# taz.de -- Krieg gegen Boko Haram: Nigerias abgelenkte Armee
       
       > Ständig meldet das nigerianische Militär neue Erfolge im Kampf gegen die
       > Miliz. Doch die beruhen vor allem auf der Unterstützung durch
       > Nachbarländer.
       
 (IMG) Bild: Baga, 27. Februar: Nigerias Präsident Goodluck Jonathan (4.v.l.) feiert die Rückeroberung der Stadt mit seinen Soldaten.
       
       LAGOS taz | Kein Tag vergeht mehr ohne Erfolgsmeldungen des nigerianischen
       Militärs gegen Boko Haram. Aber zugleich wird man den Eindruck nicht los,
       dass die Regierungsarmee den Islamisten hinterherläuft – kaum nimmt sie
       einen Ort ein, schlägt Boko Haram woanders zu.
       
       Warum ist das so? Nigerias Militär ist viel zu politisiert und viel zu sehr
       von Politik abgelenkt. Dass die Verschiebung der Parlaments- und
       Präsidentschaftswahlen vom 14. Februar auf den 28. März auf Druck seitens
       des Militärs zurückging und dass danach die Armeeführung dementieren
       musste, eine Interimsregierung unter eigener Führung zu planen, zeigt, dass
       die hohen Generäle in Nigeria andere Dinge im Kopf haben als die eigenen
       Unzulänglichkeiten im Kampf gegen Islamisten im Nordosten.
       
       Die Schwächen des Militärs sind institutioneller Natur. Selbst Soldaten,
       die kämpfen wollen, beklagen einen Mangel an schlagkräftiger Ausrüstung und
       Verstärkung. In den vergangenen drei Monaten sind mindestens 70
       nigerianische Soldaten von Militärgerichten wegen Ungehorsam zum Tod
       verurteilt worden. Aber der durchschnittliche nigerianische Soldat ist
       patriotischer als der durchschnittliche Militärrichter.
       
       Nachdem im April 2014 Boko Haram über 200 Schulmädchen aus einem Internat
       in Chibok entführt hatte, war den jungen Regierungssoldaten in der Region
       deutlich anzumerken, dass sie fest hinter dem Krieg gegen Boko Haram
       standen. Einer sagte, er habe seit fünf Jahren seine Eltern nicht gesehen
       und sehe sich selbst inzwischen als eine „Spende“ für sein Land. Ein
       anderer Soldat sagte, er sei bereit, sein Leben zu opfern, wenn damit Boko
       Haram besiegt werden könnte.
       
       Aber dieser Opfergeist reichte nicht aus. Vor den aktuellen Offensiven
       sagte ein Soldat in einem Interview, dass in einer durchschnittlichen
       Konfrontation mit Boko Haram 116 Regierungssoldaten rund 3.000 Islamisten
       gegenüberstünden. Letztere hätte moderne Raketen und Luftabwehrgeschütze,
       erstere Sturmgewehre und vierzig Jahre alte Panzer. Generalstabschef Alex
       Badeh sagte dazu im Januar verächtlich, solange ein Soldat ein Gewehr habe,
       solle er sich nicht beschweren.
       
       Der Staatshaushalt 2014 umfasste rund 6 Milliarden Dollar Militärausgaben,
       und im Oktober wurde eine weitere Milliarde bewilligt. Dies hätte
       ausreichen müssen, die schlimmsten Defizite an Ausrüstung zu beseitigen.
       Aber das Geld wird offenbar vorrangig dafür benötigt, das lädierte Image
       von Präsident Goodluck Jonathan aufzupolieren.
       
       ## Magere Erfolgsaussichten
       
       Das heißt nicht, dass Generäle und Regierung absichtlich den Krieg gegen
       Boko Haram verlieren wollen, wie es manche behaupten. Aber die politischen
       Interessen der Militärhierarchie und die Korruption im Staat machen es sehr
       schwer, diesen Krieg zu gewinnen. Deswegen sind auch die Erfolgsaussichten
       der laufenden Offensiven kleiner, als die Schlagzeilen es vermuten lassen.
       
       Als die Wahlen vom 14. Februar verschoben wurden, gab sich die Armee sechs
       Wochen, um Boko Haram zu schlagen. Fast die Hälfte dieser Zeit ist um.
       Seither sind Eingreiftruppen aus Tschad und Niger in Nigeria gelandet, um
       die Armee zu unterstützen. Boko Haram soll sehr viele Kämpfer verloren
       haben; der Ort Baga, wo Boko Haram im Januar Tausende von Menschen getötet
       haben soll, wurde zurückerobert. Es gibt also Erfolge. Die liegen aber
       nicht an Nigerias Armee, sondern an deren Entlastung durch die Armeen der
       Nachbarländer.
       
       Doch Boko Haram greift weiter an, auch außerhalb seines Kerngebiets und
       erstmals auch in Tschad und Niger selbst. Nach dem Vorbild des „Islamischen
       Staates“ trägt die nigerianische Islamistengruppe ihren Krieg in jedes
       Land, das dem eigentlichen Feind unter die Arme greift. In den nächsten
       Monaten könnte Boko Haram eine Bedrohung für ganz Westafrika werden.
       
       Derweil bleiben die Probleme des nigerianischen Militärs ungelöst. Es hat
       keine Umbesetzungen in den hohen Rängen gegeben. Die Ausrüstung der
       einfachen Soldaten ist nicht besser als vorher. Die Erfolge gegen Boko
       Haram, das steht zu befürchten, werden gerade mal bis zu den Wahlen
       reichen. Dann regiert in Nigeria wieder das Prinzip Hoffnung.
       
       5 Mar 2015
       
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