# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Überall fachfremde Leiharbeiter
       
       > Neues aus Putins Wahrheitsabteilung, das Dilemma der Gestaltung beim
       > „Spiegel“ und wie ein „goldener Hirsch“ zur „Frankfurter Rundschau“ kam.
       
 (IMG) Bild: Im Journalismus, in Gaststätten und auf Dächern zuhause: goldener Hirsch.
       
       Hallo taz-Medienredaktion, hast Du auch einen Feindseligkeitsfaktor? Wenn
       Oliver Welke von der „heute-show“ nicht irgendeinem Suppenhuhn mit Medien
       versprochen hat „Ich bring Dich ganz groß raus!“ und es in einem
       Russia-Today-Deutschland-Filmchen absolut überzeugend untergebracht hat, so
       hat die Propagandaabteilung der Russen diesen Faktor berechnet.
       
       Die Genossinnen und Genossen von der Putinkinschen Wahrheitsabteilung haben
       an den vom Wodka zittrigen Wurstfingern abgezählt: Einem freundlichen
       Medienbericht über Russland stehen 7,46 feindliche gegenüber. Also ich bin
       dringend dafür, die Zahl auf 98,2 zu erhöhen.
       
       Und das, obwohl man ja jetzt prorussisch sein soll. Als Journalist. Um zu
       zeigen, dass man unabhängig ist. Prorussisch werde ich nicht. Es ist so
       oberpeinlich, wie Medien und Politiker bemüht sind, diesen geistig
       vierjährigen Putin nicht zu erzürnen, der völlig durchdreht, weil alle über
       seine Nackter-Oberkörper-Angelbilder gelacht haben, statt in ihm den großen
       Staatsmann zu sehen.
       
       Das ist so, wie wenn man in Deutschland einem Spielshow-Moderator die
       wichtigste Talksendung des Landes überlässt und sich dann wundert, dass er
       den griechischen Finanzminister mit den Worten verabschiedet: „Sie haben
       sich tapfer geschlagen!“
       
       Ganz neue Perspektiven in der Betrachtung von Journalismus zeigt auch die
       Frankfurter Rundschau auf. Ganz ohne Beratung von Russia Today oder der ARD
       ist man auf die Idee gekommen, eine Werbeagentur ans Blatt zu lassen.
       Nachdem in den vergangen Jahren an Umfang und Personal zusammengespart
       wurde, was sich ohne Widerworte im Odenwald aussetzen ließ, darf nun die
       Agentur „Zum goldenen Hirschen“ an der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung
       mitwirken.
       
       ## „Spiegel“-Leser wollen spüren, dass sie „einkommensstärker“ sind
       
       Warum gibt es eigentlich noch JournalistInnen, wenn deren ureigenste
       Aufgaben von Werbern übernommen werden? Wann kommen Autobauer,
       Versicherungsmakler und Fischzüchter, um unsere Arbeit zu machen? Die
       russischen Bühnenbildner, die eben noch die Kulissen für den Nussknacker
       gepinselt haben, sind ja schon am Werke, wie man bei Russia Today sieht.
       
       Letzte Woche habe ich mich ja über den Spiegel-Titel „Kontrenzier Dich!“
       gewundert. Ich hatte darin einen Testlauf für einen ausrangierten
       Mitarbeiter des Focus vermutet, der beweisen soll, dass er genug Grips hat,
       um einem Nutzwertartikel den entscheidenden Dreh für Spiegel-Leser
       mitzugeben. Also mehr klug zu machen.Der Schlauigkeit der Spiegel-Leser
       anzupassen. Mehr fürs Geld zu bieten.
       
       Denn Spiegel-Leser wollen spüren, dass sie „einkommensstärker“ sind, indem
       sie locker viel Geld für Zeug zum Schlaumachen ausgeben können. Deswegen
       ist es auch wichtig, dass man ihnen Buchstaben verdreht. Damit sie merken:
       Hier werde ich ernst genommen!
       
       Mittlerweile aber glaube ich, dass dieses Blatt auch von Arbeitern aus
       anderen Branchen gefertigt wird. Die aktuelle Ausgabe lässt mit ihrer
       krachdebilen Gestaltung der Titelgeschichte „Leben im Jahr 2030“ vermuten,
       dass dort die Russen aus der Putinkinschen Wahrheitsabteilung einmarschiert
       sind. Schließlich ist die komplette Farbgestaltung in Weiß, Blau und Rot
       gehalten und von einer grafischen Holzschnitthaftigkeit, die vermuten
       lässt, dass der Grafiker nur ein Programm mit drei Funktionen kennt: groß,
       grob und klotzig.
       
       Die Botschaft des weiß-blau-roten Gestaltungsdilemmas liest sich wie
       Liebesgrüße nach Moskau: 2030 ist die Welt unsere! Bis dahin bin ich an der
       Tastatur und schreibe den 98,2 Prozent entgegen! Und damit zurück nach
       Westberlin!
       
       18 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Burmester
       
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