# taz.de -- Ökonom über Grexit-Debatte: „Gründer sind Griechenlands Stärke“
       
       > Athen braucht einen Schuldenschnitt, sagt der Ökonom Alexander Kritikos.
       > Zugleich sollte in die High- und Biotech-Branchen investiert werden.
       
 (IMG) Bild: Fliegt Griechenland aus der Eurozone? Die Debatte über den „Grexit“ hält Ökonom Kritikos für leichtfertig.
       
       taz: Herr Kritikos, im Jahr 1953 gehörte Griechenland zu den Ländern, die
       dem Kriegsverlierer Deutschland die Hälfte seiner Schulden erließen. Wenn
       die EU jetzt das Gleiche für Griechenland macht, geht es dem Land dann
       besser? 
       
       Alexander Kritikos: Ja, aber nur dann, wenn man den Schuldenerlass an zwei
       Forderungen knüpft: Nämlich, dass die Griechen mit den Reformen
       weitermachen. Zudem muss die EU eine Investitionsstrategie entwickeln, die
       die produktiven und innovativen Unternehmen in Griechenland stärkt.
       
       2012 gab es schon einmal einen Schuldenschnitt. Trotzdem bilden sich immer
       noch Schlangen vor den Suppenküchen, in den Nebenstraßen von Athen steht
       fast jedes zweite Geschäft leer. 
       
       Wenn damals der Schuldenschnitt nicht gemacht worden wäre, wäre
       Griechenland pleite gewesen. Davor und danach lag die Verschuldung immer
       noch bei 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das heißt: Das
       Bruttoinlandsprodukt ist nach dem Schuldenerlass so stark gesunken, dass
       die Schulden im Verhältnis zum BIP konstant geblieben sind. Der dramatische
       Rückgang in der Wirtschaftskraft ist auch darauf zurückzuführen, dass im
       Land kaum Investitionen getätigt wurden.
       
       Worin sollte die EU denn investieren? 
       
       Griechenland hat hervorragende Forschungseinrichtungen wie das
       Demokritos-Institut in Athen oder das Certh in Thessaloniki. Die wurden
       sogar von der EU in den Bereichen Physik, Biotech und Nanotechnologie
       ausgezeichnet.
       
       Aber sie forschen vor sich hin, ohne eine Verbindung in die Wirtschaft,
       wenn sie finanziell dazu überhaupt in der Lage sind: Denn Griechenland gibt
       nur 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Forschung aus – in
       Deutschland oder Schweden sind es 3 Prozent. Deshalb braucht Griechenland
       Investitionen, die vor allem die anwendungsorientierte Forschung stärken
       und diese Forschungseinrichtungen mit innovativen Unternehmen verknüpft.
       
       Griechenland klingt nicht gerade nach einem Land, das Gründer anzieht. 
       
       Und doch ist dies eine seiner kaum bekannten und bislang kaum genutzten
       Stärken. Es gibt dort zahlreiche Unternehmen, die neue Ideen auf den Markt
       bringen wollen. In Athen beispielsweise wächst gerade eine interessante
       Hightech-Gründerszene.
       
       Allerdings sind in den letzten fünf Jahren viele Unternehmen abgewandert,
       weil sie viel zu viel Zeit für Behördengänge und Papierkram benötigen. Das
       muss die griechische Regierung ändern.
       
       Noch einmal: Ist dazu ein Schuldenschnitt nötig? 
       
       Griechenland ist nicht in der Lage, 175 Prozent Schulden im Vergleich zum
       BIP zu normalen Zinsen zu tragen. Entweder die Schulden müssen erlassen
       werden oder der Zinssatz muss nahe null gehen …
       
       … oder Griechenland tritt aus der Eurozone aus. Diese Option erwägt
       zumindest Angela Merkel. 
       
       Dann würde Griechenlands Währung in einen Abwertungsstrudel geraten, sodass
       die Investoren, die das Land voranbringen könnten, auswandern. Ich rechne
       bei einem Euroaustritt mit einer Inflationsrate von bis zu 30 Prozent.
       
       Wenn die Währung aber permanent abgewertet wird, steigt die Belastung aus
       den in Euro gehaltenen Schulden im Vergleich zur griechischen Währung immer
       weiter – und Griechenland könnte die Schulden dann kaum mehr tilgen.
       
       Was denken Sie: Will Merkel also den griechischen Wahlkampf beeinflussen,
       wenn sie von Grexit spricht? 
       
       Mindestens positioniert sich die Bundesregierung: Wenn Syriza an die Macht
       kommt, so ihre Botschaft, dann lassen wir uns nicht auf Nachverhandlungen
       mit einem weiteren Schuldenschnitt ein. Wir werden nicht ewig lang mit euch
       verhandeln. Aber: Ein Grexit hätte für Griechenland verheerende Folgen.
       Deshalb sollte die Bundesregierung nicht leichtfertig über einen Austritt
       Griechenlands reden.
       
       7 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Maria Amberger
       
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