# taz.de -- Unisex: Alle müssen mal
       
       > Es gibt immer mehr Klos für trans- und intergeschlechtliche Menschen.
       > Auch in Behörden. Nur der alternative Vorzeigebezirk
       > Friedrichshain-Kreuzberg tut sich schwer.
       
 (IMG) Bild: Welche Toilette ist wohl für wen?
       
       Jeder Club, der was auf sich hält, hat eins. Jede Hipsterbüroetage, diverse
       Universitäten und die Bahn ohnehin. Und seit wenigen Wochen sogar einige
       Berliner Behörden. Die Unisextoiletten, die deutschlandweit an vielen
       Straßenecken zu finden sind und ihre Türen für Menschen jeder
       Geschlechtszugehörigkeit öffnen, haben einen Aufstieg hingelegt.
       
       Auf den Antrag der Piraten auf Unisextoiletten im Februar vergangenen
       Jahres folgte der Beschluss, dass es in jedem öffentlichen Gebäude in
       Berlin eine Unisextoilette geben soll. Dank diesem Beschluss rutschten die
       ansonsten eher tabuisierten Toiletten in den Fokus der Medienöffentlichkeit
       – mit einem Getöse, das dem vermeintlich stillen Örtchen vermutlich die
       Schamesröte ins Gesicht trieb. Plötzlich hatte jeder Mensch eine Meinung
       dazu, ob und warum öffentliche Bedürfnisanstalten in Männchen und Weibchen
       eingeteilt werden müssen. Die Medien bemühten sich weitestgehend um
       neutrale Berichterstattung, doch in Kolumnen, Glossen und Kommentaren brach
       ein Sturm der Empörung los.
       
       Die Clubs, Hipsterbüroetagen und Start-up-Unternehmen führen
       Platzersparnis, geringere Kosten und den angeblich wachsenden
       Firmenzusammenhalt als Pro-Unisex-Argument an. Hätten die Piraten ähnlich
       argumentiert, wäre das Thema medial vermutlich versandet. Dass die Partei
       die für alle Geschlechter offene Toilette aber als
       Antidiskriminierungsprojekt deklarierte, rief die üblichen Verdächtigen auf
       den Plan: mentale Unbeweglichkeit, vermeintliches Traditionsbewusstsein und
       die Angst vor Neuerungen. „Klientelpolitik“, stänkerten die einen.
       „Linkssektiererischer Quatsch“, die anderen. Schuld seien die
       Gender-Studies. Die Homosexuellen. Der Klimawandel. War doch schon immer
       so! Und hat doch auch immer funktioniert!
       
       Hat es ja auch. Für die meisten. Für einige aber nicht. Trans- und
       intergeschlechtliche Menschen kämpfen täglich gegen Diskriminierung. Sie
       werden abwertend beäugt, beschimpft und gar verprügelt, wenn sie die
       vermeintlich falsche Klotür öffnen. Weil sie eben nicht aussehen wie der
       Mensch, dem das jeweilige Kämmerlein zugedacht ist.
       
       „So viel Aufwand wegen einer Minderheit“, beschweren sich die Kommentatoren
       in den Foren. Es ist kein Aufwand, aber was die Zahlen angeht, haben sie
       recht: Es gibt in Deutschland geschätzte 1,7 bis 4 Prozent intersexuelle
       Menschen. Laut dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
       (BmJV) strebten 2013 mehr als 1.500 transsexuelle Menschen ein Verfahren
       zur Namens- und Personenstandsänderung an. Tendenz steigend. Die Zahl der
       Menschen, die sich nicht festlegen lassen wollen und die in Deutschland
       unter dem Sammelbegriff Transgender firmieren, lässt sich nicht benennen.
       Vermutlich sind es mehr. Eine Minderheit bleibt es.
       
       Von der lauten Mehrheit, die sich problemlos im zweigeschlechtlichen
       Kontext verorten kann, wird die Toilettendiskussion deshalb schnell als
       Luxusproblem abgetan. Das lässt sich leicht sagen, wenn es jemanden nicht
       betrifft. „Für die Menschen, die in dieser Situation stecken, wird der
       Toilettengang täglich gleich mehrfach zu einer Konfrontation mit dem
       Anderssein und damit schnell zu einem sehr existenziellen Problem“, gibt
       Ammo Recla, Geschäftsführer des Antidiskriminierungsprojekts ABQueer, zu
       bedenken.
       
       Was also spricht dagegen, einer Minderheit das Leben leichter zu machen,
       schlicht durch die Änderung eines Türschilds? Das fragte sich wohl auch die
       Bezirksverordnetenversammlung (BVV), bei der der Antrag der Piraten auf
       offene Ohren stieß. Mit breiter Mehrheit wurde der Antrag in Kreuzberg
       angenommen, wo Unisextoiletten erst einmal für den Zeitraum einer
       sechsmonatigen Evaluationsphase ein Teil des Rathaus
       Friedrichshain-Kreuzberg sein sollten. Wo allerdings bis dato nichts
       passiert ist.
       
       „Ob wir was haben?“, möchte eine der beiden Pförtnerinnen des Bezirksamts
       Friedrichshain-Kreuzberg wissen. „Eine Unisextoilette? Was soll denn das
       sein?“ Und versichern dann, einstimmig, von diesem Erlass noch nie gehört
       zu haben.
       
       In Mitte war man schneller als im alternativen Vorzeigebezirk. Die
       Verantwortung für die monatelange Verzögerung der Umsetzung in
       Friedrichshain-Kreuzberg liegt für Ralf Gerlich von den Piraten am Unwillen
       von Stadtrat Hans Panhoff (Grüne). „Der Stadtrat folgt hier eindeutig einer
       Verschleppungstaktik“, ärgert er sich. „Alles, was es gebraucht hätte, um
       den Beschluss umzusetzen, wäre ein neues Toilettenschild gewesen. Das
       allerdings wurde so lange verkompliziert, dass nun eine Haushaltssperre
       herrscht, in der jegliche Bemühung, die etwas kostet, eingefroren wird.“
       
       Aus diesem Grund sind Wedding, Mitte und Tiergarten an Kreuzberg
       vorbeigezogen. In den Rathäusern der Bezirke gibt es nun auch jeweils eine
       Unisextoilette. Auch, wohlgemerkt. Eine.
       
       Oder andersrum: Frauen, die lieber allein unter Frauen pinkeln, oder
       Männern, die ausschließlich mit Männern am Pissoir stehen möchten, stehen
       weiterhin mit Höschen und Röckchen gekennzeichnete Toiletten zur Verfügung.
       Die, denen das egal ist, und die, für die es wichtig ist, nutzen die
       Unisextoilette. So weit, so unaufregend.
       
       „Es ist nur eine Toilette“, betont auch die Gleichstellungsbeauftragte des
       Bezirks Mitte, Kerstin Drobick. Das Problem, das trotzdem inszeniert wird,
       scheint ihr ein Rätsel zu sein. Weitere Maßnahmen als eine Änderung der
       Piktogramme und, zumindest teilweise, ein Rückbau der Pinkelrinnen auf den
       Herrentoiletten sind nicht nötig, um vielen Menschen das Leben zu
       erleichtern. Selbstverständlich, sagt Drobick, seien die Beschäftigten im
       Intranet vor der Maßnahme darüber informiert worden. Und: „In den Räumen
       hängen Hinweisschilder.“
       
       Ein Hinweisschild, das darüber informiert, dass es diese Toilette gibt.
       Ausgedruckt, eingeschweißt. Klingt durchaus nach einer beinahe kostenfreien
       Möglichkeit, ein Piktogramm für das haushaltsgesperrte
       Friedrichshain-Kreuzberg zu ersetzen. Aber die Widerstände scheinen größer
       zu sein, als kommuniziert wird. „Nach außen wird Minderheitenschutz
       großgeschrieben“, konstatiert Ralf Gerlich. „Aber es wird
       Schaufensterpolitik betrieben.“ Auch bei den Menschen, für die die
       Toiletten gedacht sind, sorgt die Chose für Kopfschütteln. „Es geht nur um
       ein Türschild“, sagt Chris aus Neukölln. „Es tut keinem weh, und mir
       erleichtert es das Leben.“
       
       Darauf hat auch Ammo Recla von ABQueer keine eindeutige Antwort. „Dass
       trans- und intergeschlechtliche Menschen gesehen werden, ist natürlich ein
       Schritt in die richtige Richtung. Aber es braucht noch größere Schritte, um
       ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.“
       
       Die Frage danach, wie die neuen Toiletten von den Mitarbeitenden der
       Bezirksämter angenommen werden, kann die Gleichstellungsbeauftragte Kerstin
       Drobick leider ebenso wenig beantworten wie die nach der Zufriedenheit der
       Toilettenbesucherinnen und -besucher. „Wir machen keine Nutzungsanalysen.
       Es ist ein öffentliches Klo, für ALLE.“
       
       Alle dürfen, keiner muss. So einfach ist das.
       
       17 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tania Witte
       
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