# taz.de -- Lifestyle in Saudi-Arabien: Kein kalter Kaffee
       
       > Bio-Kaffee, Comedy und Yoga im Freien? Eine Genossenschaft in Dschidda,
       > Saudi-Arabiens liberalster Stadt, geht neue Wege.
       
 (IMG) Bild: Kaffee soll es geben, aber auch ein bisschen Kultur.
       
       DSCHIDDA taz | Wer Saudi-Arabiens erste Kaffee-Genossenschaft besuchen
       will, wird Zeuge der Konsumkultur des Königreichs. McDonald’s rechts,
       Starbucks links, dann geht es weiter die Küste entlang, bis sich einige
       Kilometer hinter Burger King und Ben & Jerry’s ein Wohnturm an der
       Strandpromenade erhebt. Unten vor der Tür grüßen Salem und Ali, beide um
       die 30. Ali öffnet die Tür, blickt zu den beiden Zwischenebenen empor und
       erklärt: „Auf mittlerer Höhe werden wir den Kaffee rösten, ganz oben sind
       die Arbeitsplätze für die Freelancer.“
       
       Noch versperren Schubkarren und Zementsäcke den Weg, Kabel hängen aus den
       Wänden. Doch Salem und Ali scheinen die Espressomaschine bereits rattern zu
       hören. Mit [1][„Medd“], einem genossenschaftlich organisierten Coffeeshop,
       wollen sie neue Wege gehen in der saudischen Millionenmetropole Dschidda,
       in der sich internationale Ketten wie überall in dem ölreichen Golfstaat
       munter ausgebreitet haben. Allein Dschidda zählt über 50 Shoppingcenter,
       eines größer als das andere.
       
       Für Salem Bajnaid und Ali al-Ghazzawi ist Medd ein Herzensprojekt. Das Logo
       ihres Coffeeshops hängt schon über dem Eingang zur Baustelle. Dabei wollten
       die beiden Freunde eigentlich ein Kulturzentrum eröffnen. Doch im Gegensatz
       zur wirtschaftlichen Freiheit sind der Kreativität der jungen Leute enge
       Grenzen gesetzt. Konzerte gibt es kaum, Theater und Kinos sind verboten und
       Künstler müssen ins Ausland gehen, um studieren zu können. Ein
       Kulturzentrum mit Lesungen und Konzerten genehmigt zu bekommen sei
       schwierig, sagt Salem.
       
       ## Kaffee, der „Wein des Islams“
       
       Nun also Kaffee. Im Medd wollen Salem, Ali und die anderen Medd-Mitglieder
       unterschiedliche Brühmethoden ausprobieren. Selbst kalt zubereiteten Kaffee
       wollen sie servieren, der meist über Nacht zieht und das Aroma der Bohnen
       besonders gut aufnehme – ein Trend in der globalen Barista-Szene. In
       Saudi-Arabien beschreiten Salem, Ali und die anderen Genossen damit neue
       Wege.
       
       Dabei sei Kaffee der „Wein des Islam“, sagt Salem. Er erinnert an den
       Sufismus, eine mystische Strömung im Islam, ohne die sich der Kaffee nicht
       weltweit hätte verbreiten können. Heute gibt es kaum noch Sufis im
       Königreich, und die wenigen, die es noch gibt, praktizieren ihre Religion
       im Geheimen. Ihre spirituelle Orientierung fordert den regelgeleiteten,
       ultrasunnitischen Staatsislam der Saudis heraus.
       
       Doch nach der Entdeckung des Kaffees in Äthiopien vor Hunderten von Jahren
       seien es Sufis gewesen, die ihn in ihre Rituale integriert und so nach
       Arabien gebracht hätten. „Kaffee hielt die Sufis wach“, erklärt Salem. Das
       Medd-Logo über der Tür haben die Genossinnen und Genossen als Kalligrafie
       im persisch-sufistischen Stil gestaltet. Auch der Name selbst zollt den
       Sufis Respekt: Medd, erklärt Salem, sei im Sufismus die göttliche
       Intervention, die die kapitalistische Logik durchbreche.
       
       ## Vorsicht statt Ungeduld
       
       Dieser wollen die Genossen auch mit ihrer gemeinschaftlichen
       Organisationsform etwas entgegensetzen. „Ein Mitglied, eine Stimme“, sagt
       Salem. Es gebe zwar auch Investoren, kritische Entscheidungen würden aber
       im Aufsichtsrat getroffen, in dem die Mitglieder die Mehrheit hätten. In
       Saudi-Arabien sei das etwas Neues. Es gebe landwirtschaftliche
       Genossenschaften, von einer profitorientierten Konsumgenossenschaft habe er
       in Saudi-Arabien aber noch nichts gehört.
       
       Dass aus dem Kulturzentrum nichts geworden ist, sehen Salem und Ali
       gelassen. Sie wollen die Freiräume nutzen, die es in Dschidda,
       Saudi-Arabiens liberalster Stadt, zunehmend gibt. Und sie sind überzeugt,
       dass Vorsicht weiterführt als Ungeduld. „Ich kenne andere Läden, die
       zumachen mussten“, sagt Salem. Kürzlich schloss das Jusur-Café in Dschidda,
       nachdem es zum Treff für kritische Diskussionen geworden war.
       
       Gestorben ist der Traum vom Kulturzentrum aber nicht. Der Coffeeshop könne
       ja Raum bieten für Kultur, meint Salem. Anfangen wollen sie mit
       Stand-up-Comedy. Aber auch Ausstellungen und Barista-Workshops soll es
       geben. Auf der Terrasse will Ali Yoga anbieten. Und wer weiß, sagt Salem,
       vielleicht wird es auch einmal ein Konzert geben – „wenn die Umstände es
       zulassen“.
       
       24 Apr 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://meddcoffee.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Genossenschaft
 (DIR) Kaffee
 (DIR) Saudi-Arabien
 (DIR) Saudi-Arabien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Saudi-Arabien
 (DIR) al-Qaida
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tanzeinlage in Saudi-Arabien: „Macarena-Tänzer“ festgenommen
       
       Ein 14-Jähriger hat den berühmten Macarena-Tanz auf einer Straßenkreuzung
       im saudischen Dschidda aufgeführt. Die Polizei reagierte prompt.
       
 (DIR) Kampagne für Toleranz in Saudi-Arabien: Wer ist dieses Biest?
       
       In Saudi-Arabien wachsen die religiösen Spannungen. Die Behörden werben mit
       einem Video für Toleranz. Aber gegenüber wem?
       
 (DIR) Krieg im Jemen: Aus „Sturm“ wird „Hoffnung“
       
       Saudi-Arabien kündigt eine neue Phase im Kampf gegen die Huthi-Rebellen an.
       Dies könnte den Weg für politische Gespräche öffnen.
       
 (DIR) Kommentar Krieg im Jemen: Erfolg für den saudischen König
       
       Der Jemen-Konflikt droht nun zu einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran
       und Saudi-Arabien um die regionale Vorherrschaft zu werden.