# taz.de -- Frauen-WM auf Kunstrasen: „Das ist wie Beton“
       
       > Die Fußball-WM der Frauen in Kanada wird auf Kunstrasen gespielt. Die
       > Fifa ignoriert die Proteste. Das wäre bei den Männern undenkbar.
       
 (IMG) Bild: Das macht Nationaltorhüterin Angerer auf Kunstrasen wenig Spaß
       
       BERLIN taz | Der Protest kommt zu spät. Zu diesem Urteil gelangte jüngst
       das Gericht für Menschenrechte im kanadischen Ontario. Wenn nichts
       Unvorhersehbares passiert, wird im nächsten Jahr die Frauenfußball-WM in
       Kanada also auf Kunstrasen ausgetragen. Der Antrag der 60 Fußballerinnen,
       ihre Klage beschleunigt zu behandeln, wurde zurückgewiesen. Die
       Angelegenheit sei juristisch zu komplex, erklärte das Gericht.
       
       Der Fußball-Weltverband zeigte sich zuletzt sowieso nicht
       verhandlungsbereit. Es gebe keine Alternative zum geplanten Vorhaben,
       bekundet man. Und wie vor Kurzem bekannt wurde, setzten die Fußballverbände
       in Mexiko und Frankreich ihre klagenden Spielerinnen gar unter Druck, nicht
       weiter gegen die Fifa zu opponieren. In Frankreich fürchtet man etwa, diese
       Aufsässigkeit gefährde die eigene WM-Bewerbung 2019.
       
       Die Klage der protestierenden Spielerinnen fußt auf drei Hauptargumenten:
       der künstliche Belag verändere das Fußballspiel und erhöhe die
       Verletzungsgefahr. Außerdem weist man es als sexistisch und diskriminierend
       zurück, dass die Fifa den Testballon „Kunstrasen-WM“ erstmals bei den
       Frauen aufsteigen lässt und die nächsten Männerturniere weiterhin auf
       Naturrasen ausgetragen werden sollen.
       
       Auf das veränderte Spiel, könnte man gegenhalten, vermögen sich alle
       gleichermaßen vorzubereiten. Die höhere Verletzungsanfälligkeit ist bislang
       in wissenschaftlichen Untersuchungen auch nicht belegt worden. Im
       Gegenteil, die Fifa und die Uefa berufen sich auf eigene Studien, nach
       denen bei internationalen Juniorenturnieren auf hochwertigen Kunstrasen
       weder mehr noch gravierendere Verletzungen gezählt wurden.
       
       ## Erfahrungen auf alten Kunstrasenplätzen
       
       Dass die Aktiven mehrheitlich das Gegenteil behaupten, führt der
       schwedische Sportmediziner Jan Ekstrand, Vizevorsitzender der Medizinischen
       Kommission der Uefa, darauf zurück, dass diese meist von Erfahrungen mit
       früheren minderwertigen Kunstrasenplätzen geprägt seien. Allerdings werden
       in den Studien nur verletzungsbedingte Ausfallzeiten miteinander
       verglichen.
       
       Häufig geäußerte Einschätzungen von Fußballern, sie spürten unabhängig von
       Verletzungen nach Kunstraseneinsätzen die größere Gelenkbelastung, fanden
       bislang in den Untersuchungen keine Berücksichtigung. Die internationale
       Fußballgewerkschaft Fifpro bemängelt zudem, es lägen keine Langzeitstudien
       für die Auswirkungen von Kunstrasenplätzen auf den Körper vor.
       
       Hinter dem Engagement der Fußballverbände für den künstlichen Belag steckt
       auch ein gewichtiges geschäftliches Interesse. Seit der Saison 2005/2006
       verlangt der Weltverband für Kunstrasen, auf denen Profispiele ausgetragen
       werden sollen, sogenannte Zwei-Sterne-Zertifikate. Rund 300.000 Euro kostet
       eine solche Fifa-Lizenz, die nach drei Jahren erneuert werden muss.
       
       ## Sexistisch und diskriminierend
       
       Die Debatte reicht weit über den Frauenfußball hinaus. Der vielfach
       kritisierte Finalspielort der WM 2015 im kanadischen Vancouver findet nicht
       nur Nationaltorhüterin Nadine Angerer („Das ist Beton“) inakzeptabel. Auch
       David Beckham weigerte sich einst, darauf zu spielen. Es hat den Anschein,
       dass die Fifa glaubt, den Protest der Frauen leichter übergehen zu können.
       Insofern ist das Diskriminierungsargument am schlagkräftigsten.
       
       Anfang November wurde die Kunstrasendebatte von den englischen
       Männerprofiklubs zu den Akten gelegt. Für den künstlichen Belag wollte sich
       keine Mehrheit aussprechen. Shaun Harvey vom englischen Fußballverband FA
       sagte, es gebe bei den Vereinen immer noch den Wunsch, „mehr über die
       künstlichen Spielflächen herauszufinden, bevor man solch einen großen
       Schritt unternimmt“.
       
       19 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) T. Kröger
 (DIR) J. Kopp
       
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