, könnte zum Beispiel
       ein eigener Ordner eingerichtet werden.
       
       ## Genossenschaft für Gesundheitsdaten
       
       Ernst Hafen: „Die Technologie ist ähnlich wie beim Finanzsektor. Niemand
       schreibt uns vor, wie wir das Geld investieren sollen. Und für persönliche
       Daten, die auch einen ökonomischen Wert haben, gibt es das Gleiche noch
       nicht. Und das wollen wir erschaffen.“ Jedes Genossenschaftsmitglied könne
       ein Konto eröffnen, auf dem seine Daten gespeichert werden. Man habe dann
       die Möglichkeit, „einen Satz Daten mit einem Arzt zu teilen, von dem man
       eine Zweitmeinung möchte“.
       
       Die Daten könnten jede und jeder aber genauso mit der eigenen Familie
       teilen, um sich über Krankheitssymptome auszutauschen. Hafen: „Sie sind der
       Eigner dieser Daten und entscheiden, was damit geschieht. Niemand anders.“
       Diese Daten – vorausgesetzt die Anzahl der Genossenschaftsmitglieder ist
       groß genug – können dann anonymisiert auch einem Pharmakonzern für
       klinische Studien verkauft werden. Einschlägige Erfahrungen mit
       Brustkrebspatientinnen gibt es bereits.
       
       Noch in diesem Jahr soll in der Schweiz die erste Genossenschaft gegründet
       werden. Die Frage, ob diese Daten sicher sind oder ob sie doch gehackt
       werden können, muss dann von der Praxis beantwortet werden.
       
       19 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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