# taz.de -- Chemikalienexperte über Lavendel: „Die Aufregung ist übertrieben“
       
       > Der Lavendelanbau in der Provence ist durch die neue EU-Bestimmung nicht
       > gefährdet, sagt Chemikalienexperte Christoph Schulte vom Umweltbundesamt.
       
 (IMG) Bild: Auch in China gibt es schönen Lavendel.
       
       taz: Herr Schulte, in schwarzen Jeans stecken Farbstoffe, die Allergien
       auslösen können, in Viskosekleidern Formaldehyd, das Tumore wuchern lässt.
       Warum knöpfen sich die Chemikalienprüfer ausgerechnet Lavendelöl vor? 
       
       Christoph Schulte: Was heißt hier vorknöpfen? Alle, die in Europa
       Chemikalien herstellen oder importieren, müssen diese registrieren. Die
       registrierungspflichtigen Unternehmen schicken dafür an die europäische
       Chemikalienagentur in Helsinki bestimmte Studien, die zum Beispiel zeigen
       müssen, dass das Öl keine allergische Reaktionen der Haut auslöst. Und
       beweisen, dass es biologisch abbaubar ist. Das sind Grunddaten, die für
       jede Chemikalie vorhanden sein sollen.
       
       Am Ende geht es aber darum, gefährliche Stoffe zu verbieten. Lavendel wird
       seit Jahrtausenden verwendet, die Essenz gilt als schlaffördernd. Der
       Geruch vertreibt Motten. Nie ist etwas passiert. Jetzt steht es unter
       Verdacht? 
       
       Es gibt keinen Verdacht, und niemand möchte Lavendelöl verbieten. Die
       Registrierung ist eine Absicherung, dass es Information zum Risiko gibt. Es
       kann auch Beleg sein, dass kein Risiko da ist. Aber das brauchen wir.
       
       Ist das nicht schon über die Kosmetikrichtlinie geregelt? 
       
       Fällt eine Substanz unter die Kosmetikrichtlinie, kann auf die dazu
       vorliegenden Daten zu gesundheitlichen Wirkungen zurückgegriffen werden.
       Dann müssen Registranten nur zusätzlich Informationen zu den
       Umweltwirkungen einreichen.
       
       Wie soll das funktionieren? Die Inhaltsstoffe hängen bei Naturprodukten von
       Sonne, Regen, Boden ab, die Bauern reichen jedes Jahr Proben ein? 
       
       Die Bauern müssen gar nichts machen, sondern diejenigen, die das Lavendelöl
       extrahieren und vermarkten möchten. Sie müssen einmal die Studien
       einreichen – und dann ist es gut. Einmal, dann brauchen sie sich nie wieder
       drum zu kümmern. Es sei denn, es tauchen Studien auf, dass Lavendelöl
       gefährlich ist.
       
       Bauern und Produzenten fürchten aber steigende Kosten, Warnhinweise auf
       ihren Ölen und das Ende des Lavendelanbaus. 
       
       Der Lavendelanbau ist nicht am Ende. Nehmen wir das Beispiel
       Umweltgefährdung. Gelangt Lavendelöl in geringen Mengen in ein Gewässer,
       dann kommen die Mikroorganismen damit vermutlich gut klar, sie bauen den
       Stoff schnell ab, und alles ist gut. Um das nachzuweisen, muss man einen
       Test im Labor machen lassen, das kostet vermutlich um die 30.000 Euro. Das
       Ergebnis wird in Helsinki eingereicht, und die Sache ist erledigt.
       
       Das ist doch für eine Öldestillerie viel Geld. 
       
       Das muss nicht jeder Betrieb allein machen. Die Lavendelproduzierenden
       können sich zusammentun und eine gemeinsame Registrierung einreichen. Sie
       lassen die Prüfungen durchführen und stellen alles zusammen, was an
       wissenschaftlichen Veröffentlichungen verfügbar ist. Erledigt. Ich halte
       die Aufregung für übertrieben.
       
       Öldestillerien werden wie Chemiewerke behandelt. 
       
       Sicher, das ist ungewohnt. Aber es ist richtig, Stoffe, die aus der Natur
       gewonnen werden, wie synthetische Chemikalien zu behandeln, um
       sicherzustellen, dass sie nicht gefährlich sind. Naturstoffe können sehr
       giftig sein, Allergien auslösen, der Umwelt schaden. Pyrethrum, das aus
       Chrysanthemen gewonnen wird, wirkt als Gift gegen Insekten. Die
       Chemieindustrie hat ausgehend von diesem Stoff hochwirksame Pyrethroide zur
       Schädlingsbekämpfung entwickelt.
       
       Als Nächstes sind dann Arnika- oder Zitronenöl dran? 
       
       Natürlich müssen diese Stoffe wie jede andere Substanz auch bis 2018
       registriert werden. Bei den limonenhaltigen Zitrusfruchtschalenölen wissen
       wir zum Beispiel, dass sie gefährliche Eigenschaften haben. Sie gelten als
       hautreizend, sensibilisierend durch Hautkontakt und sehr giftig für
       Wasserorganismen. Sie sind entsprechend zu kennzeichnen.
       
       11 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Gersmann
       
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