# taz.de -- Koch-Performance am Gorki-Theater: Auberginen sind göttlich
       
       > „Conflict Food“ von Ayham Majid Agha und Olga Grjasnowa erzählt vom
       > Aufstieg der Bananenmilch. Dem Islamischen Staat sei Dank.
       
 (IMG) Bild: Ayham Majid Agha (rechts) und Shermine Langhof (links) bei „Conflict Food“
       
       Mit der Eintrittkarte wird eine weiße Küchenschürze ausgehändigt. Auf die
       ist ein angerissenes Fladenbrot gedruckt, in dessen Mitte der Titel der
       Peformance steht: „Conflict Food“. In dieser Koch-Show werden die Gäste zu
       MitköchInnen. Sie lernen Rezepte und Tricks vor allem aus der arabischen
       Küche kennen. Doch es geht um mehr.
       
       Denn, wem gehören die Gerichte, wer hat sie erfunden und darf also seine
       Kultur mit ihnen aufpolstern? Ist das Tscherkessenhuhn türkisch, armenisch
       oder syrisch?
       
       Der Wettstreit, so erklärt Gastgeber Ayham Majid Agha, werde im Nahen Osten
       ähnlich ernsthaft geführt, wie der um Meinungsfreiheit hierzulande. Wie
       ernst das werden kann, ließ sich nach dem Anschlag auf das Pariser
       Satiremagazin Charlie Hebdo beobachten.
       
       Ayham Majid Agha ist Schauspieler, Regisseur und Chefkoch. Er kommt aus
       Syrien und hat in Damaskus an der Kunsthochschule studiert. Doch
       aufgewachsen ist er in der Wüstenstadt Deir ez-Zor. Der Euphrat durchquert
       die Stadt, die inzwischen zum Großteil von IS-Milizen kontrolliert wird.
       
       ## Wem gehört das Tscherkessenhuhn?
       
       Kurz nach Aghas Geburt vor 34 Jahren eröffnete sein Vater dort ein
       Restaurant. Da seine Familie sich aus Italienern, Armeniern und Türken
       zusammensetzte, beschäftigte er einen türkischen, einen italienischen und
       einen armenischen Koch.
       
       Al Agha amüsieren die Versuche, Rezepte und Menschen nur einer Kultur
       zuschlagen zu wollen. Und er hat sich für die Performance den Autor und
       professioneller Hobbykoch Daniel Schreiber eingeladen. Der verdiente sich
       mit fancy französischer Küche in New York sein Geld und kocht an diesem
       Abend seine Lifesafers: Gerichte, die einfach und billig sind, aber
       aufwändig und teuer schmecken. „Conflict Food“ erlaubt sich einen wilden
       Gang durch die Küchen dieser Welt. Die Gäste schnippeln derweil Schokolade
       und Auberginen und hören den Anleitungen und Anekdoten zu.
       
       Agha lernte bei seiner Großmutter, die versorgte gelegentlich bis zu 200
       Gäste am Tag. Mit fünf Jahren kochte er sein erstes Ei, im Alter von sechs
       durfte er zum Messer greifen, danach wurde er bald Omas rechte Hand.
       „Schockiere niemals deine Zutaten“, sagte sie, „fass sie mit den Fingern
       an, nicht mit Geräten, und halte sie auseinander, sie erschrecken sich
       sonst.“
       
       Auch Schreiber lehnt es ab, Kochen zu einer Geräteshow zu machen. Das sei
       etwas für Heteromänner. Die Differenz zwischen heterosexuellen und Schwulen
       in Sachen Kochen interessiert ihn. Entsprechend verwendet er auch keine
       Barilla-Nudeln für seine Zitronen-Pasta. Das Unternehmen hatte homophobe
       Werbung geschaltet. Ein Gast findet das übertrieben, und Schreiber wird zum
       ersten und auch letzten Mal streng an diesem Abend: „Ich finde es falsch,
       dass du Schwulenfeindlichkeit bagatellisierst.“ Conflict Food.
       
       Ayham Majid Agha kocht unterdessen weitere Vorspeisen, Meeze. Die Aubergine
       kommt hier zu besonderem Einsatz, denn, sagt Agha, der Araber hält sie für
       die Eier Allahs. Also esse er sie gern. Übersetzt heißt Meeze übrigens
       „Kleiner Bissen zum Getränk“. Vor allem Arak, ein arabischer Anisschnaps,
       sei damit gemeint. Ziel sei, beim Essen und Plaudern das Denken zu
       vergessen.
       
       ## Und das hat der Prophet gegessen
       
       Das mit dem Arak ist in Aghas Geburtsort erstmal vorbei. Jetzt dominiert
       die Bananenmilch. Die IS-Milizen haben sämtliche eingesessenen Restaurants
       zwischen Deir ez-Zor und Al-Raqqa schließen lassen. Nur noch „Mohammads
       Speisen“ dürfen serviert werden: Fleisch und Reis. Und Bananenmilch.
       Mangomilch ist „haram“: Sünde.
       
       Agha erzählt von dieser brutalen Kulturfeindlichkeit stets mit
       Zurückhaltung, Selbstironie und Charme. Nebenbei verteilt er Messer und
       zeigt, wie etwa der Granatapfel am leichtesten zu entkernen ist. Für ihn
       ist Kochen keine Show, sondern Handwerk und zwar eines, das er liebt.
       
       Dabei führt er weniger durch den Abend als dass er auf Fragen und Einwürfe
       antwortet. Ein Gast aus Israel, der jedes Gericht zu kommentieren weiß,
       kommt ihm da gerade recht. Schon in seinem letzten, am Gorki-Theater
       gezeigten Stück „You Know I Don’t Remember“ wurden Teile der Geschichte
       Syriens – damals ging es um politische Gefangene – im Dialog erinnert (oder
       vergessen). Leider läuft am Ende die Zeit davon, und Agha muss sich ganz
       aufs Kochen konzentrieren. Schade, gerne hätte man noch mehr Geschichten
       von ihm gehört. Um so von einem Syrien jenseits der in den Medien so
       beliebten Geopolitik zu erfahren. Die bringt den Alltag ja verlässlich zum
       Verschwinden.
       
       Die gute Nachricht: Auch das „Tscherkessen“-Huhn mit und ohne Walnüsse war
       exzellent. Profi ist eben Profi.
       
       10 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ines Kappert
       
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