# taz.de -- Drogenhandel in Berlin-Kreuzberg: „Die Polizei allein schafft das nicht“
       
       > Eine Lösung des Drogenproblems im Görlitzer Park gibt es nur mit Bezirk
       > und Anwohnern, sagt Henry Maiwald, langjähriger
       > Polizei-Präventionsbeauftragter.
       
 (IMG) Bild: Görlitzer Park.
       
       taz: Herr Maiwald, die Probleme mit dem Drogenhandel in Kreuzberg sind
       nicht über Nacht gekommen. Wer hat gepennt? 
       
       Henry Maiwald: Das zu diskutieren ist müßig. Wir als Stadt haben ein
       Problem. Wir müssen zusammen sehen, wie wir es in den Griff bekommen.
       
       Der Bezirk schiebt es auf den Senat, und der schiebt es auf den Bezirk. Ist
       dieser Verschiebebahnhof Teil des Problems? 
       
       Ja, natürlich. Jeder arbeitet die Dinge in seinem Zuständigkeitsbereich
       sauber ab. Mit einem Tunnelblick. Es wurde nicht über die eigenen
       Zuständigkeitsgrenzen hinausgeguckt, wie man das Problem lösen kann. Das
       war ja eine sukzessive Entwicklung. Der Drogenhandel hat die Leute ja lange
       Zeit kaum gestört. Die Dealer im Görlitzer Park waren Teil einer Folklore.
       
       Hat die Polizei das auch so gesehen? 
       
       Sicher nicht. Der einzelne Dealer, der eine Jointfüllung verkauft, ist
       nicht das Hauptproblem, das findet an vielen Orten in der Stadt statt. Das
       Problem ist, dass hinter ihm die organisierte Kriminalität steht. Die
       Polizei ist ja in der Vergangenheit auch tätig geworden. Die Folge ist
       bekanntermaßen ein Verdrängungseffekt. Man hätte das viel früher erkennen
       und gemeinsam gegensteuern müssen.
       
       Hat die Polizei zu wenig gemacht? 
       
       Die Bekämpfung des Straßendrogenhandels ist eine sehr kleinteilige
       Angelegenheit. Die Leute werden festgenommen, es werden Strafanzeigen
       geschrieben. Wenn Drogen gefunden werden, sind es zumeist sehr kleine
       Portionseinheiten. Aus denen wird dann noch der reine Wirkstoffgehalt
       rausgerechnet. Das ist meist so wenig, dass die Leute nicht vor Gericht
       kommen. Die Bürger sagen immer, ich habe doch gesehen, dass der dealt. Die
       verstehen nicht, dass der nicht ins Gefängnis kommt. Aber so funktioniert
       unser Rechtsstaat nicht. Gott sei Dank.
       
       Wie haben Sie das Problem früher mit den Drogendealern in der Potsdamer
       Straße in Schöneberg in den Griff bekommen? 
       
       Die Anwohner sind auf die Barrikaden gegangen. Bewegt wurde letztendlich
       nur deshalb etwas, weil sich alle gesellschaftlichen Kräfte, inklusive
       Polizei, an einen Tisch gesetzt haben.
       
       Sind die Kreuzberger noch nicht so weit? 
       
       Vielleicht ist der Leidensdruck in Kreuzberg noch nicht hoch genug. Aber es
       scheint sich was zu bewegen. Die Polizei allein wird dieses Problem nicht
       lösen können. Die Großeinsätze, die zurzeit stattfinden, mögen dem
       „Abendschau“-Zuschauer in Zehlendorf zeigen: Die Polizei macht was. Aber
       wirklich verändern tun sie nichts. Steht deshalb ein Dealer weniger dort?
       Nein. Ist ein Konsument unversorgt geblieben?
       
       Wenn Polizisten im Park Dealer verfolgen, kommt es vor, dass die Beamten
       von Passanten als Rassisten beschimpft werden. Hat die Polizei nicht genug
       Rückhalt in der Bevölkerung? 
       
       In Teilen scheint das so zu sein. Die Polizisten werden bei Einsätzen ja
       manchmal sogar auch körperlich attackiert.
       
       Was müsste in Kreuzberg passieren? 
       
       Man muss das ganze Problem sehr kleinteilig analysieren und dann gucken, wo
       man anpacken kann. Der Bezirk muss das klare Signal aussenden, wir
       tolerieren diesen Handel nicht mehr, wir wollen Kreuzberg von der
       Kriminalität befreien. Dazu gehören die Menschen, die ihren Lebensraum
       zurückerobern wollen – im friedlichen Sinne. Wo eine kritische
       Öffentlichkeit ist, ist wenig Platz für Drogenhandel. Man muss der
       Bürgermeisterin sagen: Frau Herrmann, das ist Ihr Park. Sie können auf die
       Polizei zählen. Aber der Bezirk muss die Regie übernehmen. Es wäre auch zu
       überlegen, ob es nicht Quartiersmanagement geben sollte.
       
       In der Polizei wird auch über Videoüberwachung am Görlitzer Park
       diskutiert. Was halten Sie davon? 
       
       Ich bin kein Freund der Videoüberwachung. Trotzdem muss auch
       Videoüberwachung vorurteilsfrei als mögliches Hilfsmittel überprüft werden.
       
       ## Henry Maiwald (63) arbeitete 43 Jahre lang als Polizist. Als
       Präventionsbeauftragter des Abschnitts 41 hat er dazu beigetragen, dass die
       Heroin-Drogenszene aus Schöneberg abgewandert ist. Maiwald ist seit 2012 im
       Ruhestand.
       
       19 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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