# taz.de -- Kolumne Öko: Grün ist aus der Mode
       
       > In Frankreich dienen die Grünen als Sündenböcke für alles, was den
       > Bürgern das Leben versauert. Die „Le Monde“ spricht von „Ecolo-Bashing“.
       
 (IMG) Bild: Die wahre „Plage“ von Paris: der Verkehr
       
       „Paris Plage“ ist eine große Attraktion der französischen Hauptstadt, wenn
       sich im Sommer die Ufer der Seine in einen Strand, also „la plage“,
       verwandeln. Die wirkliche Plage von Paris ist aber der Autoverkehr. Und so
       bin ich für Fahrverbote und Radwege, um das Gewühl zu entzerren.
       
       Aber es ist absurd, dass ich eine halbe Stunde im Quartier herumkurve, bis
       ich einen Parkplatz finde. Der Parkraum ist so knapp geworden, weil die
       Pariser Grünen den Autofahrer auf diese Weise zwingen wollen, auf sein
       Fahrzeug zu verzichten.
       
       Muss ich mir von den Umweltschützern meinen Anteil zum Klimaschutz
       vorschreiben lassen? Immer mehr Franzosen antworten da „Non!“ und nehmen
       sich die Ökos zur Brust. Und so hat die Zeitung Le Monde diesen neuen Trend
       „Ecolo-Bashing“ getauft.
       
       Gemeint ist damit eine vernichtende, oft sexistisch unter die Gürtellinie
       zielende Kritik an der Partei der Grünen (Europe-Ecologie-les-Verts, EELV).
       Sie sind die neuen Sündenböcke für alles, was uns Bürgern das Leben
       versauert: Bestimmungen, Normen, Regeln, Verbote.
       
       ## „Schmuddelkinder der Politik"
       
       Zu schimpfen gibt es immer etwas. Und während ihre deutschen Parteifreunde
       bald in acht Landesregierungen sitzen und sich gerade nach der Pleite mit
       dem Veggie-Day im letzten Jahr das Verbieten verbieten, werden die
       französischen Grünen in den Medien und in Online-Kommentaren als
       Schmuddelkinder der Politik behandelt.
       
       Das Schlimmste daran: Die Grünen sind weitgehend selber schuld. Seit ihrem
       Austritt aus dem Kabinett von Manuel Valls stehen sie mit einem Fuß
       halbwegs im Regierungslager, mit dem anderen halb in der Opposition -- und
       mit beiden im Abseits. Sie machen es ihren Gegnern leicht. Bei aller
       Sympathie: ich weiß nicht mehr, was sie erreichen wollen. Und mit wem.
       
       Das Grünen-Bashing hat bedenkliche Kollateralschäden: Mit Les Verts im
       selben Boot sitzen nämlichalle Natur- und Umweltschützer, die wichtige
       Anliegen verteidigen. Schon hat der konservative Ex-Minister Claude
       Allègre, selbst unbelehrbarer Leugner des Klimawandels, das Schlagwort von
       der „Ökologie ohne Grüne“ geprägt, um am besten die ganze Bewegung zu
       beerdigen.
       
       ## „Grüne Dschihadisten“
       
       Hängten sich noch vor wenigen Jahren sämtliche Politiker, sogar
       Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, ein grünes Mäntelchen um, wird heute alles,
       was nach „Ökologie“ klingt, als lästiger Störfaktor betrachtet. Wirklich
       beliebt waren grüne Ideen ja nie in diesem Land, wo die Kommunisten und die
       CGT-Gewerkschaft stets zu den eifrigsten Befürworter der Atomenergie
       gehörten.
       
       Dabei ist es durchaus eine Ehre, von der mächtigen Großbauern- und
       Agrobusiness-Lobby FNSEA als „grüne Dschihadisten“ oder „grüne Khmers“
       verleumdet zu werden. Die Kluft zwischen politischen Umweltschützern und
       den Interessen der intensiven Landwirtschaft ist alt und unüberbrückbar.
       Auch der Abschied vom Atomstaat und das Verbot von Fracking sind grüne
       Markenzeichen. Sie verärgern eine Menge Leute, sind aber für EELV nicht
       verhandelbar.
       
       Dachte ich jedenfalls. Aber dann traten die Grünen unter Präsident Hollande
       2012 als Juniorpartner in die Regierung ein. Die Sehnsucht nach zwei oder
       vielleicht mehr Ministerposten war größer als die Skrupel, wesentliche
       Abstriche vom Programm zu machen. In der naiven Meinung, die
       Regierungsmacht mit den Sozialisten teilen zu können, akzeptierte die
       EELV-Führung faule Kompromisse in der Umweltpolitik, so zum Beispiel, bis
       2017 nur einen einzigen Reaktor stillzulegen - wenn überhaupt.
       
       ## Kritik von außen
       
       Als aber die Volksgunst kippte und Präsident François Hollande zunehmend
       unpopulär wurde, verließen die beiden Grünen die Regierung, um deren
       Politik von außen zu kritisieren - als ob sie mit diesem Kurs selber nicht
       das Geringste zu tun gehabt hätten.
       
       Das war billig und hat die Grünen viel gekostet. Und wenn jetzt die frühere
       Ministerin und Parteichefin Cécile Duflot mit Unschuldsmiene mit Hollande
       und Ministerpräsident Valls in einem Buch abrechnet - und selbst bereits
       auf eine Präsidentschaftskandidatur 2017 spekuliert - wundert es nicht,
       dass „Ecolo-Bashing“ zum neuen Zeitvertreib der Franzosen geworden ist.
       
       28 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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