# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Lob der Handarbeit
       
       > Manuel Neuer geht als Favorit in die Wahl zum Weltfußballer des Jahres.
       > Ein Torwart? Warum denn nicht. Er selbst redet seine Chancen klein.
       
 (IMG) Bild: Gutes Auge: Manuel Neuer
       
       Der berühmt-berüchtigte Lew Iwanowitsch Jaschin aus Bogorodskoje nahm es
       nicht nur mit Fußbällen auf, er schnappte sich auch so manchen Puck. Um ein
       Haar wäre aus dem Tausendsassa kein Torhüter geworden, sondern ein
       Schachspieler, der das Erbe des Weltmeisters Michael Botwinnik hätte
       antreten wollen. Doch Jaschin wurde ein Fänger, der beste seiner Zeit.
       
       Der Sowjetbürger ist bis heute der einzige Torwart, der mit dem Ballon d’Or
       der Zeitschrift France Football ausgezeichnet wurde, was gleichbedeutend
       war mit der Wahl zu Europas Fußballer des Jahres. Jaschin hätte im Jahre
       1963 sicher auch die Wahl zum Weltfußballer gewonnen, doch die gab es
       damals noch nicht. So könnte Manuel Neuer in wenigen Tagen offiziell der
       erste Handarbeiter sein, der so einen Titel führt.
       
       1991 hat die Fifa die Ehrung zum Weltfußballer an sich gerissen und immer
       nur Zauberfüße auf den Schild gehoben: Ronaldo, Zidane und Kaká,
       Ronaldinho, Cristiano Ronaldo oder Messi. 2002 hat es der teutonische
       Strafraumhüter Oliver Kahn einmal auf Platz zwei geschafft, was damals als
       kleine Sensation galt. Heuer ist Neuer favorisiert.
       
       Darf das sein, fragt man sich, wo es doch im Fußball zu den besonderen
       Herausforderungen gehört, das grobmotorische Fußwerk so zu dressieren, dass
       aus Füßen quasi Hände werden. Dass Bälle gestreichelt und liebkost werden.
       Dass die Natur des Menschen überlistet wird. Für Manuel Neuer, 28, spricht
       sicherlich, dass er mit all seinen Extremitäten gut am Ball ist.
       
       Seinerzeit revolutionierte Jaschin seine Branche als „mitspielender“
       Torwart. Neuer schlüpft aber nicht nur in die Rolle des Liberos, er
       antizipiert Gefahrenlagen und vereitelt Großchancen wie kein anderer in der
       Bundesliga. Seine Laufduelle um den Ball mit gegnerischen Angreifern mögen
       riskant sein, aber auf diese Weise hat er das DFB-Team in so mancher
       Situation gerettet.
       
       ## Wie ein Comic-Held
       
       Während der Weltmeisterschaft bildete sich eine geradezu mythische Aura um
       den Keeper des FC Bayern München. Die gegnerischen Angreifer schienen Angst
       vor dem Torwart mit den Krakenarmen zu haben. Seine schiere Präsenz im
       Kasten verunsicherte die Stürmer. Legendär sind Neuers Rettungsaktionen im
       WM-Spiel gegen Algerien und seine magische Parade gegen Karim Benzema in
       der Partie gegen Frankreich, als Neuer seinen rechten Arm – plong! – wie
       ein Comic-Held in die Höhe riss.
       
       Für Neuer spricht auch, dass meist Spieler aus dem Weltmeisterteam die
       Trophäe mit dem goldenen Ball bekommen; nur 2010 machte die Fifa für Messi
       eine Ausnahme. Favorit sei er „sicher nicht“, sagt Neuer, Messi und
       Cristiano Ronaldo seien „weltweite Marken, die haben da sicher Vorteile“.
       Aber Messi hat nur eine mäßige, Ronaldo sogar eine unterdurchschnittliche
       WM gespielt. Da darf es keine Rolle spielen, dass der eine auch Unterhosen
       verkauft und der andere selbst in Papua-Neuguinea erkannt wird.
       
       Es entbehrt freilich nicht einer gewissen Ironie, dass es im wohl
       spielstärksten deutschen Team der WM-Geschichte kein Feldspieler auf die
       Shortlist der Fifa geschafft hat. Kein Götze. Kein Kroos. Kein
       Schweinsteiger oder Müller. Deutschland und seine Torhüter, das ist schon
       immer etwas Besonderes gewesen. Das hat sich wohl auch der
       Fußball-Weltverband gedacht. Denn noch mutiger als eine Kür Manuel Neuers
       wäre die Berufung eines deutschen Feldspielers gewesen.
       
       2 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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