# taz.de -- Multiresistente Keime: Keine Zeit für Hygiene
       
       > Die Gewerkschaft Ver.di erhebt Vorwürfe gegen das Uniklinikum
       > Schleswig-Holstein. Grund für die Verbreitung des Bakteriums sei die
       > Arbeitsbelastung der Beschäftigten.
       
 (IMG) Bild: Ärger über zu viel Arbeit: Ver.di Warnstreik am UKSH im August 2014.
       
       KIEL taz| Seit Montag unterstützen Fachleute aus Frankfurt am Main das
       Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel beim Kampf gegen den
       multiresistenten Keim, der mehrere Patienten auf der Intensivstation
       befallen hat. Die Station ist für Neuaufnahmen geschlossen, bei inzwischen
       27 Kranken wurde das Bakterium festgestellt. Schwere Vorwürfe erhebt die
       Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di: Grund für den Keimbefall sei die
       Arbeitsbelastung der Beschäftigten. Der Klinikleitung sei das bekannt
       gewesen.
       
       „Wenn Keime übertragen werden, sind die hygienischen Vorschriften nicht
       eingehalten worden“, sagt Steffen Kühhirt, Landesfachbereichsleiter
       Gesundheit von Ver.di Nord. „Die Gründe sind bekannt: Personalmangel ist
       Zeitmangel, und der führt zu Verstößen.“ Immer wieder hätte sich das
       Personal über eine „dramatische Arbeitsverdichtung“ beschwert, zuletzt bei
       einer Personalversammlung vor wenigen Wochen. Gerade Beschäftigte der
       betroffenen Intensivstation hätten ihre Probleme vorgetragen. „Es wurde von
       Gefährdungsanzeigen berichtet, die nicht sachgemäß bearbeitet wurden“, sagt
       Kühhirt. „Leider wurden alle Hinweise ignoriert und das Vorgehen dem
       Sparkurs am UKSH untergeordnet.“
       
       Eine direkte Stellungnahme des UKSH und des Gesundheitsministeriums gab es
       dazu am gestrigen Montag bis Redaktionsschluss nicht – eine Pressekonferenz
       zur Lage am UKSH fand am frühen Abend statt. Aber Klinikchef Jens Scholz
       hatte sich bereits vor einigen Tagen grundsätzlich zu den Vorwürfen von
       Ver.di geäußert, nachdem die Gewerkschaft die Lage der Putzkräfte beklagt
       hatte. Deren Zahl sei nicht gesunken und solle weiter aufgestockt werden,
       sagte Scholz laut Kliniksprecher. Er habe kein Verständnis, dass Ver.di die
       jetzige Lage „zur Mitgliederwerbung“ nutze.
       
       Generell ist das Problem multiresistenter Keime lange bekannt.
       Krankenhäuser, auch das UKSH, haben dafür „Netzwerke“ gegründet und sich
       auf Richtlinien verständigt. Hauptproblem ist aber, dass Keime immer wieder
       in die Kliniken eingeschleppt werden. Schuld ist unter anderem die
       Landwirtschaft: Weil Vieh viel zu oft und zu viele Antibiotika bekommt,
       bilden sich die resistenten Keime, die auch die Landwirte befallen.
       Krankheiten brechen dabei nicht aus – erst bei Schwachen und Kranken
       entfalten sich die fatalen Folgen. Um das zu verhindern, müsste jeder neue
       Patient auf das Virus getestet werden, fordern Fachleute. Gesetzlich
       vorgesehen ist das aber nicht.
       
       Ob der Erreger Acinetobacter baumannii in Kiel den Tod von Menschen
       verursacht hat, steht nicht fest: Bei elf Patienten, die im Klinikum
       gestorben waren, sei das Bakterium als Todesursache ausgeschlossen, hieß
       es. Bei zwei Kranken, 87 und 70 Jahre alt, konnte die Todesursache nicht
       eindeutig geklärt werden.
       
       Inzwischen nimmt auch die politische Debatte Fahrt auf. Die Opposition
       interessiert, seit wann Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kristin
       Alheit (SPD) von der Lage wusste und was sie unternahm. Heiner Garg (FDP)
       nannte es ein „Unding“, dass das Ministerium erst Tage nach dem ersten
       Verdacht auf den Keimbefall informiert wurde. Die Regierungsfraktionen
       stellen sich vor die Ministerin: Angesichts der Lage seien die „haltlosen
       Anschuldigungen ein Grund zum Fremdschämen“, sagte Lars Harms (SSW). Fast
       ein Monat verging zwischen der ersten Meldung an das Gesundheitsamt und der
       öffentlichen Meldung. Laut Ministerium und Klinik war das ein normales
       Vorgehen, da das Krankenhaus erst prüfen musste, um welchen Erreger es sich
       handelte.
       
       Moderate Töne kamen von Schleswig-Holsteins Patienten-Ombudsmann, dem
       ehemaligen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU). Zwar habe er
       sich „gewundert, wie spät die Öffentlichkeit informiert worden ist“, er sei
       sich aber auch sicher gewesen, dass die Spezialisten die Situation im
       Universitätsklinikum schnell in den Griff bekommen würden.
       
       26 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Antibiotikaresistenz
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Bremerhaven
       
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