# taz.de -- Vorschau Vierschanzentournee: Ein Freund für alle Fälle
       
       > Severin Freund könnte die Vierschanzentournee gewinnen. Allerdings gibt
       > es 2014/15 so viele Mitfavoriten wie selten. Dafür aber keinen
       > Topfavoriten.
       
 (IMG) Bild: Flotter Flug: Severin Freund am 6.12. in Lilllehamer.
       
       Und da ist sie wieder, die Frage nach den Favoriten für den Gesamtsieg der
       Vierschanzentournee. Severin Freund richtet sich auf, sein Blick richtet
       sich auf einen entfernten Punkt, dann sagt er: „Derzeit weiß keiner, wer
       die Tournee gewinnt. Aber ich gehöre zu denen, die es können.“ Das ist eine
       Ansage. „Ich gehöre zu denen, die heuer schon gewonnen haben.“ In Nischni
       Tagil war das. Ansonsten hat er sich, mit Ausnahme des Saisonauftaktes in
       Klingenthal, unter den besten Zehn platzieren können. Im Weltcup liegt er,
       49 Punkte hinter dem führenden Anders Fannemel, auf Platz vier.
       
       Vielleicht wäre es korrekter, wenn man den Zeitraum auf Monate ausdehnt. Im
       Februar war Freund in Sotschi mit seinen Kollegen Marinus Kraus, Andreas
       Wank und Andreas Wellinger Team-Olympiasieger geworden, einen Monat später
       gewann er in Harrachov die Skiflug-WM. Solche Erfolge steigern das
       Selbstbewusstsein, geben Sicherheit.
       
       Es ist aber auch die Erfahrung, die Severin Freund gelassener an diese
       Tournee mit den vier Springen herangehen lassen. Denn der Athlet, der für
       den WSV Rastbüchl startet, gehörte auch in den vergangenen Jahren zum
       erweiterten Kreis der Favoriten – und konnte dies nicht bestätigen. Der
       siebte Platz bei der Austragung vor drei Jahren ist sein bestes Ergebnis.
       
       Severin Freund weiß ganz genau, was er zu leisten imstande ist. „Ich muss
       an keinen Rädchen drehen“, sagt er. „Es“, also der Erfolg, müsse zu ihm
       kommen. „Du kannst so etwas nicht aktiv steuern.“ Er setzt auf den Flow.
       Oder wie Bundestrainer Werner Schuster es ausdrückt: „Du brauchst schon ein
       bisserl Momentum auf deiner Seite.“
       
       ## Hexenkessel Innsbruck
       
       Was dies ausmachen kann, hat vor einem Jahr Thomas Diethart erlebt. Der bis
       dahin unbekannte Österreicher startete mit einem dritten Platz in
       Oberstdorf, gewann überraschend das Neujahrsspringen in Garmisch, überstand
       als Fünfter den Hexenkessel Bergiselstadion in Innsbruck. Und nach dem
       Erfolg im Abschlussspringen in Bischofshofen war er dann Gesamtsieger. „Der
       kam einfach, hat sich nichts gedacht und wahrscheinlich selber nicht
       gewusst, was passiert“, erklärt Norwegens Cheftrainer Alexander Stöckl, der
       mit Diethart in der Jugend gearbeitet hat.
       
       Sicherheit gibt dem Frontmann der deutschen Skispringer natürlich auch das
       Wissen, in Bundestrainer Schuster einen Experten und akribischen Arbeiter
       hinter sich zu haben. „Manchmal entscheiden Kleinigkeiten“, sagt der Coach,
       „kleine Rädchen, an denen man drehen kann.“ Schon im Sommer hat er deshalb
       an den Winter gedacht. Die Schattenbergschanze in Oberstdorf und die
       Olympiaschanze in Garmisch sind zwei Bakken mit völlig unterschiedlichem
       Charakter. Die schnelle Umstellung ist nicht einfach. Also wurde im Sommer
       der Wechsel trainiert.
       
       Doch es sind mehr als nur die sportlichen Dinge, die Schuster ein wenig
       verändert hat. Die Anreise erfolgte früher als die Jahre davor. „Wir wollen
       schon am Vortag alle Vorbereitungen abgeschlossen haben.“ Weil auch das
       Medienaufkommen größer ist als normal, hat Schuster die sonst übliche
       Pressekonferenz in Oberstdorf erstmals abgesagt. Dabei ist es bei den
       Skispringern gar nicht so schlimm mit der Presse: „Wenn wir davon reden,
       dass wir bei der Tournee einen wahnsinnigen Trubel haben“, sagt er, „dann
       ist das beim Fußball ein Auflauf wie nach einem schlechten Mittwochspiel.“
       
       ## Keine Überflieger
       
       Das Besondere am Verlauf dieser Saison ist, dass sie noch keinen
       Überflieger herausgebracht hat. So gibt es viele Favoriten. „Ich rechne mit
       acht Springern“, sagt Österreichs neuer Trainer Heinz Kuttin. Neben seinen
       Springern Schlierenzauer und Hayböck zählt er auch Fannemel, Koudelka
       (Tschechien), den Schweizer Simon Ammann, Peter Prevc (Slowenien) und die
       Deutschen Freund und Freitag dazu. „Das wird eine sehr interessante
       Tournee.“
       
       Dafür sorgen auch Österreichs Springer, die die vergangenen sechs Jahre den
       Gesamtsieger gestellt haben. „Sie sind nicht mehr da, wo sie mal waren“,
       glaubt Severin Freund. Hayböck möchte nicht widersprechen. „Zum
       Favoritenkreis würde ich in erster Linie Severin Freund zählen“, sagt er.
       Der ist auf alle Fälle bereit.
       
       26 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Eckhard Jost
       
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