# taz.de -- Kirche und Staat: Vorerst keine Privilegien
> Die evangelikale Paulusgemeinde will „Körperschaft öffentlichen Rechts“
> werden.
(IMG) Bild: Demo gegen Homo-Heilungs-Seminare und anderen Unfug beim evangelikalen "Christival" in Bremen
Die Paulusgemeinde in Habenhausen will als Körperschaft öffentlichen Rechts
anerkannt werden. Doch die erste Gesetzeslesung wurde im Oktober in der
Bürgerschaft unterbrochen und an den Rechtsausschuss verwiesen: Ähnlich wie
beim Antrag der Zeugen Jehovas im Jahr 2009 äußerten die
ParlamentarierInnen Zweifel an der „Rechtstreue“ der freikirchlichen
Gemeinde. Am Mittwoch erhärtete sich im Rechtsausschuss der Verdacht,
Seelsorger der Gemeinde würden versuchen, Homosexuelle „umzupolen“.
Dabei hätte die Lesung im Oktober eigentlich durchgehen müssen, erklärte
der Frankfurter Anwalt und Vereinsrechtsexperte Martin Ranke dem Ausschuss:
„Ich habe mich gefragt, warum ich extra dafür nach Bremen kommen sollte.“
Denn die damals vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Björn Tschöpe vorgetragenen
Bedenken bezogen sich allenfalls über Ecken auf die Paulusgemeinde.
Die nämlich ist Mitglied des Mülheimer Verbandes
freikirchlich-evangelischer Gemeinden, welcher wiederum mit Markus Hoffmann
zusammenarbeitet, Leiter von „Wüstenstrom e.V.“. Der evangelikale Verein
bietet „Lebensberatungen“ an – auch zum Thema Homosexualität: Die sei Sünde
und könne „geheilt“ werden. So hat der Verein 2008 auch auf dem in Bremen
ausgetragenen „Christival“ ein Seminar zum Thema „Wege aus der
Homosexualität“ angeboten. Der Zeitschrift des Mülheimer Verbandes
„Gemeinde Konkret“ hat Hoffmann im Jahr 2012 ein Interview zum Thema
„Sexuelle Identität“ gegeben und überdies selbst einen Artikel mit der
Überschrift „Sexualität fällt nicht vom Himmel“ beigesteuert – mit
unzweideutigen Aussagen zum Thema Homosexualität. Wüstenstrom, so der
Vorwurf der Bürgerschaft, schule die Geistlichen des Verbandes – also auch
die der Paulusgemeinde.
Das alles, erklärte Franke, sei aber kein Anlass dafür, die Berechtigung
zum Erhalt der Körperschaftsrechte in Frage zu stellen: „Es kommt nur
darauf an, ob die Gemeinde sich im säkularen Rechtsbereich verfassungsgemäß
verhält.“ Und hier hat sich die Paulusgemeinde nichts vorzuwerfen: Die
Auffassung, Homosexualität sei Sünde und „heilbar“ fällt genauso unter die
Religionsfreiheit wie die Ablehnung von Abtreibungen oder vorehelichem Sex.
Der einzige triftige Grund für eine Antragsprüfung eröffnete sich erst
während der Ausschusssitzung. Dort wurde auch Reiner Neumann vom Rat und
Tat-Zentrum für Schwule und Lesben angehört. Er erzählte von einem Mann,
der aufgrund seines evangelikalen Elternhauses sein Schwulsein als Sünde
empfunden hat: „Mit 16 Jahren hat er sich deswegen an einen Jugendpastor
gewendet, der ihn an die Paulusgemeinde verwiesen hat.“ Der dortige
Seelsorger habe ihm gesagt, „seine Gefühle seien schlecht und es gebe ein
Problem“, seine „Therapie“ habe darauf abgezielt, dass Homosexuelle
entweder zölibatär zu leben hätten oder heterosexuell. Mit schlimmen
Folgen: „Der junge Mann hatte jahrelang Depressionen bis hin zu
Suizidgedanken.“ Und ihm seien weitere Fälle bekannt.
„Die von Herrn Neumann geschilderte Geschichte könnte eventuell darauf
hindeuten, dass hier eine Verletzung des Grundgesetzes vorliegt“, sagte
Franke. Allerdings könnten die Körperschaftsrechte dennoch nicht verwehrt
werden, „wenn nicht klar ist, dass es sich hier um eine Systematik im Namen
der Gemeinde handelt“. Das aber wies Klaus-Günter Pache, leitender Pastor
der Paulusgemeinde, von sich: „Wenn so etwas bei uns passiert, wäre es
meine erste Pflicht, das sofort zu unterbinden.“ Anliegen seiner Gemeinde
sei es, Menschen zu helfen.
Der Rechtsausschuss will den Vorwurf nun weiter prüfen und für März den
beschuldigten Pastor vorladen. „Man sollte sich das genau angucken, aber:
das wird ein langer, langer Weg“, sagte Franke.
12 Feb 2015
## AUTOREN
(DIR) Simone Schnase
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