# taz.de -- Menschenrechtsanwältin über Mexiko: „Ein grundlegendes Misstrauen“
       
       > Korruption und Gewalt sind in Mexiko tief verwurzelt. Alejandra Ancheita
       > über die Rolle des Staates, die Regierung Peña Nieto und strukturelle
       > Ungleichheit.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten fordern seit dem Verschwinden der Studenten Aufklärung, hier im Oktober in Mexiko-City.
       
       taz: Frau Ancheita, angesichts der 43 verschwundenen Studenten fordern
       mexikanische Oppositionelle den Rücktritt von Präsident Enrique Peña Nieto.
       Ist das realistisch? 
       
       Alejandra Ancheita: Das wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Aber
       zweifellos ist die Forderung legitim. Die Bundesregierung hat bis heute
       nicht effektiv auf das Verschwinden der Männer reagiert.
       
       Warum trauen die Angehörigen weder dem Generalstaatsanwalt, der drei
       Schuldige präsentierte, noch dem Präsidenten? 
       
       Die Angehörigen haben von Anfang an gefordert, dass die Verantwortlichen
       benannt werden – nicht zuletzt um zu verhindern, dass sich solche
       Verbrechen wiederholen. Doch die Ermittlungen gingen sehr schleppend voran.
       Vor allem aber wollten sie, dass die Behörden ihre Söhne lebend
       wiederfinden. Die Strafverfolger gingen bei ihren Ermittlungen jedoch von
       vornherein davon aus, dass die Verschwundenen tot sind. Das hat ein sehr
       tiefes Misstrauen bewirkt, man traut dem Willen und den Fähigkeiten der
       Strafverfolger nicht. Dazu kommt ein grundlegendes Misstrauen gegen die
       Behörden. Das beruht auf der langen Geschichte der Korruption und
       Straflosigkeit in unserem Land. Es fehlt das ernsthafte Bemühungen, dieses
       zu überwinden und dadurch Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
       
       Die Demonstranten und die Angehörigen sagen: Es war der Staat. Was meinen
       sie damit? 
       
       Für die Festnahme und das Verschwinden war die lokale Polizei
       mitverantwortlich. Das war von Beginn an klar. Zudem gibt es seit Langem
       eine direkte Verbindung zwischen dem Bürgermeister, der die Verhaftung
       angeordnet hat, und dem Gouverneur des Bundesstaates Guerrero, Ángel
       Aguirre. Aguirre ist nun ja auch zurückgetreten. Es steht außer Zweifel,
       dass es sich nicht um eine individuelle Aktion gehandelt hat, auch wenn man
       noch nicht alle Hintergründe kennt. Und der Bürgermeister und seine
       Polizisten sind ja eigentlich für die Sicherheit der Bürger verantwortlich.
       
       Warum wurden gerade die Studenten so brutal angegriffen? 
       
       Dafür gibt es bislang keine eindeutige Erklärung. Eine große Rolle spielt
       die starke Diskriminierung aufgrund der Klassen- und der ethnischen
       Zugehörigkeit, die in Mexiko existiert. Fast alle Studenten kommen aus
       armen Gemeinden in Guerrero, häufig handelt es sich um Indigene. Die
       Familien kostet es viel, ihre Kinder auf die pädagogische Fachschule zu
       schicken. Die Gewalt ist strukturell und alltäglich, und das dürfte auch
       jetzt bedeutsam gewesen sein.
       
       Wie könnte die Regierung Vertrauen zurückgewinnen? 
       
       Sie muss endlich Klarheit schaffen über die 43 Studenten. Und sie muss
       zeigen, dass sie ernsthaft die Menschenrechtsprobleme im Land angeht.
       Bislang hat die Regierung keine Erklärung dafür, dass 26.000 Menschen
       verschwunden sind. Im Gegenteil: Attacken auf indigene Gemeinden nehmen zu.
       Ebenso die Kriminalisierung. Auch Gruppen, die sich zum Beispiel gegen
       Bergbauprojekte oder die Zerstörung ihrer Böden einsetzen, werden zunehmend
       Opfer von Angriffen. Die Regierung kann diese Leute ebenso wenig schützen
       wie alle anderen, die nicht zu den Privilegierten gehören. Nur wenn sich
       das ändert, kann die Regierung Vertrauen zurückgewinnen.
       
       9 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
 (DIR) Alejandra Acheita
       
       ## TAGS
       
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