# taz.de -- Alte Lasten & neue Erfolge: Entgiftungskur für Moorfleet
       
       > Rund 30 Jahre nach Schließung des Boehringer Werks einigen sich Senat,
       > Chemiekonzern und Umweltverbände auf eine Grundwasser-Sanierung.
       
 (IMG) Bild: Der damalige Umweltsenator Porschke und der Vorstandssprecher von Boehringer zeigen 1998 Abbrucharbeiten
       
       HAMBURG taz | „Was wir heute erleben, ist schon nicht alltäglich“, freut
       sich eine gut gelaunte Umweltsenatorin und deutet in die Runde der
       Versammelten: „Wann treten die Umweltbehörde, ein Chemieunternehmen und die
       Naturschutzverbände schon einmal gemeinsam zufrieden vor die Presse?“
       
       Der Grund für Jutta Blankaus (SPD) Freude und den seltenen Schulterschluss
       der einstigen Gegenspieler: Am Dienstag billigte der Senat einen
       Langzeit-Vertrag, indem sich der Chemie-Riese Boehringer-Ingelheim
       verpflichtet, die Grundwasserverunreinigung durch Chlorbenzole rund um sein
       ehemaliges Werksgelände in Moorfleet in den kommenden Jahren fast spurlos
       zu beseitigen.
       
       Ein Plan, der auch beim BUND Entzücken hervorruft. „Was hier passiert, kann
       Vorbildcharakter für die Altlastensanierung in ganz Deutschland haben“,
       sagte Maren Jonseck-Orth von der Umweltorganisation.
       
       Der ehemalige Saulus Boehringer mutiert so zum Paulus. Im Frühsommer 1984
       schockte ein Dioxin-Skandal ganz Hamburg. Nach vielen Demonstrationen
       musste Boehringer seine Moorfleeter Produktionsanlage für
       Pflanzenschutzmittel auf Anweisung der Umweltbehörde dicht machen – die
       erste aus Umweltschutzgründen verfügte Werksschließung in der
       Bundesrepublik.
       
       Doch die Schließung kam zu spät: An Krebs und Chlorakne erkrankte
       Werksarbeiter, die mit dem sogenannten Seveso-Dioxin in Berührung gekommen
       waren, vergiftete Böden und verseuchtes Wasser gehörten zu den
       Hinterlassenschaften der 33-jährigen Werksgeschichte. In den
       darauffolgenden Jahren wurde zwar das ehemalige Werksgelände mit einer
       Betonwanne samt Asphaltdeckel hermetisch von der Umwelt abgeschlossen, doch
       vor allem die gefährlichen Chlorbenzole hatten da schon lange ihren Weg ins
       Grundwasser gefunden.
       
       Die nachfolgende Sanierung von Boden und Umgebungswasser brachte kaum
       nennenswerte Erfolge: Die weitere Ausbreitung der Schadstofffahne im
       Grundwasser konnte durch eine Wasseraufbereitungsanlage zwar gestoppt, die
       Giftbelastung dadurch aber nicht wesentlich gesenkt werden. 2013 endete
       zudem die vertragliche Verpflichtung Boehringers, die Umweltsanierung
       weiter mit zu finanzieren.
       
       „Die jetzt beschlossene Sanierung“, die 40 Jahre dauern und Boehringer rund
       17,5 Millionen Euro kosten soll, „finanziert Boehringer deshalb auf
       freiwilliger Basis“, rühmt Blankau das Verantwortungsbewusstsein des
       Chemiekonzerns. Um dieses Engagement zu goutieren, schießt die
       Umweltbehörde den eher symbolischen Betrag von einer halben Million Euro
       dazu.
       
       Ab Januar 2016 sollen nun drei Brunnen in der vergifteten Umgebung des
       ehemaligen Werksgeländes das belastete Wasser fördern, das anschließend
       gereinigt wird. Fast 40 Jahre wird es nach Prognosen von Fachleuten dann
       dauern, bis der eminent hohe Schadstoffgehalt überall auf einen
       ungefährlichen Bruchteil der heutigen Konzentration so stark abgesenkt ist,
       dass Mikroorganismen den Rest übernehmen können.
       
       „Der Sanierungsvertrag ist ein Erfolg für alle Beteiligten“, freut sich
       Erika Rudolph von der Billstedter Bürgerinitiative und ein Moorfleeter
       Anwohner ergänzt: „Mehr kann man nach Stand der Technik nicht tun – wichtig
       ist, dass sich Boehringer nicht vom Acker gemacht hat.“ Auch
       Boehringer-Mitarbeiter Jörg Maier-Erbacher findet deshalb große Worte für
       das eigene Unternehmen: „Wir haben die Verantwortung für diesen Standort
       immer übernommen und werden das auch in Zukunft tun.“
       
       25 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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