# taz.de -- Start der Vierschanzentournee: Freiheiten für Flieger
       
       > Bis zu zehn Springer gehen bei der Tournee mit Siegchancen an den Start.
       > Neue Materialvorgaben erhöhen auch die Chancen für kleine Nationen.
       
 (IMG) Bild: Einer von vielen Favoriten: Roman Koudelka bei der Qualifikation in Oberstdorf.
       
       OBERSTDORF taz | Roman Koudelka, Noriaki Kasai, Peter Prevc, Simon Ammann,
       Gregor Schlierenzauer, Michael Hayböck, Anders Fannemel, Severin Freund –
       die Liste der Favoriten auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee ist
       lang. So lang wie schon lange nicht mehr. „Es gibt zehn Springer, die
       gewinnen können“, sagt der Tscheche Koudelka. Er selbst ragt zwar mit
       bislang drei Siegen in der laufenden Saison ein wenig heraus. Trotzdem sagt
       auch Österreichs Cheftrainer Heinz Kuttin: „Es wird eine sehr interessante
       Tournee.“
       
       Tatsächlich: Vor dem ersten Springen in Oberstdorf (am Sonntag erst nach
       Redaktionsschluss beendet) lässt sich kein klarer Favorit beim
       alljährlichen Saisonhöhepunkt der Skispringer ausmachen. Auch im Weltcup
       geht es bislang denkbar ausgeglichen zu. Bei den neun Springen in dieser
       Saison durften sich sieben Athleten als Sieger feiern lassen.
       
       „Ich bin zufrieden“, sagt Walter Hofer, der Renndirektor des
       internationalen Skiverbandes (FIS), mit Blick auf die neue
       Ausgeglichenheit. Diese Situation, so Alexander Stöckl, Cheftrainer der
       Norweger, sei mit Ansage herbeigeführt worden: „Die FIS hat sehr gut
       gearbeitet und es geschafft, dass mehr Nationen Topleistungen bringen
       können. Und das mit einem finanziell erträglichen Aufwand.“
       
       Dafür waren gewaltige Einschnitte nötig. „Wir haben bewusst die Phalanx der
       großen fünf durchbrochen.“ Damit meint Stöckl die führenden
       Skisprungnationen Deutschland, Österreich, Norwegen, Finnland und Japan.
       Diese Länder beherbergen nicht nur die Firmen, die Sprungski und -anzüge
       herstellen, sondern verfügen auch über eine intensive
       sportwissenschaftliche Unterstützung.
       
       ## Verlangsamte Entwicklung
       
       Zunächst wurden die Freiheiten beim Material weiter beschnitten und
       präzisiert. Die Auswirkungen beschreibt Werner Schuster: „Die Entwicklung
       auf dem Materialsektor hat sich ein wenig verlangsamt. Es geht auch darum,
       dass alle alles springen zu können“, sagt der deutsche Bundestrainer. Und
       Stöckl, sein Kollege bei den Norwegern, sagt, was zunächst banal klingt:
       „Ein Sprunganzug ist ein Sprunganzug.“ Weil aber alle in eine Richtung
       arbeiten würden, fallen die Unterschiede geringer aus.
       
       Gleichzeitig steigt die Bedeutung des Springers und dessen Vermögens, die
       physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu seinen Gunsten auszunutzen. „Eigentlich
       ist man seine gesamte Karriere auf der Suche nach dem perfekten Sprung“,
       sagt der Österreicher Michael Hayböck, „es entwickelt sich alles weiter,
       auch weil es immer wieder neue Regeln für Ski, Anzüge oder Bindung gibt.“
       
       Mittlerweile werden alle Veränderungen schon im Vorfeld in der Theorie
       ausgetestet. Weil vor dieser Saison das Stoffmaterial etwas stärker
       geworden ist, dürfen die Anzüge etwas weiter geschnitten sein, drei statt
       zwei Zentimeter mehr Umfang als der Körper. Dadurch ist die
       Anlaufgeschwindigkeit ein wenig gesunken und die Absprungkraft der Athleten
       wichtiger geworden. Andererseits können die Springer, wenn die Bedingungen
       passen, wieder leichter ins Fliegen kommen. „Wenn einer einen richtig guten
       Sprung macht“, erläutert Schuster, „kann er sich auch mal ein bisschen
       absetzen.“
       
       Punkt zwei im Chancengleichheitsprogramm der FIS war die Reduzierung der
       Springer pro Nation. Sechs dürfen es im Weltcup maximal pro Land sein,
       Ausnahmen gibt es für die Gastgeber der Vierschanzentournee. Renndirektor
       Hofer rechnet trotzdem vor: „Bei unserem Starterfeld mit 50 Springern sind
       dies mindestens 15 Nationen.“
       
       Trotz aller Anstrengungen der FIS hat in den letzten sechs Jahren am Ende
       immer ein Österreicher bei der Tournee triumphiert. Wolfgang Loitzl,
       Andreas Kofler, Thomas Morgenstern, zweimal Gregor Schlierenzauer. Und im
       vergangenen Jahr überraschend Thomas Diethart.
       
       In Erinnerung an dessen Coup sagt Simon Ammann: „Jede Tournee schreibt ihre
       eigene Geschichte. Wahrscheinlich wird am Ende in Bischofshofen etwas
       anderes rauskommen, wie wir vor dem Start in Oberstdorf denken.“ Der
       zweimalige Doppel-Olympiasieger aus der Schweiz, dem der Tourneesieg noch
       fehlt, behält sich ein „Quäntchen Optimismus“. Das kann er auch: Ammann
       gehört schließlich zu den vielen Favoriten dieser Vierschanzentournee.
       
       28 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Eckhard Jost
       
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