# taz.de -- Kakaobauern in Bolivien: Der Fluch der Monilia
       
       > Ein Pilz und Überflutungen haben die Kakaoernte um fast 70 Prozent
       > einbrechen lassen. Agrartechniker raten zu neuen Anbaukonzepten.
       
 (IMG) Bild: Ein Kakaobauer sortiert seine frisch gepflückten Schoten.
       
       SAPECHO taz | Die Motorsäge heult auf und wieder kracht ein kräftiger Ast
       zu Boden. „Ein Ergebnis unserer Studien mit der Monilia ist, dass wir mehr
       Durchlüftung in den Plantagen brauchen. Kleinere Kakaobäume und kürzere
       Äste helfen dem Bauern bei der Ernte“, meint Jesús Quispe.
       
       Der stämmige Agrartechniker ist derzeit besonders gefragt in Sapecho. Das
       kleine Dorf im tropischen Tiefland liegt sechs Fahrtstunden von Boliviens
       Regierungssitz La Paz entfernt und ist das Zentrum der nationalen
       Kakaoproduktion. Rund 1.500 Bauern bauen unter dem Dach der Genossenschaft
       El Ceibo die aromatischen Bohnen in bester Bioqualität an.
       
       Doch derzeit macht ein Pilz den Bauern das Leben schwer: die Monilia. In
       Europa als Schädling im Obstanbau bekannt ist der Pilz vor zwei bis drei
       Jahren aus Peru in Boliviens wichtigste Kakaoanbauregion eingeschleppt
       worden. „Seitdem breitet er sich aus, und wir haben aus allen Ecken der
       Welt Kakaobäume analysiert, um herauszubekommen, welche Sorten mit dem Pilz
       klarkommen und welche sogar resistent sind“, so Jesús Quispe.
       
       Die ersten Ergebnisse liegen vor, und das ist auch der Grund, weshalb auf
       dem Gelände des Forschungsprojekts Piaf in Sapecho derzeit die Motorsägen
       heulen. Kakaobäume, die keinerlei Widerstandkraft gegen den Pilz zeigen,
       werden umgelegt, andere, die mit dem Pilz leben können, hingegen nur
       beschnitten, um infizierte Schoten besser absammeln zu können. „Schoten,
       die drei oder vier Meter hoch oben im Baum hängen und deren Sporen der Wind
       verbreitet, soll es zukünftig nicht mehr geben“, schildert Quispe die große
       Herausforderung.
       
       Viel Arbeit kommt daher auf die Biobauern wie Don Basilio Andrés aus der
       Kooperative Villa zu. Der schlaksige Mann von Ende 60 bewirtschaftet sechs
       Hektar Fläche. Auf drei davon stehen Kakaobäume. Zu viel Arbeit für einen
       einzelnen Mann argumentiert Quispe, dem vier Agrartechniker unterstehen,
       die derzeit viel unterwegs sind, um die Bauern zu beraten.
       
       ## Infizierte Schoten kommen ins Feuer
       
       Mehr als zwei Hektar sind kaum zu bewältigen, denn die Bekämpfung der
       Monilia-Epidemie ist aufwendig. Infizierte Schoten müssen verbrannt oder
       zumindest vergraben werden, um den Sporenflug zu unterbinden, die
       Kakaobäume müssen beschnitten, tolerante Setzlinge angepflanzt oder junge
       Kakaobäume veredelt werden.
       
       Das sogenannte Pfropfen ist bei Obstbäumen, aber eben auch bei Kakaobäumen
       gang und gäbe. Ziel ist es dabei, den vorhandenen Baum mit einer oder auch
       mit mehreren anderen Kakaosorten zu veredeln, so dass in Zukunft andere
       Kakaosorten geerntet werden können, ohne erst einen neuen Baum großziehen
       zu müssen. „So lässt sich schnell und einigermaßen kostengünstig die eigene
       Plantage umstrukturieren“, erklärt Quispe.
       
       Das empfehlen die Piaf-Techniker nun den Bauern und raten generell zur
       Verjüngung der Plantagen, denn junge Pflanzen sind widerstandsfähiger.
       Setzlinge werden en gros in den Piaf-Baumschulen gezogen und teilweise auch
       gleich mit einer weiteren Kakaosorte veredelt. „Je nach Anbauregion sind
       das unterschiedliche. Wir setzen dabei auf ein knappes Dutzend Kakaosorten,
       bei denen sich der Pilzbefall unseren Studien zufolge in Grenzen hält“,
       ergänzt Gustavo Adwim. Er ist einer der Ankäufer der Genossenschaft und nun
       täglich mit einem der Piaf-Techniker unterwegs, um die Bauern zu beraten,
       wie sie ihre Anbaukonzepte modifizieren und ihre Plantagen
       widerstandsfähiger machen können.
       
       ## Ein Effekt des Klimawandels
       
       Ein Faktor lässt sich jedoch nicht beeinflussen – die Niederschläge, die im
       Frühjahr des Jahres dafür sorgten, dass der Río Boopi über die Ufer trat
       und fast die gesamte Anbauregion Litoral wochenlang unter Wasser stand.
       „Ideal für die Ausbreitung des Pilzes, der es feucht mag. Zudem sind durch
       die Überflutungen ganze Plantagen verwüstet worden. Ein Effekt des
       Klimawandels“, erklärt Adwim mit sorgenvoller Mine.
       
       Der 26-jährige Forstwirt hat seine Abschlussarbeit an der Universität von
       Cochabamba 2012 über die Monilia geschrieben und taxiert einen
       Ernterückgang um rund 66 Prozent. „Für die größten Ausfälle ist der Pilz
       verantwortlich, aber rund 30 Prozent gehen auf den Klimawandel und die
       Überschwemmungen zurück“, meint er.
       
       Anders als früher verteilen sich die Niederschläge nicht mehr über das
       ganze Jahr, sondern gehen in wenigen Wochen nieder. Ein Wandel, der die
       Bauern vor massive Probleme stellt. Über die Verlagerung von Anbauflächen
       in höhere Lagen denkt auch Ipolito Pérez nach, dessen Plantage teilweise
       überflutet war. Anders als viele seiner Kollegen hat der 65-jährige
       Kakaobauer aber noch etwas zu ernten gehabt.„40 Prozent der Vorjahresernte
       etwa.
       
       Viele Nachbarn stehen ohne Bohnen da und denken über den Wechsel zu Orangen
       und anderen Fürchte nach.“ Keine Option für Ipolito Pérez: „Wir müssen
       lernen, mit dem Pilz zu leben“, sagt er.
       
       15 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
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