# taz.de -- IS-Satire im irakischen Fernsehen: Vorsicht mit den Sprengstoffgürteln!
       
       > Die irakische Comedyserie „Staat der Mythen“ ist eine Persiflage auf den
       > IS-Terror. Doch die Freiheit, über den Schrecken zu lachen, hat Grenzen.
       
 (IMG) Bild: „Uuups, war keine Absicht!“: Die irakische Satireserie „Staat der Mythen“ macht sich über die Dummheit des IS lustig.
       
       Der Dschihadist zupft an seinem angeklebten Bart und brüllt seine zwei
       Untergebenen an: „Findet mir wen, auch wenn es ein Dieb ist, aus dem wir
       einen Imam machen können! Er darf aber nichts über Religion wissen. Wenn
       wir diesen Mann bezahlen, dann soll er machen, was wir wollen.“ Seine
       Lakaien nicken, während Abu Bakr al-Baghdadi nervös hin und her geht.
       
       „Wir brauchen jemanden mit einer dunklen Vergangenheit, den wir erpressen
       können“, fügt einer seiner Männer hinzu. Er trägt eine dunkelgrüne Uniform
       der Baath-Partei, dem einstigen Macht- und Kontrollinstrument des
       irakischen Diktators Saddam Hussein gegen sein eigenes Volk. Der andere,
       ein kleinwüchsiger Choleriker, fällt ihm ins Wort: „Wir sind Daisch, wir
       bringen die Menschen einfach um!“ Daisch ist das arabische Kürzel für den
       „Islamischen Staat“ IS. Die Terroristen finden schließlich einen
       Kriminellen, den sie als neuen Imam präsentieren.
       
       In der [1][//www.youtube.com/watch?v=yrnMyvHSGXE:Comedyserie „Dawlat
       al-Khurafa“ – „Staat der Mythen“] – wird der IS in 27 Folgen zwischen
       stumpfer Dümmlichkeit, fehlgeleiteter Paranoia und schlichter Inkonsistenz
       veralbert. „Der IS glaubt, Klimaanlagen, Eis und Haarschnitte seien
       verboten. Wir wollen den IS lächerlich machen, denn das ist er – die Serie
       ist unsere Form von Widerstand“, sagt Regisseur Ali Qasim.
       
       ## Es gibt zahlreiche Verhöhnungen
       
       Die Frage, ob man mit dem Entsetzlichen Scherze treiben darf, stellt sich
       in der arabischen Welt nicht. Es gibt zahlreiche Verhöhnungen, so haben
       etwa Schauspieler aus dem palästinensischen Ramallah ein Propagandavideo
       des IS persifliert, und im syrischen Damaskus gibt es eine Youtube-Serie,
       in der IS-Kämpfer in einer Talentshow bestehen müssen. Die irakische Comedy
       ist die erste Fernsehserie zu diesem Thema.
       
       „Staat der Mythen“ spielt in einem kleinen, namenlosen Dorf, welches vom IS
       besetzt wurde. Hauptcharaktere sind der liberale Dorfimam, der
       Bürgermeister und dessen Familie, die sich allesamt gegen die Terroristen
       stellen. Zwar sind Kulissen, Dialoge und Figuren simpel gehalten, dennoch
       ist die Satire stellenweise zum Schreien komisch.
       
       ## „Aber wir können dich retten, indem wir dir einen Job anbieten“
       
       Etwa als Baghdadi einem Betrunkenen erklärt, dass man ihn ermorden müsste,
       weil der Islam Alkohol verbiete. „Aber wir können dich retten, indem wir
       dir einen Job anbieten“, so der selbst ernannte Kalif gönnerhaft, der
       hinter seinem gold-lila-farbenen Thron heimlich trinkt. Oder als die
       Islamisten in einem Flugzeug sitzen und die Stewardess sie auffordert, die
       Gurte nicht zu sehr festzuzurren: „Sie tragen alle Sprengstoffgürtel, bitte
       seien Sie vorsichtig.“ Pikiert, weil eine Frau sie ermahnt, gründet der IS
       daraufhin eine eigene Airline.
       
       Produziert wurde die Comedy in Bagdad und im September vollständig im
       irakischen Staatsfernsehen Al Iraqiyya TV gesendet. Auf Youtube wurden die
       Folgen teilweise hunderttausendfach geklickt – leider sind sie nur auf
       Irakisch-Arabisch zu sehen, ohne englische oder hocharabische Untertitel.
       Aus Furcht vor Fundamentalisten wollten einige Akteure nicht im Abspann
       erwähnt werden. Auch der Schauspieler, der Baghdadi darstellt, will anonym
       bleiben. Anders Oday Abdul Satar, der den kleinwüchsigen Lakaien spielt:
       „Ich bestand darauf, genannt zu werden. Denn ich will an der Bekämpfung des
       IS teilnehmen.“
       
       ## Selbst Satire kennt Grenzen
       
       Doch die Freiheit, über den Schrecken zu lachen, hat auch ihre Grenzen. Im
       ersten Serienvorspann begrüßten ein US-Cowboy, die Frau des Emirs von
       Katar, eine Frau mit einem an einer Halskette hängenden Davidstern und der
       Teufel den aus einem Ei schlüpfenden Baghdadi. „Wir werden ihn nähren, wir
       werden ihm Waffen geben“, singt die Gruppe und tänzelt um den Neugeborenen
       herum. Nach Beschwerden aus dem Golfstaat, aus den USA und der irakischen
       Regierung, so heißt es, wurde das Intro aus dem Programm genommen. „Die
       Beziehung zu den Golfstaaten haben sich in den letzten Zeiten gebessert.
       Wir wollen dies nicht in irgendeiner Weise negativ beeinflussen“, sagte
       Thaer al-Hasnawi, ein Autor der Serie – wahrscheinlich die diplomatische
       Formulierung dafür, dass man Druck bekommen hat.
       
       Vor allem die eingebauten Seitenhiebe heben „Staat der Mythen“ über bloßes
       Amüsement hinaus. So findet in Folge 26 die Fußball-Weltmeisterschaft in
       Katar statt, das Team IS schafft es ins Finale. Auf den schwarzen Trikots
       der Terroristen steht die Zahl derer, die sie ermordet haben. Sie spielen
       gegen ein Team, das mit weißen Trikots die internationale Gemeinschaft
       symbolisiert. Die Milizen rennen mit blutigen Krummdolchen über den Platz,
       Baghdadi sitzt angespannt am Spielfeldrand. Der IS gewinnt, indem er den
       Sohn des Schiedsrichters kidnappt und einige Spieler umbringt. „Der Pokal
       ist voll mit dem Blut Unschuldiger und mit den Tränen von Müttern, die ihre
       Kinder verloren haben“, so die Sportkommentatoren im Stadion.
       
       Während der IS in der Realität weite Teile des Irak und Syriens eingenommen
       hat, kann er in der Serie aufgehalten werden. Die Dorfgemeinschaft nimmt
       Baghdadi gefangen, seine Lakaien versuchen zu fliehen, auch der Betrunkene
       tritt aus dem IS aus. Als der Topterrorist auf dem Boden vor der Gemeinde
       kniet, fragen die Bewohner den Imam, ob sie ihm den Kopf abhacken sollen.
       Der Geistliche antwortet: „Nein, wir sind nicht wie Daisch, wir bringen
       niemanden um.“
       
       27 Nov 2014
       
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