# taz.de -- Kommentar Ferguson: Die nicht gehört werden
       
       > Es war zu erwarten, dass die Jury die Anklage gegen den Polizisten
       > ablehnt, der die Todesschüsse abgegeben hat. Genau das macht den Frust
       > aus.
       
 (IMG) Bild: Die schwarze Bevölkerung wurde vom Enthusiasmus der Wahlnacht 2008 in die Realität eines Alltags zurückgeholt, der von weißen Privilegien gekennzeichnet ist.
       
       Es ist schon wieder passiert. Ein unbewaffneter, schwarzer Teenager wird
       von der Polizei erschossen, und weder der Beamte, der die tödlichen Schüsse
       abgegeben hat, noch die vielen anderen Uniformierten, die Michael Browns
       Leiche im August viereinhalb Stunden lang auf der Straße haben herumliegen
       lassen, werden zur Verantwortung gezogen. Leben und Menschenwürde von
       Schwarzen, das ist die Schlussfolgerung, die die Menschen auf den Straßen
       von Ferguson und anderswo am Montag auf die Straße getragen haben, sind
       nicht viel wert. Das macht wütend.
       
       Es war zwar erwartet worden, dass die Grand Jury aus zwölf zufällig
       ausgewählten Geschworenen gegen eine Anklageerhebung gegen den Polizisten
       Darren Wilson entscheiden würde. Aber genau das, diese Erwartung und ihre
       Erfüllung, machen den Frust aus.
       
       Was die Juroren im Einzelnen dazu bewogen haben mag, in keinem einzigen der
       möglichen Anklagepunkte einen ausreichenden Anfangsverdacht für ein
       Fehlverhalten zu sehen, ist für die Menschen auf der Straße zweitrangig.
       Für sie steht fest: Das System schützt uns nicht, und vielleicht liegt das
       nicht mal daran, dass es nicht richtig funktioniert – vielleicht ist es
       auch gerade dafür gemacht.
       
       Denn Ferguson ist ja kein Einzelfall. Racial Profiling bleibt ein
       Dauerthema, auch wenn es nicht immer tödlich ausgeht wie im Fall des 2012
       in Florida von einem Wachmann getöteten 17jährigen Trayvon Martin. Schwarze
       werden überproportional oft zum Tode verurteilt, Schwarze stellen den
       Großteil der Gefängnisbevölkerung in den USA, Schwarze haben in der Regel
       schlechtere Rechtsbeistände als Weiße, wenn sie vor Gericht stehen,
       Schwarze sind überproportional oft arbeitslos, schwarze Familien haben in
       der Regel ein niedrigeres Einkommen als weiße, schwarze Mütter sind froh,
       wenn ihr Sohn 25 wird, ohne im Gefängnis oder getötet worden zu sein.
       
       Die US-Gesellschaft ist einerseits sensibler für alltäglichen Rassismus als
       etwa die deutsche – und doch hat er dort noch fatalere Folgen als hier.
       Daran hat sich auch durch den ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama
       nichts geändert. Was in Ferguson passiert ist, ja, all die Fälle von immer
       besser dokumentierter Polizeigewalt gegen Schwarze in den letzten Jahren,
       hat die schwarze Bevölkerung vom Enthusiasmus der Wahlnacht 2008 in die
       Realität eines Alltags zurückgeholt, der von weißen Privilegien
       gekennzeichnet ist.
       
       Rassismus, das ist auch in den USA nicht mehr vor allem Ku-Klux-Klan und
       diskriminierende Gesetze, Rassismus ist auch in den Köpfen jener, die sich
       für nicht rassistisch halten. Gepaart mit einer irrwitzigen Vorliebe zum
       Waffenbesitz und -gebrauch ist er tödlich.
       
       Die Ausschreitungen in Ferguson werden daran nicht viel ändern. Und auch
       viele derjenigen, die seit Monaten in Ferguson und anderswo demonstriert
       haben, sind wütend und enttäuscht über das Anzünden von kleinen Läden in
       Familienbesitz. Martin Luther King, der selbst Gewaltfreiheit predigte,
       sagte einmal: „Der Riot ist die Sprache derjenigen, die nicht gehört
       werden.“ Das könnten, wenn sich nicht bald etwas ändert, immer mehr werden.
       
       25 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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