# taz.de -- Anschlag auf Polizeiwache in der Türkei: Linke Untergrundgruppe bekennt sich
       
       > Das Attentat in Istanbul hat nach eigenen Angaben die linksextreme Gruppe
       > verübt. Der Anschlag galt wohl nicht Touristen in der Stadt.
       
 (IMG) Bild: Abgesperrt und bewacht: der Tatort im Stadtteil Sultanahmet.
       
       ISTANBUL taz | Eine linksextreme türkische Untergrundorganisation hat sich
       zum Selbstmordanschlag im beliebten Touristenviertel Sultanahmet in
       Istanbul bekannt. Mit einer Erklärung am Dienstag übernahm die verbotene
       Revolutionäre Volksbefreiungsparteifront (DHKP-C) die Verantwortung für das
       Attentat, bei dem ein Polizist ums Leben kam.
       
       Beim Anschlag hatte sich eine Frau selbst in die Luft gesprengt. Die
       Attentäterin, deren Identität entgegen anderslautenden früheren Meldungen
       noch ungeklärt ist, war gegen 17:30 Uhr mit einem islamischen Tschador
       bekleidet auf die als Touristenpolizei ausgezeichnete Polizeiwache
       gegenüber der Hagia Sophia zugegangen. In schlechtem Englisch behauptete
       sie, sie habe ihre Handtasche im Gebäude liegen lassen. Als die Polizisten
       am Eingang der Wache sie dennoch durchsuchen wollten, zündete sie einen am
       Körper befestigten Sprengsatz.
       
       Wegen der Bekleidung der Frau war zunächst spekuliert worden, der Anschlag
       sei von Anhängern des sogenannten Islamischen Staates (IS) verübt worden,
       die überall in der Türkei geheime Zellen gegründet haben sollen. Schon bald
       wurden aber Vermutungen laut, dass die DHKP-C hinter dem Anschlag stecken
       könnte. Erst vor einer Woche war ein Anschlag der Organisation auf den
       Dolmabahce Palast, wo Ministerpräsident Ahmet Davutoglu seinen Istanbuler
       Amtssitz hat, misslungen.
       
       Dies wurde am Dienstag von der DHKP-C bestätigt. Zur Begründung für die
       Anschläge führt die Organisation unter anderem die Polizeigewalt während
       der Gezi-Park Proteste im Sommer 2013 an. Im Bekennerschreiben bezieht sich
       die DHKP-C auf Berkan Elvan, der von einer Tränengasgranate so schwer am
       Kopf verletzt worden war, dass er nach einem monatelangen Koma verstarb.
       
       ## Wie ein Überbleibsel aus den 1970ern
       
       Mit der Drohung: „Niemand kann euch schützen“ kündigte die Gruppe weitere
       Anschläge gegen die regierende AKP an, der sie in ihrer Erklärung auch
       schwere Korruption vorwirft. Tatsächlich versucht die türkische Polizei
       bereits seit mehr als 30 Jahren vergeblich, die Gruppe zu zerschlagen.
       DHKP-C ist nach eigenem Verständnis eine marxistische Gruppe, die sich in
       den 1980er Jahren von der Devrimci Sol, der Revolutionären Linken,
       abgespalten hat. Bekannt wurde sie damals durch einen Mord an einem der
       reichsten türkischen Industriellen.
       
       Mit einem dramatischen Hungerstreik im Dezember 1999, machte die Gruppe
       zuletzt politische Schlagzeilen. Seit der Hungerstreik mit Gewalt beendet
       wurde und dabei über 30 Häftlinge getötet wurden, taucht die DHKP-C
       praktisch nur noch als angebliche Urheberin von Attentaten auf. Das
       spektakulärste war ein Selbstmordattentat auf die US-Botschaft in Ankara im
       Februar 2013.
       
       Dass mit dem Attentat am Montagabend der türkische Tourismus getroffen
       werden sollte, weil die Polizeistation in Sultanahmet eine für Touristen
       eingerichtete Anlaufstelle ist, kann wohl ausgeschlossen werden. Anschläge
       der DHKP-C haben sich bislang immer gegen staatliche
       Sicherheitsinstitutionen der Türkei oder gegen die „imperialistischen“ USA
       gerichtet und nie gegen Touristen oder die „normale“ Bevölkerung. Die
       DHKP-C wirkt wie ein Überbleibsel der Auseinandersetzungen der 70er Jahre.
       Dabei wird zunehmend unklarer, was sie mit ihren Anschlägen eigentlich
       erreichen will.
       
       7 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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