# taz.de -- Dialog: Kirche statt Moschee
       
       > Schwule, Lesben und Muslime diskutieren über Homophobie - in einer Kirche
       > statt wie geplant in einer Moschee. Obwohl sich alle gegenseitig Respekt
       > zollen, werden auch Konflikte deutlich.
       
 (IMG) Bild: Soll sich mehr öffnen: die Sehitlik-Moschee in Neukölln.
       
       „Ich bin der Schuldige“, sagt Ender Cetin, als er am Montagabend in der
       Kreuzberger Jerusalemkirche ans Mikrofon tritt. Er lächelt dabei leicht.
       Alle im Saal wissen: Das ist nur die halbe Wahrheit. Cetin hat als
       Vorsitzender der Neuköllner Sehitlik-Moscheegemeinde das Treffen mit
       Schwulen und Lesben, Bisexuellen und Transgender, das eigentlich in dem
       islamischen Gotteshaus am Columbiadamm geplant war, zwar abgesagt. Doch er
       wurde zuvor von konservativen Muslimen unter Druck gesetzt. Die türkische
       Tageszeitung Zeitung Sözcü etwa berichtete, die türkische Regierungspartei
       AKP selbst habe die „Anweisung“ erteilt, Homosexuelle nicht in die Moschee
       zu lassen.
       
       Doch statt die Begegnung ganz platzen zu lassen, entschieden sich die
       Veranstalter vom Verein „Leadership Berlin“ gemeinsam mit Cetin dafür, in
       die Kirche auszuweichen. Man will den Kontakt nicht abbrechen, sondern auf
       beiden Seiten Vorurteile abbauen.
       
       Und der Saal ist voll. Doch im Publikum sitzen vor allem viele Schwule und
       Lesben, nur einzelne Muslime sind gekommen.
       
       Und so wundert es nicht, dass es bei der Diskussion weniger um Islamophobie
       in der Mehrheitsgesellschaft geht, als vielmehr um Homophobie unter
       Muslimen. Alle Podiumsteilnehmer zollen sich dabei zwar gegenseitig immer
       wieder Respekt. Doch das Thema birgt auch Konfliktstoff.
       
       „Homosexualität ist im Koran fast gar nicht erwähnt“, sagt Ender Cetin. Es
       gebe allerdings Auslegungen, die besagten, dass Homosexualität in die
       Vernichtung führe. Diese Lesart teilt der Gemeindevorsitzende nicht. Er
       kommt zu dem Schluss: „Ja, Homosexualität ist schändlich, aber Sünden sind
       Privatsache.“ Es sei die Pflicht eines guten Moslems, dem anderen trotzdem
       mit Respekt zu begegnen. Toleranz heiße für ihn, einen Lebensstil zu
       ertragen, auch wenn man ihn nicht toll finde.
       
       „Als Betroffener kann ich mich damit nicht zufrieden geben“, entgegnet
       Daniel Worat vom Bundesverband schwuler Führungskräfte, dem Völklinger
       Kreis. Es bleibe ja damit dabei, dass er nach islamischer Auffassung ein
       sündiges Leben führe. Er freue sich über Cetins Offenheit zum Dialog. „Aber
       das ist ein schweres Brot.“
       
       Auch bei den Wortmeldungen aus dem Publikum klingt hohe Betroffenheit
       durch. Es gehe nicht um Sex, sondern um Liebe und Familie, betont einer.
       Eine andere erzählt, wie wichtig es für sie war, dass ihre lesbische
       Beziehung auch von ihrer Kirchengemeinde anerkannt wurde.
       
       Ein Mann fragt, woher die Ablehnung von Homosexualität gerade unter
       muslimischen Jugendlichen komme, wenn sie kein theologisches Problem sei.
       Auch Ender Cetin weiß, dass „Schwuchtel“ und „Schwuler“ auf vielen
       Schulhöfen ein Schimpfwort ist. Er meint, dass es sich dabei meist um
       Machogehabe handele, das umso ausgeprägter sei, je weniger Anerkennung die
       Jugendlichen im Alltag erführen, je weniger Perspektiven sie hätten.
       
       Durch Treffen wie das am Montagabend wolle er auch diesen Jugendliche
       zeigen: Seht, wir sind Moslems und haben trotzdem keine Berührungsängste
       mit Homosexuellen.
       
       Die ehemalige Ausländerbeauftrage Barbara John erinnert daran, dass
       Annäherung dauert. 1980 habe es in Berlin keine einzige Moschee gegeben,
       inzwischen existierten 80 muslimische Gotteshäuser. Sie sagt: „Es ist ein
       langer Weg.“ Ein Satz, der am Montagabend gefühlt alle fünf Minuten fällt.
       
       Die Sache mit der geplatzten Moschee-Einladung will der Gemeindevorsitzende
       Ender Cetin übrigens nicht auf sich sitzen lassen. Als die Sehitlik-Moschee
       2004 mit Führungen anfing, habe der damalige Imam gesagt: „Keiner wird
       diese Moschee auf den Schultern in die Türkei tragen. Das ist eine Berliner
       Moschee, wo jeder Platz finden muss“, erzählt er. Und es seien ja auch
       längst Homosexuelle dort zu Gast gewesen, etwa der Regierende Bürgermeister
       Klaus Wowereit.
       
       Nach der Absage sehe es nun so aus, als habe er die Tür zugemacht. „Ich
       kämpfe jetzt noch mehr dafür, die Moschee weiter nach vorne zu bringen“,
       sagt Cetin. Er wolle auch Tabus ansprechen. Und das Treffen mit Schwulen
       und Lesben ein andermal nachholen.
       
       25 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Lang-Lendorff
       
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