# taz.de -- Ski Alpin: All American Girl
       
       > Lindsay Vonn kehrt in Lake Louise zurück in den Skizirkus. Dort wird die
       > US-Amerikanerin dringend gebraucht – aus Marketinggründen.
       
 (IMG) Bild: Sie hat 525.000 Kalorien im Training verbraucht und 1.300 Liter Schweiß vergossen: Lindsay Vonn gibt ihr Comeback.
       
       Die frohe Kunde wurde im „Ö3-Wecker“ verlautbart. In der Morgensendung des
       österreichischen Rundfunks gab Lindsey Vonn Entwarnung. Schmerzfrei sei
       sie, fühle sich stark und auf schneebedeckten Hängen so schnell wie lange
       nicht mehr. „Sie freut sich einfach, wieder mit einer Startnummer eine
       Skipiste hinunterzusausen“, fasste ihr Schweizer Trainer Stefan Abplanalp
       zusammen.
       
       Es ist lange her, dass Lindsey Vonn mit einer Startnummer eine Skipiste
       hinuntersausen konnte. Vor fast genau einem Jahr war das und endete
       tragisch. Vonn hatte sich das Kreuzband gerissen, verpasste die Olympischen
       Spiele in Sotschi. Es war die zweite Kreuzband-OP innerhalb von nicht
       einmal zehn Monaten.
       
       Bei der Weltmeisterschaft in Schladming im Februar 2013 war sie schwer
       gestürzt. Es waren keine schönen Bilder, die in die Wohnstuben gesendet
       wurden, Vonn hatte sich Kreuz- und Innenband, Meniskus und Schienbeinkopf
       des rechten Knies demoliert. Seitdem fehlte dem Skizirkus das globale
       Aushängeschild, sein bekanntestes Gesicht, die scheinbar jederzeit
       lächelnde Strahlefrau.
       
       Jetzt kehrt Vonn zu den anstehenden Weltcup-Rennen in Lake Louise zurück.
       Vor den ersten Speedrennen der Saison am Freitag, vor der Abfahrt (20.15
       Uhr, Eurosport), wurde Vonn am Mittwoch mit 1,62 Sekunden Rückstand auf die
       erstplatzierte Slowenin Tina Maze Achte; am Vortag hatte sie im ersten
       Training Rang 18 belegt. 30 Jahre ist sie mittlerweile, ihr bislang letzter
       Weltcup-Sieg ist 22 Monate her, und im eigenen Land ist ihr in Mikaela
       Shiffrin große Konkurrenz um die Gunst des Publikums erwachsen.
       
       Aber immerhin in Österreich wollen sie noch sehr dringend wissen, wie es
       Vonn geht. Dort leiden sie zwar nicht eben unter einem Mangel an schnellen
       Skiläuferinnen, aber auch von denen strahlt keine, weder Anna Fenninger aus
       Adnet im Salzburger Land noch Kathrin Zettel aus Göstling an der Ybbs, den
       Glanz von Lindsey Vonn aus St. Paul, Minnesota, aus.
       
       Auch in New York oder Los Angeles ist das Interesse an Lindsey Vonn groß.
       Dort sorgt man sich allerdings weniger um Trainingszeiten oder Kraftwerte.
       Spekuliert wird nicht so sehr, ob das zweimal operierte Knie, das Vonn bei
       Rennen mit einer Bandage zu schützen versucht, halten wird, sondern eher
       über den Zustand ihrer Liebesbeziehung. Während im österreichischen
       Frühstücksradio die sportlichen Aussichten diskutiert werden, berichten die
       US-amerikanische Medien lieber, wie sich Vonn und Tiger Woods gegenseitig
       bei ihren jeweiligen Reha-Maßnahmen motiviert haben. Das Glitzer-Paar des
       US-Sports kehrt – zufällig oder nicht – zeitgleich auf die Bühne zurück.
       
       ## Geteiltes Leid
       
       Während Vonn in Lake Louise ihre ersten Rennen fahren wird, spielt der
       38-jährige Golfstar nach acht Monaten Pause bei seinem eigenen
       Wohltätigkeitsturnier in Orlando. Die letzten Monate, so berichtete Vonn in
       einem Interview mit CNN, habe man sich beim Training gegenseitig
       angetrieben. Nebenbei stellte sie dem Fernsehsender ihren neuen Hund vor:
       Leo wurde von Vonn nach einem Unfall, bei dem sein linkes Hinterbein
       lädiert wurde, aus dem Tierheim heraus adoptiert. Gemeinsames Leid
       verbindet. So ganz ist nicht klar, ob Lindsay Vonn ein Opfer der Medien ist
       oder geschickt mit ihnen spielt.
       
       Tatsache ist, dass keine Skirennläuferin jemals solch eine mediale Wirkung
       entfalten und solch einen weltweiten Bekanntheitsgrad erreichen konnte.
       Dazu trug neben dem Olympiagold von Vancouver 2010, den fünf WM-Medaillen
       und den vielen anderen Siegen aber vor allem bei, dass Vonn kaum eine Gala,
       eine Party, einen Fototermin oder eine Fashion Week ausließ. Dort hat sie
       das Bild eines ehrgeizigen, hart trainierenden, aber trotzdem jederzeit
       lockeren All American Girls geformt, das kaum ein Interview verstreichen
       lässt, ohne die Formulierung „have fun“ zu gebrauchen.
       
       Diesem Image tat auch keinen Abbruch, dass sie vor zwei Jahren dem
       auflagenstärksten US-Boulevard-Magazin People Depressionen gestand. Auch
       ihre Freundschaft und das anschließende Zerwürfnis mit der ehemaligen
       deutschen Vorfahrerin Maria Riesch ließ sich ebenso ausschlachten wie die
       Beziehung zu Woods. Im Hochglanzmagazin, das ihr Sponsor, eine
       österreichischer Energydrinkhersteller, herausgibt, spricht sie von sich
       als „Marke“, deren Bekanntheit und Wert es zu steigern gelte. Dazu ist sie
       in den vergangenen Monaten, glaubt man den Zahlen ihres eigenen
       Pressebulletins, 6.500 Kilometer mit dem Rad gefahren, hat bei 12.000
       Kniebeugen 1.560 Tonnen gestemmt, insgesamt 525.000 Kalorien im Training
       verbraucht und 1.300 Liter Schweiß vergossen.
       
       Trotz aller Anstrengungen gehört der 19-jährigen Shiffrin die Zukunft. Ein
       Teil der Presse versucht bereits, einen medial verwertbaren „Zickenkrieg“
       zwischen der Altmeisterin und dem Nachwuchsstar herbeizuschreiben. Vonn
       aber hat nun Monate hart darauf hingearbeitet, sich zumindest einen Teil
       der Gegenwart sichern zu können. Zwar hat sie nach den letzten
       Enttäuschungen beschlossen, nicht wie ursprünglich geplant nach der Heim-WM
       aufzuhören, sondern bis zu den Spielen 2018 in Pyeongchang weiterzumachen.
       Aber es gibt andere Ziele. Nur noch drei Weltcup-Siege fehlen ihr, um die
       scheinbar ewige Bestmarke von Annemarie Moser-Pröll zu erreichen. Die
       österreichische Sportlerin des Jahrhunderts gewann in den Siebzigerjahren
       62 Rennen. Lake Louise könnte ein guter Ort sein, die wenigen fehlenden
       Erfolge einzufahren: Dort, vor ihrer Haustür, hat Vonn allein 14 Rennen
       gewonnen. Und Rekorde, das sagt sie selbst, seien das einzige, was von
       einem Sportler bleibt. In den statistikverrückten USA sind sie tatsächlich
       mehr wert als in Europa. In Vonns Heimat glaubt man fest daran, dass sich
       die Größe einer Sportlerkarriere in Zahlen messen lassen sollte. Doch ob
       Vonn in der Verfassung sein wird, solche Siege einzufahren, bleibt
       abzuwarten
       
       Trotzdem wird ihre Rückkehr von den Verantwortlichen des US-amerikanischen
       Skiverbands sehnlichst erwartet. Schließlich steigt die größte Party dieses
       Alpin-Winters in den USA. Im Februar bei den Weltmeisterschaften in Beaver
       Creek und Vail wird Vonn dringend gebraucht: Wenn schon nicht als
       Medaillengarant, dann doch als Marketingfigur und Stimmungskanone. Keine
       Party ohne Partygirl.
       
       Aber so wie die WM Vonn braucht, so braucht auch Vonn die WM. „Die WM ist
       bei uns zu Hause, das hat mich weitermachen lassen“, hat die
       Doppel-Weltmeisterin von Val d’Isère 2009 bei der Mannschaftsvorstellung
       der Amerikaner im November in Copper Mountain gesagt. Nach der großen
       Enttäuschung, Sotschi verpasst zu haben, sei die WM nun, so Vonn, „mein
       Olympia“. Dort, vor feiernden Freunden und Familie, soll noch einmal ein
       großer Coup gelingen. „Ich hoffe, dass ich für das Heimpublikum etwas aus
       dem Hut zaubern kann.“
       
       5 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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