# taz.de -- Klimawandel und sintflutartiger Regen: Nicht nur nasse Füße
       
       > Die Erderwärmung heizt nicht nur die Meere auf, sondern sie könnte auch
       > die Entstehung von Extremwetterlagen begünstigen.
       
 (IMG) Bild: Hochwasser nach extrem starken Regengüssen im italienischen Parma.
       
       BERLIN taz | Die Herbst- und Winterzeit ist Regenzeit am Mittelmeer. In den
       vom Sommer ausgetrockneten Regionen ist Regen meist willkommen. Aber wenn
       es zu viel wird – was regelmäßig vorkommt –, kann das zu Katastrophen
       führen, weil vielerorts Böden erodiert, Wälder abgeholzt und Flusstäler
       verbaut sind. In diesem Jahr hat es extrem geschüttet. Ist dafür auch die
       Erderwärmung verantwortlich? Ein Forscherteam des staatlichen Deutschen
       Wetterdienstes (DWD) hat sich nun in einer Kurzanalyse dieser Frage
       gewidmet.
       
       Zunächst die Fakten: Das Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie hat bei
       der Verteilung des Regens über Europa im November 2014 erhebliche
       Abweichungen gegenüber den saisonal üblichen Werten festgestellt. Während
       es in Teilen Ostdeutschlands, Weißrusslands, der Ukraine und Russlands im
       November weniger als 10 Liter pro Quadratmeter gab, sind in Marokko,
       Spanien, Südfrankreich und Norditalien regional Monatsniederschläge von 300
       bis über 700 Liter pro Quadratmeter zusammengekommen.
       
       Zum Vergleich: In Berlin fallen in einem ganzen Jahr durchschnittlich 580
       Liter. In Teilen Südfrankreichs und Norditaliens gab es im November das
       Fünf- bis Siebenfache des Üblichen. Im marokkanischen Agadir fiel sogar das
       13-fache des Monatssolls.
       
       Besonders katastrophal waren die Auswirkungen in Marokko, wo Ende November
       mindestens 32 Menschen starben. Auch in Italien und Frankreich kamen
       Menschen um.
       
       Ursache für die Unwetter war eine ungewöhnlich lang anhaltende
       Großwetterlage mit Tiefdruckgebieten über Südwesteuropa und einem Hoch über
       Osteuropa. Zudem waren die Meere sehr warm. Vor Genua war das Mittelmeer
       mit 20 bis 22 Grad 4 Grad wärmer als normal.
       
       ## Aufsteigende Feuchtigkeit
       
       Ein warmes Meer verursacht aber noch keine Unwetter; schließlich regnet es
       während der heißen Sommer im Mittelmeergebiet kaum. Niederschläge entstehen
       erst im Herbst, wenn Tiefdruckgebiete kalte Luftmassen aus dem Norden
       bringen. Diese Luft nimmt über dem Meer Wärme und Feuchtigkeit auf, steigt
       auf, sodass durch Kondensation in hohen, relativ kalten Luftschichten
       Niederschläge entstehen. Je wärmer also das Wasser und je länger die die
       Niederschlagsbildung begünstigende Wetterlage andauern, umso mehr regnet
       es.
       
       Welchen Einfluss hat der Klimawandel darauf? „Die Verknüpfung von
       Einzelereignissen mit dem Klimawandel ist nicht möglich“, so die
       DWD-Forscher. Die hohen Meeresoberflächentemperaturen trügen jedoch „ganz
       wesentlich“ zur Verstärkung sämtlicher niederschlagsbildender Prozesse bei.
       Und der Zusammenhang zwischen wärmeren Meeren und dem Klimawandel gelte als
       evident.
       
       Fraglich ist, ob der Klimawandel auch dazu führt, dass Tiefdruckgebiete
       quasi stehen bleiben. Für diese erhöhte Stationarität gibt es zwei
       Hypothesen. Die erste: Durch den Klimawandel verkleinert sich die mittlere
       Wellenzahl der planetaren Wellen im zirkumpolaren Westwindgürtel. Dadurch
       kommt es häufiger zu niedrigeren Wellenzahlen, sodass sich große und damit
       eher stationäre Wellen bilden, in denen Tiefs eingelagert sind.
       
       ## Kraftloser Jetstream
       
       Die zweite Hypothese: Die Erderwärmung findet vor allem in der Arktis
       statt, sodass sich die Temperaturdifferenz zwischen Arktis und Tropen
       verringert. Damit verliert der Jetstream an Kraft. Dieser Höhenwind steuert
       die West-Ost-Verlagerung der Tiefdruckgebiete. Schwächt er sich ab,
       verbleiben die Tiefs länger an einem Ort.
       
       Beide Hypothesen sind nach Ansicht der DWD-Forscher angreifbar. Bei der
       ersten könne der Zusammenhang zur globalen Erwärmung nicht stringent
       dargestellt werden. Im Gegenteil setze eine starke Auslenkung der
       planetaren Welle eher eine stärkere Anströmung der auslösenden Rocky
       Mountains aus dem Pazifik voraus. Diese Anströmung unterliege aber den
       Wassertemperaturen im Pazifik, deren Schwankungen eine natürliche
       Klimavariabilität darstellten.
       
       Die zweite Hypothese sei stärker. Sie beinhalte aber die Annahme, dass sich
       die Frontalzone in den mittleren Breiten abschwäche. Dies stehe aber im
       Widerspruch zu einer bisher recht akzeptierten Hypothese, dass der
       Klimawandel eher zu einer Verschärfung der Frontalzone führe. Gleichwohl
       müsse die Rolle des Klimawandels an der erhöhten Stationarität der
       Witterungsabläufe in Europa geklärt werden. Viel Forschungsbedarf also.
       
       19 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Richard Rother
       
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