# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Der Schrei nach Glück
       
       > Muss es immer gleich das Glück sein oder reicht uns beim Reisen schon der
       > Tapetenwechsel? Der Tourismus ist die weltweit wachsende Glücksökonomie.
       
 (IMG) Bild: Das Glücksschwein im Glücksklee.
       
       Ein rosa Marzipanschwein hat mir mein Freund Hans zu Neujahr geschenkt.
       Süß! Viel Glück und guter Rutsch stand in Schokoladenschrift darauf. Dabei
       mag ich kein Marzipan und dem Glück gegenüber bin ich ohnehin misstrauisch.
       
       Wenn ich glücklicherweise im Lotto gewonnen hätte, sähe ich das als
       millionstel Promill Zufall. Wenn ich mit 2,0 Promille an der
       Polizeikontrolle durchgewinkt werde, ja, dann habe ich wirklich Schwein
       gehabt. Aber Glück? Ich finde Glück, dieser sprunghaft schöne Zustand, wird
       völlig überschätzt und vor allem funktionalisiert.
       
       Dabei haben das Glücksversprechen und die Suche nach dem Glück
       Hochkonjunktur. Glücksformeln und Glücksbücher sollen uns helfen, ein
       glückliches Leben zu führen. Die Titel der Ratgeberliteratur strotzen vor
       Glück in der Annahme, ein jeder Mensch habe die Möglichkeit, in dieser Welt
       glücklich zu werden, sofern er sich nur für das Glück entscheide und sein
       Leben entsprechend einrichte. Selbsternannte Glückspaternalisten geben dort
       ihre Beglückungsvorschläge zum Besten. Ob Glücksökonomie oder Glück in der
       Beziehung – alles nur eine Frage des richtigen Bewusstseins.
       
       Oder der richtigen Kaufentscheidung, wie beim Reisen: Im Land des Glücks!
       Glück auf in Oberschlesien! Auf der Suche nach dem Ort des ewigen Glücks im
       Himalaja! Das Glück wilder Natur! Wo das Glück zu Hause ist! – der
       organisierte Tourismus versteht sich längst als eine einzige
       Glücksökonomie.
       
       ## Das kleine Glück, unterwegs zu sein
       
       Jeder Glücksappell muss, damit er bei der Überfülle des Angebots überhaupt
       gehört wird, drastisch überhöht sein. Also geradezu ein Schrei nach Glück.
       Und dieser Glücksappell muss einfach zu verstehen sein: Gesundheit, Freude
       und Geliebtwerden zum Beispiel. Das ist das kleine Einmaleins der
       Werbemacher, die emotionale Botschaft, die das Bauchgefühl erreicht.
       
       Die Kunst besteht dann darin, das besondere Glück mit dem eigenen Produkt,
       der eigenen Destination zu verknüpfen und eine spezielle Art von Glück zu
       versprechen, die nur zu der eigenen Marke passt, und schon ist Glück
       käuflich.
       
       Aber warum reist der Mensch? Er verlässt seine gewohnte Umgebung, um etwas
       Neues und Unbekanntes zu erleben. Die Fesseln der Routine werden
       abgestreift. Lasten, Alltagssorgen und Termindruck treten in den
       Hintergrund und werden mit ein bisschen Glück durch schöne Erlebnisse,
       Freiheitsgefühl und neue Erfahrung ersetzt. Reisen ist auch ein Mittel,
       über das Leben nachzudenken und es in neue Bahnen zu lenken. Reisen schafft
       Distanz – auch zu sich selbst.
       
       Und dieses kleine Glück, unterwegs zu sein, ist schon lange kein Privileg
       der Reichen mehr. 978 Millionen Menschen sind nach Angaben der
       Welttourismusorganisation zwischen Januar und Oktober 2014 gereist. Das
       sind 45 Millionen mehr als im gleichen Zeitraum 2013. Dass sie alle das
       Glück gesucht und gefunden haben, ist eher unwahrscheinlich. Aber sie
       hatten das Glück, sich gut geschnürte Glückspakete leisten zu können.
       
       4 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
       ## TAGS
       
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