# taz.de -- Grips Theater: „Wir waren noch nicht radikal genug“
       
       > Stefan Fischer-Fels, Künstlerischer Leiter des Grips Theaters, erklärt
       > seinen vorzeitigen Abschied von Deutschlands bekanntester Kinder- und
       > Jugendbühne.
       
 (IMG) Bild: Stefan Fischer-Fels und Volker Ludwig (v.l.)
       
       taz: Herr Fischer-Fels, Sie verlassen das Grips Theater schon 2016. Wer
       wollte Ihren vorzeitigen Abschied? Sie oder Grips-Gründer Volker Ludwig,
       der weiterhin die Geschäfte am Hansaplatz führt? 
       
       Stefan Fischer-Fels: Ich habe um die Auflösung des Vertrags gebeten. Es gab
       und gibt künstlerische Differenzen zwischen Volker Ludwig und mir. Vor
       Kurzem habe ich ihn dann gefragt, ob ich sein Verhalten richtig deute –
       dass er es vorziehen würde, ich bliebe nicht bis 2018 Künstlerischer
       Leiter. Er hat das bejaht.
       
       Von diesen „künstlerischen Differenzen“ war bereits zu lesen. Wie sehen die
       aus? 
       
       Es gibt einen bestimmten Stil, für den das Grips Theater weltberühmt
       geworden ist. Mein Konzept war es, die Frage nach einem politischen Kinder-
       und Jugendtheater neu zu stellen: Was ist emanzipatorisches Theater heute?
       Das wollte ich ohne irgendwelche Tabus erforschen, und dieser Weg ist bis
       zu einem gewissen Grad mit dem Mythos des Grips Theaters, wie es einmal
       war, kollidiert.
       
       Worin bestand dieser Weg ganz konkret? 
       
       Unter anderem darin, neue Autoren und Regisseure ans Haus zu holen. Armin
       Petras hat für das Grips sein erstes Kinderstück geschrieben, Sönke
       Wortmann hat bei Lutz Hübners „Frau Müller muss weg“ nach vielen Jahren
       wieder ein Theaterstück inszeniert. Junge Regisseure wie Mina Salehpour
       bringen andere Erfahrungen und andere Stile mit. Wir haben ein
       herausragendes Ensemble, auch mit vielen jungen Leuten, die sich mit
       unserem Weg identifizieren. Was die Erzählweisen angeht, interessieren uns
       auch nichtlineare Formen, andere Spielweisen und eine Komplexität in der
       Stückführung. In dieser Hinsicht waren Volker Ludwig und ich meilenweit
       auseinander.
       
       Ein Beispiel? 
       
       „Der Kreidekreis“ von Armin Petras, eine Parabel über die Selbstbestimmung
       von Kindern und wie die Erwachsenen an ihnen zerren. Petras ist für mich
       ein hochpolitischer Autor, aber in seiner Poesie und Komplexität geht er
       eben einen ganz anderen Weg als zum Beispiel ein Volker Ludwig. Ich gebe
       zu, das Stück ist umstritten, aber auch das muss sein. Es gibt viele neue
       Stücke, die fantastisch beim Publikum ankommen. Die Frage ist: Wagen wir
       Neues? Da war ich eher übermütig und er eher vorsichtig. Ich habe stark auf
       externe Impulse gesetzt, um das Haus zu inspirieren, und weniger aus der
       Familie heraus gedacht.
       
       Sie waren zu radikal. 
       
       Eigentlich finde ich, wir waren noch nicht radikal genug. Aber es mag sein,
       dass ich zu viel wollte, dass ich zu schnell war. Andererseits haben wir
       das alles im Team entwickelt, und auch die Zahlen sprechen für sich.
       
       Gibt es auch einen persönlichen Zwist zwischen Ludwig und Ihnen? Sie haben
       am Anfang Ihrer Zeit in einem Interview vom „liebevollsten Vatermord der
       jüngeren Theatergeschichte“ gesprochen, er soll Ihnen das übelgenommen
       haben. 
       
       Das hat ihn schwer getroffen, und wir haben das besprochen. Die
       Formulierung tut mir leid. Was ich damit zum Ausdruck bringen wollte war ja
       die Frage, wie er seinen Ausstieg gestaltet. Die von ihm gewünschte
       Konstruktion mit ihm als Geschäftsführer im Rücken ist problematisch. Ich
       schätze Volker Ludwig sehr. Er ist mein Lehrmeister, und ja: Ich bin
       enttäuscht, dass es zwischen uns diesmal nicht gefunkt hat. Dabei sind wir
       uns in viel mehr Dingen einig als uneins, in unserem politischen Engagement
       und in unserem Grundverständnis von Theater als einem kritischen
       Volkstheater. Sonst wäre ich nicht an diesem Haus.
       
       Sie gehen jetzt zurück ans Junge Schauspielhaus in Düsseldorf, das Sie
       schon von 2003 bis 2011 geleitet haben. Die bessere Wahl? 
       
       Wilfried Schulz, der künftige Intendant des Schauspielhauses, hat mir außer
       der Leitung der Kinder- und Jugendsparte angeboten, eine „Bürgerbühne“
       aufzubauen, an der mit partizipativen Formen experimentiert wird. Das sind
       wunderbare künstlerische Möglichkeiten – ein Angebot, das ich eigentlich
       nicht ablehnen konnte.
       
       Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger in Berlin? 
       
       Natürlich Erfolg. Aber auch dass er Grips in der Stadt vernetzt und mutig
       genug ist, dieses Haus in die Zukunft zu führen.
       
       Und was reißen Sie noch bis Sommer 2016? 
       
       Ich habe vor, eine tolle letzte Spielzeit zu machen, und ich freue mich
       darauf. Es wird noch viele Premieren geben, da wollen wir noch mal ein
       Feuerwerk abfackeln. Ich bin noch da, werde mit voller Kraft da sein. Ich
       liebe das Grips Theater sehr.
       
       18 Mar 2015
       
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