# taz.de -- 23andMe verkauft Genomdaten: Fragwürde Gen-Analysen
       
       > Bei 23andMe kann man seine Gene testen lassen. Eine personalisierte
       > Gesundheitsvorsorge wird versprochen, doch die Daten taugen dafür kaum.
       
 (IMG) Bild: DNA-Proben werden für die Sequenzierung vorbereitet.
       
       BERLIN taz | Es ist ein relativ simples Prozedere. Wer bei dem
       kalifornischen Unternehmen 23andMe ein Testkit bestellt, erhält einige Tage
       später ein Plastikröhrchen, in das er ein paar Milliliter Speichel gibt.
       Das Röhrchen wird anschließend fest verschlossen zurückgeschickt, einige
       Wochen später kann man auf der Webseite von 23andMe eine Auswertung der
       sogenannten SNPs (Single Nucleotide Polymorphism) einsehen. 23andme bietet
       die persönlichen Gentests seit 2007 an, damals kostete ein Test noch 999
       Dollar.
       
       Inzwischen wurden die Preise radikal gesenkt, heute kann man bereits für 99
       Dollar zuzüglich Porto Zugriff auf die persönlichen Gendaten erhalten. Für
       23andMe ist vor allem auch der Verkauf der Daten interessant. Im Dezember
       vergangenen Jahres schloss der Konzern einen Deal mit der
       Biotechnologiefirma Genentech ab.
       
       Zahlreiche Firmen bieten inzwischen Gentests für den Endkunden an, jedoch
       ist 23andMe die mit Abstand erfolgreichste. Die kalifornische Firma hat
       enge Kontakte mit dem Konzern Google, was manchen Datenschützern Sorgen
       bereitet. 2007 startete 23andMe mit einer Finanzspritze des
       Internetkonzerns – Google-Mitbegründer Sergey Brin ist mit der
       23andMe-Gründerin Anne Wojcicki verheiratet. In Deutschland gibt es bislang
       keine vergleichbaren Anbieter. Doch ist es kein Problem, seine
       Speichelproben nach Kalifornien zu schicken und von 23andMe testen zu
       lassen.
       
       Das Versprechen, das Firmen wie 23andMe mit den persönlichen Gentests
       verbinden: eine durch Gentests personalisierte Gesundheitsvorsorge.
       
       „Unsere Gene bestimmen, wer wir sind, deshalb beeinflussen sie unsere
       Gesundheit“, heißt es dazu auf der Webseite. „Wenn sie ihre DNA kennen,
       können sie Schritte zu einem gesünderen Leben unternehmen.“
       
       Allerdings: Dieses Statement findet man zurzeit nur noch auf der
       kanadischen Webseite von 23andMe. In den USA hat 2013 die
       Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) dem Konzern den
       Verkauf seiner Testkits als Gesundheitsprodukt untersagt.
       
       Zwar kann man den Test weiterhin ordern, allerdings erhält man nur noch
       Informationen über die Abstammung und kann Kontakte zu entfernten
       Verwandten aufnehmen, die ihre Gene ebenfalls haben testen lassen. Doch
       auch US-Kunden können weiterhin die Rohdaten ihrer Genanalysen
       herunterladen und anschließend durch einen Drittanbieter auswerten lassen.
       
       ## Nutzlose und riskante Therapien
       
       Die FDA hatte die Befürchtung, dass Patienten die Daten derartiger Gentests
       ohne ärztliche Beratung missinterpretieren könnten. So bestehe die Gefahr,
       dass Patienten unnötig in Sorge geraten und im schlimmsten Fall sich für
       nutzlose oder riskante Therapien entscheiden.
       
       Viele Mediziner haben ohnehin große Zweifel, ob die Gentests das
       Versprechen der personalisierten Gesundheitsvorsorge einhalten. „Die
       meisten Informationen sind nicht sehr aussagekräftig im Vergleich zu viel
       einfacher zu messenden Daten wie dem Gewicht oder dem Blutdruck“, erklärt
       Timothy Caulfield.
       
       Caulfield ist Professor für Recht und Gesundheit an der Universität von
       Alberta, Kanada, und gilt als Kritiker von Firmen wie 23andMe. Allerdings,
       ein Verbot wie es die FDA angeordnet hat, hält auch Caulfield nicht für
       sinnvoll. „Ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass derartige Tests
       schädlich sind.“
       
       Was Caulfield und andere Kritiker anmerken: Die meisten der
       Gesundheitstipps sind ausgesprochen banal. Wer ein erhöhtes Risiko für
       Herzkrankheiten hat, kann dem durch gesunde Ernährung und mehr Bewegung
       entgegenwirken. Das Risiko für zahlreiche Krebsarten lässt sich durch mehr
       Sport ebenfalls senken. Das gilt allerdings auch für Menschen, die kein
       genetisch erhöhtes Risiko für diese Krankheiten haben. Von fast allen
       Vorschlägen für gesünderes Alltagsverhalten, die ein Gentest präsentieren
       kann, würde auch jeder andere profitieren.
       
       ## Beschränkte Aussagekraft
       
       Dazu kommt: In vielen Fällen sind die Daten, auf deren Grundlage 23andMe
       Empfehlungen vergibt, alles andere als zuverlässig. Nur wenige Krankheiten
       lassen sich direkt auf einzelne SNP-Sequenzen zurückführen. In aller Regel
       sind Krankheitsrisiken ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Gene. Das
       heutige Wissen darüber, welche Gensequenzen was bedeuten, ist in vielen
       Fällen unvollständig und basiert auf kleinen Studien mit geringer
       Aussagekraft.
       
       Doch 23andMe will selbst dazu beitragen, bessere Daten aus den erhobenen
       Gentests zu generieren. Dazu strebt das Unternehmen Kooperationen mit
       Pharmakonzernen an, denen es seine Daten verkaufen kann.
       
       Die erste große derartige Kooperation ist 23andMe im Dezember 2014 mit dem
       Biotechnologie-Unternehmen Genentech eingegangen, einem Tochterunternehmen
       des Pharmakonzerns Roche. Es geht dabei um die Auswertung der Gensequenzen
       von Parkinson-Patienten. Genentech erhofft sich, mit den Daten künftig
       Therapien gegen Parkinson entwickeln zu können. Auch mit dem Pharmakonzern
       Pfizer plant 23andMe eine Kooperation zur Datenauswertung.
       
       ## Zustimmung erforderlich
       
       Der Verkauf der Daten ruft natürlich Bedenken in Sachen Datenschutz auf den
       Plan. 23AndMe garantiert, die Daten nur dann weiterzugeben, wenn die Kunden
       dem zustimmen. Im Webinterface des Unternehmens hat jeder Kunde die
       Möglichkeit, jederzeit die Einwilligung zur Datenweitergabe zu widerrufen.
       
       Doch unproblematisch ist die Datenweitergabe auch dann nicht. Schließlich
       teilt jeder Mensch seine Gene teilweise mit seinen Verwandten. Wer seine
       Gendaten weitergibt, enthüllt dadurch indirekt auch Daten seiner Familie.
       Wie viele Informationen man dabei weitergibt, ist schwer abzusehen, denn
       niemand weiß, was möglicherweise in Zukunft aus den Gendaten herauslesbar
       ist.
       
       Trotz dieser Bedenken gehen inzwischen viele Menschen noch einen Schritt
       weiter und veröffentlichen die Ergebnisse ihrer Gentests im Netz. 2011
       startete das Projekt openSNP, eine Webseite, auf der jeder seine eigenen
       Gensequenzen hochladen kann und dabei unter eine freie Lizenz stellt. Sie
       stehen für Interessierte zur weiteren Analyse zum Herunterladen bereit. Man
       kann dort bereits die Daten von 1.600 Menschen herunterladen.
       
       1 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanno Böck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Datenschutz
 (DIR) Gendiagnostik
       
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