# taz.de -- Die Wahrheit: 30 Punkte für ZYZZYVA
       
       > Scrabble spielen macht Spaß. Normalerweise. Allerdings gibt es jemanden,
       > mit dem man es besser nicht tun sollte: den legendären Wortklauber
       > Séamus.
       
       Es macht keinen Spaß, mit Séamus Scrabble zu spielen. Erstens kennt er
       idiotische Wörter, die kein Mensch benutzt, zweitens hat er stets das
       offizielle Scrabble-Wörterbuch dabei, in dem diese Wörter stehen. Und wenn
       sie nicht drinstehen, argumentiert er, dass sie drinstehen sollten, weil
       sie früher gebräuchlich waren. „Waps“ zum Beispiel, so behauptet er, sei
       keineswegs die legasthenische Form von „wasp“, also „Wespe“, sondern hänge
       mit der Metathese zusammen. Das sei eine Vertauschung von Lauten innerhalb
       von Wörtern. 30 Punkte für Séamus.
       
       Versucht man selbst, ungewöhnliche Wörter mit hohem Punktwert zu legen,
       funkt Séamus dazwischen. Jedes Kind kennt seit der Fußballweltmeisterschaft
       in Südafrika Vuvuzelas, jene ohrenbetäubenden Trompeten, aber sie stehen
       nicht im Wörterbuch. Aber „zzz“ findet man – das Geräusch, wenn jemand
       schläft. Der Buchstabe „Z“ bringt im englischen Scrabble zehn Punkte. Aber
       in der Scrabble-Schachtel ist nur ein einziges „Z“. Man müsste also zwei
       Blanko-Steine verwenden, die aber keine Punkte zählen. Ebenso verhalte es
       sich mit Zyzzyva, einem tropischen Rüsselkäfer, doziert Séamus.
       
       Für Scrabble-Muffel kurz die Regeln: Zwei bis vier Spieler ziehen jeweils
       sieben Buchstaben, die je nach Häufigkeit verschiedene Werte haben, und
       müssen damit Wörter legen, wobei sie Bonusfelder auf dem Spielbrett nutzen
       können.
       
       „Kwyjibo“ lässt mir Séamus nicht durchgehen, weil es nicht in seinem
       Wörterbuch steht. Aber er kennt das Wort, weil er auch Simpsons-Fan ist.
       Bart versuchte einmal, das Wort zu legen, was ihm 116 Punkte eingebracht
       hätte. Er behauptete, es sei ein „fetter, trotteliger, glatzköpfiger
       nordamerikanischer Affe ohne Kinn“, was Vater Homer zu recht auf sich bezog
       und Bart durchs Haus jagte.
       
       Séamus legt stattdessen „emty“ (leer). Da fehle das „p“, moniere ich, doch
       Séamus erklärt mir, dass dieser Buchstabe erst später eingeschoben wurde.
       Das nenne man Epenthese – die Ergänzung eines Wortes zur Erleichterung der
       Aussprache. Das gebe es in der deutschen Sprache auch, meint Séamus:
       „afrikanisch“ zum Beispiel diene der Hiatvermeidung. Woher weiß er das? Er
       kann überhaupt kein Deutsch. Offenbar hat er sich auf diese Scrabble-Runde
       akribisch vorbereitet, um mich bloßzustellen.
       
       Selbst das deutsche Wort „Schmutz“ steht in der englischen Scrabble-Bibel,
       wie Séamus mir beweist, nicht aber „Dreck“, das ich legen will. Séamus
       kennt auch zugelassene Wörter wie „Aa“ (raue Lava), „Qajaq“ (Kajak), „Gi“
       (weiße Bekleidung beim Kampfsport), „Etwee“ (Etui für Nadeln) und „Yuzu“
       (eine saure japanische Frucht). Einen Trumpf habe ich aber noch im Ärmel,
       weil ich auf dem Klo heimlich mit dem Smartphone gegoogelt habe. Ich lege
       „Zax“, ein Werkzeug für Dachdecker, mit dem sie Löcher in die Ziegel
       stechen. Es nützt mir nichts. Séamus kontert mit „Xyst“ und erläutert, dass
       es sich um einen Terminus aus der griechischen Architektur handelt. Er
       schreibt sich weitere 30 Punkte gut, während ich das Spielbrett
       versehentlich umwerfe.
       
       25 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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