# taz.de -- G-7-Treffen in Lübeck: Straffes Programm und Proteste
       
       > Die Proteste gegen das G-7-Außenministertreffen verlaufen friedlich.
       > Hinter verschlossenen Türen wird von Jemen bis Ebola ein großes Paket
       > verhandelt.
       
 (IMG) Bild: Die Polizei lauscht der unvermeidlichen Trommelgruppe in Lübeck.
       
       LÜBECK taz | Der Sturm auf das Lübecker Rathaus begann um 19.02 Uhr. Junge
       Männer zogen die Kapuze über den Kopf, andere holten Taucherbrillen gegen
       das zu erwartende Pfefferspray aus der Tasche. Die Menge teilte sich in
       zwei Gruppen, Hunderte trabten los, die Polizeihundertschaften in ihrer
       Montur hatten Mühe, Schritt zu halten. „Blockieren, umzingeln“ hatte
       Protest-Organisator Christoph Kleine von der Interventionistischen Linken
       (IL) vorher gesagt, am liebsten aber „zum Buffet der Minister vorstoßen“ –
       das sei das Ziel.
       
       Kurz vor dem Ende der offiziellen Demo kursierte plötzlich die Parole „Wir
       wollen mitessen“. Bis dahin war geheim geblieben, wann, wo und wie die das
       G-7-Außenministertreffen in der Hansestadt blockiert werden sollte.
       
       Nur wenige Minuten später war klar: Der Catering-Service des Auswärtigen
       Amtes brauchte am Dienstagabend nicht nachzulegen. Die Gegner des Gipfels
       bildeten einen Ring um die Absperrungen, die 3.500 Polizisten errichtet
       hatten, überwinden konnten sie sie nicht. Bis in die späten Abendstunden
       blieben sie in der Innenstadt, Ausschreitungen gab es keine. Die Polizei
       nahm elf Demonstranten in Gewahrsam.
       
       Seit 14 Uhr hatten sie sich in der Lübecker City gesammelt: Gewerkschafter,
       Friedensbewegte, Linke und Grüne, Studenten, ein kleiner schwarzer Block.
       Insgesamt etwa 3.000 Menschen. Das ist nicht wenig dafür, dass Lübeck am
       Rand der Republik liegt und der Gipfel mitten in der Woche – und zudem um
       einen Tag verschoben worden war. „Die Lawine ins Rollen bringen“ stand auf
       dem Plakat eines Demonstranten. Ausweislich der Zeichnung schwebte ihm eine
       Protest-Lawine vor, die schließlich, in zwei Monaten, auch den großen
       G-7-Gipfel, den der Staatschefs, im bayrischen Elmau. überrollen werde.
       
       ## Sorge um „Blockkonfrontation“
       
       Doch dahin ist es noch weit. Für's erste ergriff „Heinz von der DKP“ das
       Mikrofon und erklärte, man wolle „nicht hinnehmen, dass 85 Menschen soviel
       haben wie die ärmste Hälfte der Menschheit“. Wer die Dinge so eingerichtet
       hat – daran gab es für die Gipfelgegner keine Zweifel: „Die G7 stehen für
       alles, was auf dieser Welt falsch gemacht wird“, sagte der Linken-Politiker
       Tobias Pflüger. Sie hätten sich „selbst legitimiert über die gesamte Welt
       entscheiden zu können.“ Sie hätten diese Macht genutzt, sehenden Auges
       einen „neue Blockkonfrontation“ heraufziehen zu lassen.
       
       Pflüger hatte schon auf den Demos gegen den letzten G-8-Gipfel in
       Deutschland, 2007 in Heiligendamm, gesprochen. „Die Lage ist seitdem nicht
       besser geworden“, sagt er. Die Bundeswehr übernehme eine „Führungsrolle in
       der neuen Nato-Speerspitze“. Deren Gebaren in der Ukraine-Krise sorge ihn.
       Er forderte, dass „endlich über Abrüstung gesprochen wird“.
       
       Kleine warf der Stadt Lübeck vor, Stimmung gegen die Demos der Gipfelgegner
       gemacht zu haben. „Ihr habt die Hetze mitbekommen“, sagte er vom
       Lautsprecherwagen. „Es hieß immer nur Gewalt, Gewalt, Gewalt“. Und wie um
       Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe und die Polizeigewerkschaft Lügen zu
       strafen, zog er ein Blatt Papier aus der Tasche und las den Demonstranten
       den beschlossenen „Konsens zu den Aktionen zivilen Ungehorsams“ noch einmal
       vor: „Von uns geht keine Eskalation aus“, sagte er. Allerdings werde man,
       wo nötig, „Polizeiketten umfließen“. Um 17 Uhr setzt sich der Demozug
       Richtung Hansemuseum in Bewegung – dort versammeln sich die Minister am
       Mittwoch.
       
       ## Sechs G-7-Teilnehmer
       
       Vor dem festungsartig abgesicherten historischen Rathaus der Hansestadt, wo
       das Abendprogramm des Gipfels angesetzt war, hatten sich zu der Zeit
       Schaulustige gesammelt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) trat
       heraus. „Wir brauchen diese Zusammenkünfte,“ sagte er den Lübeckern,wie zur
       Entschuldigung für den Ausnahmezustand, in den er die Stadt hatte versetzen
       lassen. Doch es gebe „zu viele Krisen“, als dass diese Art der Diplomatie
       verzichtbar sei. Ins Rathaus kamen am Abend allerdings nur sechs
       Außenminister. Der Amerikaner John Kerry reiste wegen einer Anhörung im
       US-Kongress zum Stand der Iran-Verhandlungen erst am Mittwoch an.
       
       Neben dem so brüchigen Waffenstillstand in der Ukraine wollen sich die G7
       und die EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica
       Mogherini auch mit dem Iran, Irak, Libyen, Jemen, der Ebola-Epidemie und
       der „Sicherheit auf den Weltmeeren“ befassen. Am Nachmittag sollen
       gemeinsame Erklärungen präsentiert werden. Das Treffen dient auch der
       Vorbereitung des G-7-Gipfels im Juni auf Schloss Elmau.
       
       Auf ihrem Zug steckten die Demonstranten derweil hunderte kleine gelbe
       Anti-G-7 Aufsteller in den Boden, von weitem sah es aus, als seien mutierte
       Löwenzahnblüten durch das Pflaster gebrochen. Die Polizei hielt sich außer
       Sichtweite. Kurz vor Ende passierte der Zug eine Friedensmahnwache der so
       genannten Montagsdemonstranten. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von
       verschwörungstheoretischen Positionen“, hatte Kleine zuvor vom
       Lautsprecherwagen gesagt. Es war vor allem eine Absage an antisemitisch
       gefärbte Anklagen gegen vermeintliche Hinterzimmerzirkel und heimliche
       Herrscher der Welt, wie die Mahnwachen sie gern führen. „Hallo
       Wahnwichtel“, riefen einige Demonstranten als sie an der kleineren
       Kundgebung vorbeizogen.
       
       ## Nachwirkungen von Blockupy
       
       Die Gipfelgegner hatten mehrfach betont, in Lübeck defensiv vorgehen zu
       wollen. Die maßgeblich hinter dem Protest stehende IL ist noch damit
       beschäftigt die Vorfälle bei den Blockupy-Demos in Frankfurt Mitte März
       aufzuarbeiten. Ähnlich wie in Lübeck hatte sich da ein Bündnis aus
       Parteien, Gewerkschaften, der als „postautonom“ geltenden IL und autonomen
       Gruppen gebildet – und es hatte gewaltig gekracht.
       
       Zwar wollte Blockupy den Krawall vor allem als soziale Unruhe gedeutet
       wissen, intern gab es aber heftige Diskussionen. Anfang Mai soll die
       Gewaltfrage nun auf einer Konferenz in Berlin diskutiert werden. In der
       Einladung heißt es: „Wir haben (...) einzelne Aktionen am Vormittag des 18.
       März kritisiert, die außerhalb des Blockupy-Aktionskonsenses standen und
       weder vermittelbar noch verantwortbar waren.“
       
       Solche Vermittlungsprobleme gab es in Lübeck nicht. Kurz vor 19 Uhr
       erreichte der Demozug seinen Endpunkt, das Hansemuseum. „Einige von uns
       werden nun Aktionen des zivilen Ungehorsams“ durchführen, sagte Kleine und
       löste die Demo auf. Per Twitter wurden die Demonstranten durch die
       Innenstadt dirigiert, die Polizei kesselte einige von ihnen ein, es gab
       einzelne Rangeleien, alle Scheiben blieben heil. Gegen 22 Uhr beendeten die
       Demonstranten ihre Aktion – ebenfalls per Twitter: „Aktionen beendet. 3.000
       auf SuperDemo. Möglichstes getan! Morgen keine Aktionen von #stopg7 Wir
       lassen wir den Sicherheitswahnsinn ins Leere laufen.“
       
       15 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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