# taz.de -- Wohlstandsgefälle in Deutschland: „Wir wissen nicht, was da oben läuft“
       
       > Die Unterschiede sind größer als erwartet: Ein Prozent der Deutschen
       > besitzt etwa ein Drittel des gesamten Nettovermögens.
       
 (IMG) Bild: Vielleicht wird weggeflogen.
       
       BERLIN taz | Die reichsten Deutschen sind noch viel reicher, als es die
       Statistiken bisher ausgewiesen haben. Allein das oberste Prozent besitzt
       etwa ein Drittel des gesamten Nettovermögens in der Bundesrepublik, wie
       eine [1][neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
       zeigt].
       
       Die reichsten zehn Prozent kommen bereits auf 63 bis 74 Prozent des
       gesamten Volksvermögens. Dies heißt umgekehrt: Für den großen Rest der
       Bevölkerung, die unteren 90 Prozent, bleibt fast nichts mehr übrig. Die
       Studie hat erstmals die Forbes-Liste ausgewertet, die jährlich die
       Milliardäre dieser Welt publiziert. Für Deutschland sind dort 55
       Superreiche aufgeführt.
       
       Die Forbes-Liste hat zwar enorme methodische Mängel, weil sie nur eine
       Schätzung ist – und zudem geheim bleibt, wie die publizierten Milliarden
       ermittelt werden. Aber bessere Daten gibt es nicht, weil Vermögen in der
       Bundesrepublik Deutschland offiziell nicht registriert wird.
       
       Die Steuerdaten sind extrem lückenhaft, weil seit 1997 keine
       Vermögenssteuer mehr erhoben wird. Auch die Kapitalerträge lassen sich
       nicht mehr individuell auswerten, weil seit 2009 Zinsen und Dividenden
       pauschal mit einer Abgeltungssteuer belegt werden.
       
       ## Plötzlich doppelt so reich
       
       Daher blieben bisher nur repräsentative Umfragen wie das Sozio-ökonomische
       Panel (SOEP), das beim DIW angesiedelt ist und etwa 25.000 Haushalte in
       Deutschland erfasst. Seit 2002 sind auch „einkommensstarke Haushalte“
       darunter. Allerdings fehlen die wirklich Reichen, weil sie die Auskunft
       verweigern. „Wir wissen auch nicht, was da oben abläuft“, gibt DIW-Forscher
       Markus Grabka zu. „Milliardäre und zweistellige Millionäre beteiligen sich
       nicht an freiwilligen Umfragen.“
       
       Also wurde nun zu dem Trick gegriffen, die Forbes-Liste mit den SOEP-Daten
       zu verknüpfen. Dabei stellte sich heraus, dass der Reichtum der deutschen
       Superreichen bisher massiv unterschätzt wurde. In den bisherigen Studien
       wurde davon ausgegangen, dass das reichste Prozent nur etwa 18 Prozent des
       Volksvermögens besitzt – nun sind es 31 bis 34 Prozent. Die Reichsten sind
       also plötzlich fast doppelt so reich. Die Studie wurde von der
       gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert.
       
       Vermögen und Einkommen hängen eng zusammen. Zwar kann es sein, dass manches
       Besitztum nicht zu großen Erträgen führt – etwa wenn Ländereien
       brachliegen, die einen großen Verkaufswert hätten. Doch normalerweise
       versuchen die Superreichen, ihre Renditen zu optimieren. Wenn also die
       Vermögen extrem konzentriert sind, dürfte dies auch für die Einkommen
       gelten. Grabka geht davon aus, „dass auch die Ungleichheit bei den
       Einkommen viel größer ist als bisher angenommen“.
       
       11 Feb 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.diw.de/de/diw_01.c.438772.de/vermoegen_in_deutschland_durchschnittlich_83_000_euro_fuer_jeden_aber_hoechst_ungleich_verteilt_nbsp.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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